Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

LATEINAMERIKA/1042: Der neue Präsident von El Salvador ist kein Revolutionär (Herder Korrespondenz)


Herder Korrespondenz
Monatshefte für Gesellschaft und Religion 6/2009

Romero im Herzen, Lula im Blick
Der neue Präsident von El Salvador ist kein Revolutionär

Von Christian Frevel


In El Salvador hat die Partei der ehemaligen Guerilla, die FMLN, die Präsidentschaftswahlen gewonnen. Nach dreißig Jahren rechter Regierungen kommt jetzt die Linke im Land ans Ruder. Mit Mauricio Funes übernimmt ein Mann die Präsidentschaft, der sich ausdrücklich auf den ermordeten Erzbischof Oscar Romero bezieht.


*


Im nächsten Jahr werden es dreißig Jahre sein, dass Oscar Arnulfo Romero ermordet wurde: Am 24. März 1980 wurde der Erzbischof von San Salvador, am Altar stehend und die Messe zelebrierend, von einer Kugel getroffen, die ein Auftragsmörder aus einem Auto heraus durch die offene Tür der Krankenhauskapelle hindurch auf Romero abschoss. Romero wird seitdem als Volksheiliger in El Salvador verehrt, sein Seligsprechungsverfahren ist weiterhin in Rom anhängig.

Mit der Wahl des Kandidaten der Linken, Mauricio Funes, zum neuen Präsidenten des Landes am 15. März 2009 sei "Romero wiederauferstanden", jubelte der lutherische Bischof Medardo Gómez in San Salvador. Die katholische Kirche gibt sich zurückhaltender: "Funes hat sich im Wahlkampf immer wieder auf Romero bezogen", sagt Edin Martínez, Direktor der Romero-Stiftung in El Salvador. Noch in der Wahlnacht, nachdem sein Sieg feststand, hatte der neu gewählte Präsident, umringt von Mitgliedern der Parteispitze in roten Hemden, die Blicke demonstrativ Richtung Himmel gelenkt, an Erzbischof Romero erinnert: "Er sagte, dass die Kirche die vorrangige Option für die Armen getroffen habe. So werde ich es auch halten: Die Armen und die Ausgeschlossenen bevorzugen."

Zwanzig Jahre lang war das mittelamerikanische Land von der rechten Arena-Partei regiert worden. Es war der Gründer der Arena-Partei, Major Roberto D'Aubuisson, der den Befehl zur Ermordung Romeros gab und dazu genaue Anweisungen an Mitglieder seines Sicherheitsdienstes, wie der Mord zu geschehen habe - so steht es im Bericht der Wahrheitskommission von 1993. Doch so, wie die Verbrechen des Bürgerkriegs wenige Tage nach Veröffentlichung des Berichts der Wahrheitskommission durch eine Amnestie ungesühnt blieben, wurde die Person des Parteigründers D'Aubuisson zur Kultfigur stilisiert und steht noch heute, mit erhobener Faust, in Bronze gegossen im Hauptquartier der Arena-Partei. Eine Distanzierung der Arena-Partei von ihrem Gründer gab es nie. Und während Erzbischof Arturo Rivera y Damas 1994 betonte, ein Katholik könne nicht für die Partei der Mörder Romeros stimmen, gab sich sein Nachfolger, der dem Opus Dei angehörende Erzbischof Fernando Sáenz Lacalle, unpolitischer: Die Kirche dürfe sich nicht in die Politik einmischen.


Eine historische Wende

Unter dem neuen Erzbischof von San Salvador, José Luis Escobar Alas, deutet sich erneut ein Richtungswechsel an. Regelmäßig stellt sich der 1959 geborene Erzbischof den Fragen der Presse zu Vorgängen in Politik und Kirche. Dabei betonte er auch mehrfach, dass er sich schon einige Male mit dem gewählten Präsidenten Funes abgestimmt habe. Der als gemäßigt konservativ geltende Erzbischof ist nur sieben Monate älter als der designierte Staatschef, der am 1. Juni das Amt von Elías Antonio Saca übernimmt.


Ein historischer Wechsel: Nach Jahrzehnten der Militärdiktaturen, nach einem zwölf Jahre lang dauernden Bürgerkrieg und nach zwanzig Jahren konservativer Regierung durch die Arena-Partei gewann Mauricio Funes die Präsidentschaftswahlen mit 51,3 Prozent der Stimmen.

Die einzige Erfahrung mit einer linken Regierung in El Salvador geht bis in das Jahr 1931 zurück, als Arturo Araujo eine arbeitnehmerfreundliche Politik einführen wollte. Nach nur neun Monaten putschte das Militär und etablierte eine klassische Militärdiktatur. Bei den Wahlen von 1977 votierte zwar die Mehrheit der Menschen für die Linken, doch ein Wahlsieg wurde durch massive Wahlfälschungen verhindert. Dies war einer der Auslöser des blutigen Bürgerkriegs, der nach der Ermordung Erzbischof Romeros ausbrach.


Sozialdemokrat statt Sozialist

Mauricio Funes war von der Frente Farabundo Martí para la Liberación Nacional (FMLN) als Kandidat aufgestellt worden. Die Partei der ehemaligen Guerilla setzte damit auf einen Kandidaten, der nicht aus den eigenen Reihen stammte, sondern bis dahin als im ganzen Land geachteter und anerkannter Journalist und Fernsehmoderator gepunktet hatte. Mauricio Funes achtete darauf, sich während des 18 Monate langen Wahlkampfs (des bisher längsten und teuersten in der Geschichte El Salvadors) nicht als Mitglied der "alten Garde" der FMLN zu präsentieren und gab sich als Sozialdemokrat statt als Sozialist. Anstatt des typischen roten Hemdes der ehemaligen Guerilla-Kämpfer trug er stets Weiß. "Den Wahlkampf zeichnete eine extreme Schmutzkampagne aus, die vor allem von Seiten der regierenden Partei und ihrer Unterstützer geführt wird", klagte José Antonio de Gabriel, Vize-Chef der EU-Beobachtermission. Vorgeworfen wurde Funes vor allem, er lasse sich seinen Wahlkampf von Venezuelas Präsident Hugo Chávez finanzieren und sei nur dessen Marionette in El Salvador.

In Interviews distanzierte sich Mauricio Funes schon im Wahlkampf deutlich vom venezolanischen Präsidenten: "Die Art der Politik von Chávez bekommt El Salvador nicht", sagte der FMLN-Politiker. "Wir können es uns nicht leisten, zu den USA auf Konfrontationskurs zu gehen. Außerdem widerspricht das Übermaß an Macht, das er angehäuft hat, meinen demokratischen Überzeugungen. Ich orientiere mich mehr an der Regierung von Lula da Silva in Brasilien. Ihm ist es gelungen, den Unternehmern die Angst vor den Linken zu nehmen, Wirtschaftswachstum zu schaffen und die Armut zu bekämpfen."


Für den Wahlsieg der FMLN war entscheidend, dass Mauricio Funes für einen Wandel stand. "Yes, we can", stand daher auf vielen Transparenten und Bannern, mit denen die Anhänger der FMLN in der Wahlnacht durch die Hauptstadt zogen: Eine deutliche Anspielung auf den Wechsel in den USA und den neuen US-Präsidenten Barack Obama.

Nach zwanzig Jahren an der Macht hatte sich die Arena-Politik abgenutzt. Das hatte die Partei auch selbst gemerkt und daher im Wahlkampf eine Erneuerung versprochen und einen der partei-internen Kritiker, Arturo Zablah, als Vizepräsidentschaftskandidaten aufgestellt. Doch der Arena-Präsidentschaftskandidat selbst, Rodrigo Ávila, blieb blass. Der zweimalige Polizeichef des Landes scheint zu sehr mit den Unterdrückungsmechanismen im Land verbunden zu sein. Dass er an der FBI-Akademie sein Polizeihandwerk lernte, qualifiziert ihn nicht in einem Land, das traumatische Erinnerungen an Armeeangehörige hat, die in Spezialcamps in den USA ausgebildet wurden, um dann die "Todesschwadronen" in der Zeit der Bürgerkriegs zu befehligen.


Mauricio Funes entstammt einem bürgerlichen, katholischen Elternhaus. Er besuchte eine Jesuitenschule in der Hauptstadt, das Colegio Externado San José. An der "UCA", der "Universidad Centroamericana José Simeón Cañas", studierte er Literaturwissenschaften. Rektor der UCA war damals der Jesuit Ignacio Ellacuría, der - zusammen mit fünf Mitbrüdern und zwei Frauen - 1989 von Soldaten ermordet wurde.


Geprägt durch die Jesuiten

1986 begann er als Journalist für Noticiero Tele 10, eine Sendung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens Canal 10 in El Salvador, zu arbeiten. 1991 gehörte Funes zu den Gründern des "Centro de Audiovisuales de la UCA", des AV-Zentrums der Katholischen Universität. 1992 kehrte er auf den Bildschirm zurück, legte sich mehrfach mit Vertretern der Regierung an (zum Beispiel in der Frage, wie Hilfsgelder nach dem Erdbeben 2001 verwendet worden waren), musste einmal auf Regierungsdruck seinen Posten räumen, erhielt jedoch mit "La Entrevista" ("Das Interview") auf mehreren Kanälen eine Morgensendung, die zum meistgesehenen Programm des Landes wurde. Schon als Journalist interviewte er Brasiliens Präsidenten Lula da Silva. Zeitgleich arbeitete er als Korrespondent des CNN in El Salvador.


Im November 2007 verkündete die FMLN, dass Funes ihr Spitzenkandidat für die Präsidentschaftswahlen sei. Zugeschrieben wird dieses Bündnis dem früheren Guerilla-Führer Gerson Martínez, einst als "Comandante Rolando" Anführer einer der fünf großen Guerilla-Gruppen. Martínez wirkte nach dem Bürgerkrieg einige Jahre als Fraktionschef der FMLN im Parlament, inzwischen knüpft er im Hintergrund die Fäden. Von Mauricio Funes wurde der 55-Jährige inzwischen in sein Beraterteam berufen - ihm werden gute Chancen auf ein Ministeramt zugeschrieben.

Gerson Martínez gelang es, die alten Kader der FMLN zu überzeugen, dass nur ein "unbelasteter" Kandidat, der keine Verbindung zu den Guerilleros von einst hat, Chancen auf einen Wahlsieg habe. Dem einstigen Guerilla-Führer gelang es so, die durchaus nicht einheitliche FMLN hinter Funes zu bringen. Als Vertreter der Hardliner innerhalb der FMLN wurde Salvador Sánchez Cerén als Kandidat für die Vizepräsidentschaft und voraussichtlicher Außenminister aufgestellt.


Ein neuer Friedensvertrag für das Land

Für Funes wird es nicht leicht werden, die FMLN in eine tolerante und auf allen Ebenen demokratische Partei zu wandeln. Zu viele ehemalige Guerilleros und Kommunisten innerhalb der Partei haben andere Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit als der neu gewählte Präsident El Salvadors.

"Ich werde oft gefragt, ob ich ein Linker 'light' sei oder doch eher die fleischfressende Linke vertrete", sagte Funes nach seiner Wahl gegenüber Journalisten in Costa Rica. "Ich würde sagen, dass ich weder das Eine noch das Andere bin. Es geht bei meiner Regierung nicht um links oder rechts, sondern um ein Programm, das El Salvador nach vorne bringt", sagte der gewählte Präsident am Rande des Treffens der mittelamerikanischen Präsidenten mit dem US-Vize Joe Biden am 30. März. In einem Interview hatte er sich als "Linker, der an die Demokratie, die soziale Gerechtigkeit und den Humanismus glaubt", bezeichnet.

Nach seinem Sieg erklärte Funes, einen Friedensvertrag mit der Gesellschaft El Salvadors abschließen zu wollen. Der nach dem Bürgerkrieg 1992 geschlossene Friedensvertrag zwischen Regierung und Guerilla unter der Aufsicht der UNO galt zwar als wegweisend. Die damalige Armee wurde auf 30.000 Mann halbiert, die Militärführung musste zurücktreten. Die Armee sollte nicht mehr mit der Wahrung der "inneren Sicherheit" betraut sein - eine Doktrin, die schon 1993 wieder durch einen Notstandsparagraphen umgangen wurde. Bis heute ist die Armee immer wieder im Inland eingesetzt worden, so zum Schutz der Kaffeeernte.

Die Polizeikräfte, die im Bürgerkrieg ebenfalls Menschenrechtsverletzungen begangen hatten, waren 1992 aufgelöst und durch eine Zivile Polizei (PNC, Policía Nacional Civil) ersetzt worden. Die Jahresberichte der "Tutela Legal", des Menschenrechtsbüros der Erzdiözese San Salvador, listet seit Jahren die Verwicklung von Polizisten der PNC in Aktionen "sozialer Säuberung" auf: Morde an Straßenkindern und Mitgliedern der Jugendbanden ("Maras") sind an der Tagesordnung. Politisch motivierte Gewalttaten, so der Menschenrechtsanwalt David Morales, bis 2007 bei der Tutela Legal der Erzdiözese tätig, seien auch nach dem Bürgerkrieg nie verschwunden.

Der Anwalt verweist als Beispiel auf die Ermordung eines studentischen FMLN-Aktivisten im Juni 2008 und die Ermordung eines FMLN-Bürgermeisters im Landkreis Alegria. "Einiges deutet auf die Verwicklung lokaler Todesschwadronen hin, doch bis heute haben weder die Polizei noch die Staatsanwaltschaft Untersuchungsergebnisse vorgelegt", sagt David Morales, der heute bei der Menschenrechtsorganisation "FESPAD" arbeitet.

Die 1992 von Erzbischof Arturo Rivera y Damas eingerichtete "Tutela Legal" zeigt beispielsweise in ihrem Jahresbericht von 2006, dass Angehörige der Polizei PNC an Verbrechen beteiligt waren, die von "Todesschwadronen" durchgeführt wurden: Ein Drittel aller Morde durch "Todesschwadronen" sei durch Polizeiangehörige verübt worden. Daneben weist der Jahresbericht des Katholischen Menschenrechtsbüros zahlreiche weitere Menschenrechtsverletzungen aus.

Die Vergangenheit lastet noch immer auf der aktuellen Politik. In den zwölf Jahren des von beiden Seiten erbittert geführten Bürgerkriegs kamen mehr als 75.000 Menschen ums Leben, 7.000 Menschen gelten noch immer als vermisst. Dennoch: Mauricio Funes hat bisher keine Verurteilungen für die Verbrechen während der Militärdiktatur angestrebt. Jedoch sprach er sich für Aufklärung und eine Entschädigung der Opfer aus.


Jugendbanden als Sicherheitsrisiko

Gewalt geht aber vor allem auch von den "Maras", den gewalttätigen Jugendbanden, aus. Die Gewalt ist alltäglich: Seit dem Ende des Bürgerkriegs fielen mehr als 50.000 Menschen Gewaltverbrechen zum Opfer. Die Mehrzahl sowohl der Opfer als auch der Täter sind junge Männer; 81 Prozent der Toten waren zwischen 18 und 39 Jahren, und 82 Prozent waren männlichen Geschlechts. Ein Drittel der Gewalttaten wird den "Maras" zugerechnet. Mindestens 10.000 junge Menschen gehören in El Salvador einer dieser rund 300 gewalttätigen Jugendbanden an. Die Maras kontrollieren ganze Stadtviertel, dominieren den Drogenhandel und liefern sich heftige Kämpfe um ihre Territorien.

Um das Problem der Maras in den Griff zu bekommen und die öffentliche Sicherheit wiederherzustellen, startete die Regierung 2003 das "Programm der Starken Hand" (Programa de Mano Dura). Bis März 2004 wurden mehr als 11.000 vermeintliche Bandenmitglieder verhaftet. Seitdem sind die Gefängnisse überfüllt, und die Bandenkriege finden dort ihre Fortsetzung.


Programme zur Resozialisierung ehemaliger Mara-Mitglieder sind selten. Weihbischof Rosa Chávez von San Salvador, hatte bereits in den neunziger Jahren solche Resozialisierungsprojekte gegründet. Doch Präsident Funes sieht die Ursachen in der Armut: "Was bringt einen Jugendlichen dazu, sich einer Bande anzuschließen? Eine Familie, in der so viel Armut und Gewalt herrscht, dass es ihn auf die Straße treibt. In den Maras findet er einen Zufluchtsort und Personen, zu denen er aufsieht und denen er folgt und die er in der eigenen Familie nicht finden konnte", sagte der Präsident in einem Interview.

Die massive Alltagsgewalt prägt das Land: Täglich fallen durchschnittlich zwölf Menschen Gewaltverbrechen zum Opfer - das entspricht den Opferzahlen des Bürgerkriegs.


Die Wirtschaftskrise trifft El Salvador hart

El Salvador ist ein Land mit großen sozialen Ungerechtigkeiten. Rund 40 Prozent der Bevölkerung leben in Armut, haben also weniger als zwei Dollar pro Tag für Verfügung. Fast die Hälfte der Jobs findet sich im informellen Sektor, feste Arbeitsplätze gibt es fast nur für qualifizierte Fachkräfte. Die Migrationsquote ist daher enorm hoch. "Menschen sind unser erfolgreichstes Exportprodukt", erklärte bitter Funes im Wahlkampf.


Die neue Regierung übernimmt die Führung in einer prekären Lage: von August 2008 bis April 2009 brachen die Exporte, vor allem in die USA, um mehr als 21 Prozent ein, die Steuereinnahmen sanken im gleichen Zeitraum um 12,5 Prozent. Fast 60 Prozent aller Exporte gehen in die USA. Betroffen sind vor allem die Lohnfertigungsbetriebe, "Maquiladoras", die Halbwaren und Stoffe aus den USA importieren und dann die fertigen Produkte wieder exportieren - mit nur geringen Steuerabgaben. Da aber auch hier viele Arbeitsplätze wegfielen (die Arbeiter haben nur selten Schutz vor Kündigungen), sank vor allem die Binnennachfrage im Land - und damit die wichtigen Einnahmen aus der Mehrwertsteuer. Dort verzeichnet man einen Rückgang um 25 Prozent.

Noch schwerer aber dürfte wiegen, dass die Auslandsüberweisungen der Arbeitsmigranten zurückgehen. Mehr als 2,9 Millionen Menschen aus El Salvador leben im Ausland, 90 Prozent von ihnen in den USA: Es gibt kaum eine Familie in El Salvador, die nicht finanziell von den Überweisungen der Familienangehörigen in den USA abhängig wäre. Die Zentralbank des Landes hatte die Summe der Auslandsüberweisungen im Jahr 2008 auf 3,79 Milliarden US-Dollar beziffert, das entspricht 17,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Aufgrund der Wirtschaftskrise in den USA befürchtet die Interamerikanische Entwicklungsbank (IADB) Einbrüche bei den Auslandsüberweisungen um etwa 13 Prozent. Im Januar 2009 überwiesen die Migranten aus El Salvador 252,4 Millionen US-Dollar an ihre Familien in der Heimat - das sind 8,4 Prozent weniger als im Januar des Vorjahres.


Mauricio Funes hat angekündigt, die Mehrwertsteuer zu senken, um den Armen mehr Kaufkraft zu geben. "Um soziale Ungleichheit zu bekämpfen, ist eine staatliche Sozialpolitik absolut vonnöten. Dies beinhaltet, das Bruttoinlandsprodukt deutlich mehr für öffentliche Ausgaben zu verwenden; insbesondere für Bildung und Gesundheit." Wichtig werde es sein, Steuergerechtigkeit herzustellen - zu viel Kapital wird hinterzogen und ins Ausland geschafft.

Eine Reichensteuer soll helfen, primär den unter Armut und Ausgrenzung leidenden Teil der Bevölkerung zu begünstigen. "Ich will eine dynamische, effiziente und wettbewerbsfähige Wirtschaft aufbauen", stellte Funes klar. "Ich will weder den Sozialismus einführen noch das Wirtschaftssystem ändern, sondern das aktuelle System stärken und dem Staat eine stärker regulierende Rolle zugestehen. Der Neoliberalismus ist gescheitert."


Die katholische Kirche bleibt weiterhin zurückhaltend

Die Bischofskonferenz von El Salvador hatte bereits im Januar 2009 einen Hirtenbrief veröffentlicht, in dem sie die Bürger des Landes zur Teilnahme an der Wahl aufrief, ohne eine direkte Wahlempfehlung zu geben. Sie verwiesen aber darauf, dass der Kampf gegen die Armut wichtig sei - was von manchen Kommentatoren der überwiegend von der Arena-Partei kontrollierten Medien als Parteinahme für Funes gedeutet wurde.

Nach den Wahlen fiel der Glückwunsch der Bischöfe vergleichsweise knapp aus. Der Erzbischof von San Salvador gratulierte zuerst den Abgeordneten für ihr Votum für das neue Familiengesetz, das in großen Teilen Forderungen der Bischofskonferenz nachkam (und die Heirat homosexueller Paare verbot), um erst im zweiten Absatz seines Schreibens dem gewählten Präsidenten seine Glückwünsche auszusprechen.

In einer seiner regelmäßigen Pressekonferenzen bat Erzbischof José Luis Escobar Alas den neu gewählten Präsidenten, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden. Er forderte Funes auf, in seine Regierung die am besten qualifizierten Fachleute aufzunehmen.


*


Christian Frevel (geb. 1960) leitet die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit und Bildung bei der Bischöflichen Aktion Adveniat. Zuvor war er Redakteur und Öffentlichkeitsreferent bei verschiedenen Zeitungen, Zeitschriften und Institutionen, von 1999-2002 stellvertretender Chefredakteur des Missionsmagazins "kontinente" in Köln.


*


Quelle:
Herder Korrespondenz - Monatshefte für Gesellschaft und Religion,
63. Jahrgang, Heft 6, Juni 2009, S. 290-294
Anschrift der Redaktion:
Hermann-Herder-Straße 4, 79104 Freiburg i.Br.
Telefon: 0761/27 17-388
Telefax: 0761/27 17-488
E-Mail: herderkorrespondenz@herder.de
www.herder-korrespondenz.de

Die "Herder Korrespondenz" erscheint monatlich.
Heftpreis im Abonnement 10,40 Euro.
Das Einzelheft kostet 12,00 Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. August 2009