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ASIEN/972: Vietnam - Abfuhr für das Pentagon (Gerhard Feldbauer)


Abfuhr für Pentagon

Mit einem Dementi zur Überlassung von Militärstützpunkten an ausländische Mächte betreibt Vietnam Außenpolitik von strategischem Format

von Gerhard Feldbauer, 29. Oktober 2016


Die Sozialistische Republik Vietnam hat Spekulationen über eine militärische Zusammenarbeit mit anderen Staaten oder die Überlassung von Stützpunkten entschieden dementiert. Der Sprecher des Außenministeriums, Le Hai Binh, erklärte laut der staatlichen Nachrichtenagentur VNA vom 20. Oktober auf einer Pressekonferenz, "Vietnam gestattet keinem Land Militärbasen auf seinem Territorium einzurichten." Es verfolge unverändert konsequent "eine Politik des Nichtbeitritts zu jedweden militärischen Allianzen und werde sich mit keinem Land gegen ein anderes verbünden". Auf eine Frage, auf welche Nachrichten sich das beziehe, nannte der Sprecher russische Medien, die von internationalen Agenturen, so der französischen AFP, weiter verbreitet wurden.

Die Demarche scheint vordergründig gegen Moskau gerichtet, zielt aber in Wirklichkeit gegen Washington und geht auf den Besuch Barack Obamas vom 23. bis 25. Mai dieses Jahres in Hanoi zurück. Während der Visite gab der US-Präsident die Aufhebung des Waffenembargos gegen den früheren Kriegsgegner bekannt, worauf Hanoi einen Vertrag mit der US-amerikanischen Rüstungsschmiede Boeing über den Kauf von 100 zivilen Boeing 737 für 11,3 Mrd. Dollar abschloss. Weitere Käufe, darunter hochmoderne Kampfjets und Aufklärungsflugzeuge, sollten folgen. Die New York Times hatte 19. Mai geschrieben, Obama wolle die tiefgehenden Interessengegensätze Hanois mit Peking über Gebietsansprüche auf die Paracel- und Spratly-Inseln im südchinesischen Meer zu dessen Einbeziehung in seine Einkreisungsstrategie gegen Peking nutzen. Washington lockte mit hohen Pachtzahlungen. Am 30. Mai 2016 berichtete Sputnik News unter Berufung auf ein Interview des russischen Militärexperten Viktor Litowkin in der Iswestija, Obama habe versucht, Hanoi dafür zu gewinnen, ihnen in ihrem "Einflusskampf gegen China" den Marinestützpunkt im Tiefseehafen Cam Ranh in Zentralvietnam zu überlassen. Dort unterhielten die USA während ihres Vietnamkrieges bereits eine Marine- und Luftwaffenbasis, von der aus u.a. die berüchtigten B-52-Langstreckenbomber starteten. Nach dem Sieg Vietnams im April 1975 nutzte die UdSSR, später Russland bis 2002 Cam Ranh als strategischen Stützpunkt ihrer Pazifikflotte. Moskau sucht seit längerer Zeit selbst, nach Cam Ranh zurückzukehren. AFP berichtete am 7. Oktober über Äußerungen des Vize-Verteidigungsminister Nikolai Pankow, dass Russland seine militärische Zusammenarbeit neben Kuba mit Vietnam reaktivieren wolle. Offensichtlich in Erinnerung an die kriegsentscheidende Waffen- und Ausbildungshilfe im Widerstand gegen den USA-Überfall habe Präsident Putin von der Erfüllung einer "historischen" Mission" gesprochen.

Für Vietnam, das für seinen Pragmatismus in der Außenpolitik bekannt ist, könnte Russland, das mit China eine strategische Bündnispolitik im asiatisch-pazifischen Raum zur Abwehr der Einkreisungspolitik der USA betreibt, ein Partner sein, von dem es sich einen Einfluss auf Peking verspricht. Außerdem denkt man in Hanoi über modifizierte Formen einer militärischen Zusammenarbeit nach. Der vietnamesische Botschafter in Moskau, Nguyen Than Son, hatte am 17. Mai 2016 gegenüber RIA Novosti erklärt, dass sein Land "keinen Militärbündnissen beitrete", aber "eine Nutzung" von Cam Ranh für die multilaterale internationale Zusammenarbeit, für Seetransport-Dienstleistungen, Schiffsreparaturen und die Entwicklung der Militärtechnik "zur Gewährleistung des Friedens und der Stabilität in der Region eine passende Richtung" sei. Mit Cam Ranh, seinem Kronjuwel im Verkehr im Südchinesischem Meer, hat Hanoi ein strategisches Faustpfand in der Hand, das es zur Stärkung seiner Position im Konflikt mit China geschickt nutzt. Beobachter in Hanoi stellen bereits die Prognose auf, dass auch den USA die Nutzung von Cam Ranh gewährt wird und Kriegsschiffe der sechsten US-Flotte und der russischen Pazifikgeschwader sich ablösen könnten, wenn sie nicht gar gleichzeitig ankerten.

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Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Oktober 2016

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