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LATEINAMERIKA/1150: Zentralamerika im Griff der Mara-Jugendbanden - Staaten machtlos (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. September 2010

Zentralamerika: Im Griff der Mara-Jugendbanden - Staaten machtlos

Von Danilo Valladares


Guatemala-Stadt, 22. September (IPS) - Ob El Salvador, Honduras oder Guatemala: Die Gewalt der zentralamerikanischen Jugendbanden, der sogenannten 'Maras', nimmt Besorgnis erregend zu - gleichzeitig wächst die Macht der jungen Kriminellen. Die Regierungen wirken eher hilflos und versuchen, der Probleme mit neuen Gesetzen Herr zu werden.

In der 1,5-Millionen-Einwohner-Stadt San Salvador hielten in diesem Monat die unter einander heftig verfeindeten 'Mara Salvatrucha' (MS-13) und 'Mara 18' (M-18) die Menschen mit Todesdrohungen gegen die städtischen Transportunternehmen in Atem. Die Folge waren ein Todesfall und 80 Verhaftungen. Die Drohungen gehörten zu den Aktionen, mit denen die beiden Banden vergeblich gegen ein neues Gesetz protestierten, das jede Mara-Mitgliedschaft mit bis zu zehn Jahre Gefängnis ahndet.

Nach Ansicht von Jeannette Aguilar von der Zentralamerikanischen Koalition zur Prävention von Jugendkriminalität bekämpft das neue Gesetz der linken Regierung von Staatspräsident Mauricio Funes nur die Symptome. Es werde sich als unwirksam erweisen, da es das komplexe Problem nicht von der Wurzel her angehe, warnte sie.

Die Maras sind in den 80er Jahre in den Armenvierteln großer US-Städte wie Los Angeles und New York entstanden. Ihre Mitglieder sind ehemalige Bürgerkriegsflüchtlinge aus Nicaragua, El Salvador und Guatemala, die später von den US-Behörden in ihre Heimatländer abgeschoben wurden, wo sie sich schnell größten Zulaufs erfreuten. In den vergangenen Jahren hat sich das Rekrutierungsschema der Gangs jedoch grundlegend verändert. Inzwischen sind es nicht mehr nur Kinder und Heranwachsende, die sich hier zusammenfinden.

Aguilar beklagt, dass das neue Gesetz keinen Unterschied zwischen einem 40-jährigen und einem zehnjährigen Bandenmitglied macht. Das Alter müsse aber unbedingt berücksichtigt werden. Bei einem Kind, das gerade erst auf die schiefe Bahn geraten sein, bestünden schließlich größere Chancen, es wieder in die Gesellschaft zurück zu integrieren.

In der honduranischen Stadt San Pedro Sula kostete am 7. September der bewaffnete Überfall einer Bande auf ein Schuhgeschäft 17 Menschenleben. Nach Angaben der Behörden war der Auslöser des Massakers ein Streit um 'Herrschaftsgebiete' zwischen den Mara-Banden MS und M-18.


Höchste Mordrate der Welt

El Salvador, Honduras und Guatemala, die drei nördlichen Staaten Zentralamerikas, weisen einem Bericht der UN-Drogenbehörde UNODC zufolge die höchste Mordrate der Welt auf. Diese übertrifft noch deutlich jene Mexikos, das sich in einem sehr verlustreichen Drogenkrieg befindet. Während in Mexiko im Zeitraum von 2003 bis 2008 nach Angaben der UNODC-Studie zwölf Tote auf 100.000 Einwohner kamen, lag die Rate in Honduras bei 61 pro 100.000, in El Salvador bei 52 pro 100.000 und in Guatemala bei 49 pro 100.000.

Genau wie El Salvador hat auch das honduranische Parlament - bereits 2003 - ein Gesetz gegen die Banden verabschiedet. Der Gewalt konnte allerdings nicht Einhalt geboten werden. Der in Honduras wirkende Jesuiten-Pater Ismael Moreno kritisiert, das Gesetz stigmatisiere vorab jeden Jugendlichen oder jede tätowierte oder nachlässig gekleidete Person. Die Mara ihrerseits hätten sich der neuen Situation angepasst und seien von der Gelegenheitskriminalität auf das organisierte Verbrechen umgestiegen.

Ganze Viertel von San Pedro Sula und der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa werden inzwischen von den Banden kontrolliert. Es wird offen mit Drogen gehandelt, und die Polizei greift nicht ein. Bereits 1998 war die Zahl der Bandenangehörigen in Honduras auf 60.000 geschätzt worden.


Öffentliche Transportmittel lebensgefährlich

In Guatemala wiederum werden nahezu täglich Fahrer von öffentlichen Transportmitteln angegriffen. Bis Juli dieses Jahres waren schon 57 Fahrer, 30 Hilfskräfte und 36 Passagiere ermordet worden. Die Zahl der jugendlichen Bandenmitglieder wird für Guatemala auf etwa 20.000 geschätzt, viele von ihnen kommen aus zerbrochenen Familien.

Guatemalas sozialdemokratischer Präsident Àlvaro Colom will zusammen mit El Salvador und Honduras eine gemeinsame Front im Kampf gegen das organisierte Verbrechen bilden. Kritiker allerdings fordern statt einer Verschärfung strafrechtlicher Maßnahmen, dass den Jugendlichen berufliche Perspektiven geboten würden, da ein Abgleiten in die Kriminalität ansonsten fast zwangsläufig sei. (Ende/IPS/bs/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. September 2010