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ITALIEN/019: Die kommunistische Tageszeitung "Manifestò" ringt um ihr Überleben (Gerhard Feldbauer)


In Italien ringt die kommunistische Tageszeitung "Manifestò" um ihr Überleben

Sie blickt auf eine 43jährige kämpferische linke Geschichte zurück

von Gerhard Feldbauer, 7. Juni 2012



Nach dem Ende der PRC-Tageszeitung "Liberazione" zu Beginn des Jahres soll jetzt auch der letzten kommunistischen Tageszeitung "Il Manifestò" in Italien der Todesstoss versetzt werden. Premier Mario Monti setzt die von seinem Vorgänger Berlusconi verfügte drastische Kürzung der Zahlung staatlicher Subventionen für unabhängige gemeinnützige Presseorgane, die "Manifestò" erhielt, rigoros durch. Dadurch geriet die Zeitung mit nur geringen Werbeeinnahmen in immer stärkere Verschuldung. Die Auflage fiel unter 20.000 Exemplare. Die rund 60 Mitarbeiter erhalten schon seit September 2011 kein Gehalt mehr.


Premier Monti der Totengräber

Bereits im Februar des Jahres wurde für die von einer Genossenschaft herausgebebene Zeitung die Zwangsliquidation eingeleitet. Trotzdem haben die Mitarbeiter bisher die Herausgabe ihres Blattes gesichert und Ringen um eine Fortsetzung. "Wir werden darum kämpfen, weiterhin zu erscheinen, auch wenn die Situation für jeden von uns sehr schwierig ist", sagte Chefredakteurin und Herausgeberin Norma Rangieri. Als die Zeitung am 12. Mai mit "No" im Titel Quotidiano comunista erschien und zu Spenden zur Unterstützung aufrief, meldeten sich Tausende mit Solidaritätsbekundungen. Der Vizepräsident des Senats von der Demokratischen Partei (DP), Vannino Chiti, forderte Regierungsmaßnahmen zum Erhalt des Blattes als "einer freien und unabhängigen Stimme", die er als einen "Eckpfeiler der Demokratie" bezeichnete. Paolo Ferrero von der Kommunistischen Neugründungspartei PRC nannte die Kürzungen der Subventionen durch die Monti-Regierung eine "Tötung des Medienpluralismus". Noch gibt es Hoffnungen, das Quotidiano comunista zu erhalten.


43 Jahre traditionsreiche linke Mediengeschichte

"Manifestò" blickt auf eine 43jährige traditionsreiche linke Mediengeschichte zurück. Es ging hervor aus einer breiten Oppositionsbewegung innerhalb der PCI gegen den Kurs der Abgrenzung der Partei von der 1968er Protestbewegung und von linksradikalen Organisationen wie der Lotta Continua (ständiger Kampf), die im Zentrum der Arbeiterkämpfe in der Fiat-Metropole Turin 20.000 Mitglieder zählte, von denen ein Teil am bewaffneten Kampf gegen die faschistische Gefahr teilnahm. Im November 1969 schloss das ZK der PCI die unter dem Namen "Manifestò" entstandene innerparteiliche Opposition wegen "Linksabweichung" aus der Partei aus, darunter die legendären Linken Luigi Pintor und Rossana Rossanda. Insgesamt wurden etwa 10.000 Mitglieder ausgeschlossen oder verließen die Partei. Pintor und Rossanda gründeten anschließend die Zeitung, die als Organ der Vereinigung "Manifestò" zunächst als Wochenzeitung, ab 1971 von einer Genossenschaft herausgegebene Tageszeitung erschien.

"Manifesto" wandte sich entschieden gegen den seit Beginn der 1970er Jahre unter der Ideologie des sogenannten Eurokommunismus in der PCI um sich greifenden Reformismus, der in der Konzeption des "Historischen Kompromisses" der Klassenzusammenarbeit mit der großbürgerlichen Democrazia Cristiana unter Enrico Berlinguer (seit 1971 Generalsekretär) gipfelte. Zu den führenden Vertretern der reformistischen Strömung in der PCI gehörte der heutige Staatspräsident, Giorgio Napolitano, später Linkspartei, heute DP.


Zusammen mit den revolutionären Sozialisten Emilio Lusso und Lelio Basso

Anfang Juli 1974 löste sich "Manifestò" als Vereinigung auf und schloss sich der von revolutionären Sozialisten mit Emilio Lusso und Lelio Basso an der Spitze gegründeten Partei der Proletarischen Einheit (PdUP) an, die dem "Historischen Kompromiss" eine linke Regierungsalternative entgegensetzte. Ausgangspunkt der PdUP-Gründung waren Aktivitäten, die bereits nach der Regierungsbeteiligung der Sozialistischen Partei (PSI) 1963 und ihrer folgenden (zeitweiligen) Vereinigung mit den Sozialdemokraten Saragats einsetzten. Die PdUP löste sich 1984 auf und eine Mehrheit trat zur PCI über, die nach dem Scheitern ihrer Kompromiss-Linie, sich 1979 wieder für eine linke Regierungsalternative ausgesprochen hatte. Starke Reste der PdUP nahmen 1991 nach der Liquidierung der PCI durch die Revisionisten an der Neugründung der PRC teil.


Rossana Rossanda, eine Tochter des 20. Jahrhunderts

Die 1924 geborene Rossana Rossanda war unter Palmiro Togliatti 1953 ins Zentralkomitee der PCI aufgenommen worden, wo sie für Kulturfragen zuständig war. 1963 wurde sie in die Abgeordnetenkammer gewählt. Sie wurde über die Grenzen Italiens hinaus als eine engagierte parteiunabhängige kommunistische Theoretikern bekannt. Unter mehreren ihrer Bücher ist ihre 2007 bei Suhrkamp erschienene Autobiografie zu erwähnen "La Ragazza del Secolo scorso" (Die Tochter des 20. Jahrhunderts).

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Quelle:
© 2012 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juni 2012