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LATEINAMERIKA/1294: Honduras - Flugverbotszone über Hälfte des Landes, Kritik an Militärpräsenz (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. August 2011

Honduras: Flugverbotszone über Hälfte des Landes - Kritik an Militärpräsenz in strittigen Gebieten

Von Thelma Mejía


Tegucigalpa, 22. August (IPS) - In Honduras will die Regierung eine Flugverbotszone über die Hälfte des Landes einrichten, um die Ankunft von Drogenflugzeugen zu unterbinden. So ist ein Gesetz geplant, das den Luftverkehr unterhalb 3.660 Metern Höhe in der Zeit von sechs Uhr morgens bis sechs Uhr abends verbietet. Etliche Abgeordnete haben dem Gesetz bereits ihre Unterstützung zugesagt und die Sicherheitskräfte mit dem Aufbau von Radaranlagen zur Überwachung der Gebiete begonnen.

Honduras besteht aus 18 Departements und erstreckt sich über eine Fläche von 112.492 Quadratkilometern. Die Flugverbotszone soll künftig für die vier Departements Colón, Yoro, Gracias a Dios und Olancho gelten, die ein 57.000 Quadratkilometer großes Gebiet umfassen.

Damit macht die Regierung Front gegen die wachsende Gewalt und Unsicherheit im Departement Colón, gegen den ständigen Abtransport von Drogen aus Yoro und die zunehmenden Zusammenstöße zwischen den Sicherheitskräften und bewaffneten Drogenbanden in Olancho und Gracias a Dios in der Region Mosquitia, die bis nach Nicaragua hineinreicht.


Massaker und Morde

In den vier ausgewählten Departements sowie in Copán, Ocotepeque und Santa Bárbara im Westen ist das sogenannte 'Atlantikkartell' aktiv, das für das allgemeine Klima der Unsicherheit und Gewalt vor Ort verantwortlich gemacht wird.

Ungeklärt sind die Morde an vier privaten Sicherheitsleuten und zwei Bauern am 14. August in Bajo Aguán, einer von Großgrundbesitzern widerrechtlich okkupierten Zone, die von Kleinbauern beansprucht wird. Am Tag darauf wurden fünf Mitarbeiter einer Getränkeabfüllfirma in der Nähe einer Palmölplantage umgebracht. Nach Angaben der Behörden wurden sie möglicherweise 'aus Versehen' getötet.

Die Vorfälle ereigneten sich auf Ländereien des vermögenden Unternehmers Miguel Facussé, der vor drei Monaten - nach 16 Monaten währenden und zähen Verhandlungen mit der Regierung - dem Verkauf von 4.000 Hektar Land zugestimmt hatte, das mehreren Bauernverbänden zufallen soll. Die Zustimmung erfolgte unmittelbar nach einem Massaker an zwei Dutzend Bauern. Doch der Tod der Wachleute veranlasste Facussé zu der Ankündigung, den Vertrag mit der Regierung "auszusetzen".

Der Unternehmer ist seit vielen Jahren eine der einflussreichsten Persönlichkeiten des zentralamerikanischen Landes. Er besitzt in der Atlantikregion im Osten des Landes 20.000 Hektar große Ölpalmplantagen. Die gegen ihn eingereichten gerichtlichen Klagen wegen illegaler Landnahme kommen bisher nicht voran.

Dem Großgrundbesitzer zufolge stecken die Kleinbauern hinter den Mordanschlägen - eine Version, die jedoch von den Sicherheitskräften und dem Nationalen Agrarinstitut bestritten wird. "Wir bringen die Verbrechen mit den bewaffneten Drogenbanden in Verbindung", meinte dazu Polizeichef José Luís Muñoz am 17. August vor der Presse.

Die Behörden haben derweil 1.000 Polizisten und Militärs nach Colón und Bajo Aguán entsandt, die dort für Ruhe und Ordnung sorgen sollen. "Doch ihre Anwesenheit ist keine Sicherheitsgarantie", meinte dazu Yoni Rivas, Chef der Vereinigten Bauernbewegung von Aguán (Muca). "Was wir brauchen, ist ein neues Agrarreformgesetz, das uns den Zugang zu Land ermöglicht." El Muca gehört zu den Vereinigungen, die von dem Abkommen zwischen Regierung und Facussé profitieren.

Doch nicht nur in Colón herrscht ein Klima der Unsicherheit. In Yoro wurde bei einem US-honduranischen Anti-Drogen-Einsatz am 15. August eine halbe Tonne Kokain sichergestellt. Zuvor hatten honduranische Fahnder mit Unterstützung der US-Küstenwache 6,7 Tonnen Drogen in einem U-Boot gefunden.


Staatlicher Kontrollverlust

Nach Ansicht des honduranischen Luftwaffenchefs Luís Pastor Landa gilt es die von der Drogenmafia eroberten Gebiete zurückzuerobern. Die geplante Flugsverbotzone sei Teil der nationalen Anti-Drogen-Strategie.

Im vergangenen Jahr sind 96 Drogenflugzeuge auf honduranischem Boden gelandet. In der Mehrzahl wurden sie von den Mafiosi später selbst in Brand gesetzt. In Mosquitia hatte man bereits vor zwei Jahren im Urwald einen Flugzeugfriedhof entdeckt.

Dem Sicherheitsexperten Alfredo Landaverde zufolge sind die Gebiete, die als Überflugszonen gesperrt werden sollen, zu wichtigen Umschlagplätzen des südamerikanischen Drogenhandels geworden. Darüber hinaus gebe es Landesteile, über die der Staat seine Kontrolle längst verloren habe.

In Honduras lieferten sich mexikanische und kolumbianische Kartelle mit besten Verbindungen zu Wirtschaft und Politik einen heftigen Kampf um die Vorherrschaft, meint ein Drogenfahnder, der sich Anonymität ausbat.

In dem zentralamerikanischen Land wurden im letzten Jahr 8.944 Menschen getötet, die meisten von bezahlten Killern. Die Mordrate in Honduras liegt bei durchschnittlich 77,5 pro 100.000 Einwohner. Jeden Tag sterben im Durchschnitt 17 Menschen eines gewaltsamen Todes. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. August 2011