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LATEINAMERIKA/1335: El Salvador - Ex-Rebellen im Hungerstreik, höhere Pensionen gefordert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. Februar 2012

El Salvador: Ex-Rebellen im Hungerstreik - Höhere Pensionen gefordert

von Edgardo Ayala


San Salvador, 21. Februar (IPS) - In El Salvador halten rund 20 ehemalige Guerillakämpfer seit dem 10. Januar die Kathedrale von San Salvador besetzt. Um ihren Forderungen nach höheren Renten, einer umfassenden Gesundheitsversorgung und anderen Sozialleistungen für sich und ihre Familien Nachdruck zu verleihen, sind einige von ihnen in den Hungerstreik getreten.

"Wir bleiben hier, bis unsere Forderungen erfüllt werden", versichert Carlos Hernández am Grab des 1980 ermordeten Erzbischofs Carlos Arnulfo Romero. Er und seine früheren Kameraden, die im Bürgerkrieg von 1980 bis 1992 gegen die salvadorianische Armee gekämpft hatten, setzen sich auch dafür ein, dass die Eltern gefallener Kämpfer Bezüge aus dem staatlichen Kriegsversehrtenfonds erhalten. Außerdem sollen die staatlichen Institutionen entlassene Gewerkschaftsmitglieder einstellen.

Seit dem Friedensschluss 1992 haben ehemalige Soldaten und Rebellen der Nationalen Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN) bereits mehrfach an die Regierung appelliert, ihnen bei der Verbesserung ihrer Lebensbedingungen zu helfen. Einer offiziellen Erhebung aus dem letzten Monat zufolge leben 87 Prozent der insgesamt 25.000 ehemaligen FMLN-Kämpfer in Armut. Die Analphabetenrate beträgt 36 Prozent.

Eine ähnliche Untersuchung zu der Situation früherer Armeeangehöriger steht noch aus. Anfang Januar hatten sich Heeresveteranen mit Regierungsvertretern getroffen, um ihre Forderungen vorzubringen. Mit den Ex-Guerilleros werden solche Verhandlungen seit Mai 2010 geführt. Der zwölfjährige bewaffnete Konflikt hatte etwa 70.000 Menschen das Leben gekostet, weitere 8.000 verschwanden.

Auch die ehemaligen Armeesoldaten fordern höhere Renten und die Aufnahme in staatliche Hilfsprogramme etwa zur Förderung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft.

Staatspräsident Mauricio Funes hatte bei den Feiern zum 20. Jahrestag des Friedensabkommens am 16. Januar angekündigt, die Ex-Rebellen mit insgesamt 25 Millionen US-Dollar zu unterstützen. 3.400 Vätern und Müttern gefallener Kämpfer stellte er Mittel aus dem Rentenfonds für Kriegsversehrte in Höhe von monatlich 100 bis 233 Dollar in Aussicht. Bisher hatten sie nur eine einmalige Entschädigungszahlung erhalten. Auch sollen ehemalige Rebellen, die über 70 Jahre alt sind, eine Monatsrente von 50 Dollar erhalten.


Regierungsangebot unzureichend

"Wer kommt mit 50 Dollar aus? Dieses Angebot ist ein Witz, auch weil es sich ausschließlich an die über 70-Jährigen richtet", kritisierte Luis Ortega, einer der Kirchenbesetzer, das Angebot des Präsidenten und ehemaligen Guerillaführers. Die grundlegenden Lebenshaltungskosten werden in dem Land mit 6,7 Millionen Einwohnern mit 180 Dollar beziffert. Funes kam 2009 am die Macht. Er ist Mitglied der FMLN, die nach dem Bürgerkrieg in eine reguläre Partei umgewandelt worden war.

Die Friedensverträge schreiben vor, dem demobilisierten Kämpfern Zugang zu einem Stück Land zu verschaffen. Landwirtschaft und Viehzucht stecken in El Salvador jedoch wie andere Wirtschaftsbereiche auch tief in der Krise. Einige Ex-Kombattanten erhielten Stipendien und ließen sich unter anderem zu Computerfachleuten ausbilden. Doch nach zwei Jahrzehnten konnten aufgrund der hohen Konkurrenz durch die Hochschulabsolventen nur wenige von ihnen in dem Bereich Fuß fassen.

Etwa 36.000 Kriegsversehrten war zudem die Auszahlung von Rentenbezügen in Höhe von insgesamt 40 Millionen Dollar zugesagt worden. Doch die Zuwendungen lassen seit 1993 auf sich warten. Nach Ansicht von Olga Serrano, Exekutivdirektorin der Vereinigung der Kriegsversehrten in El Salvador (ALGES), ist 20 Jahre nach dem Friedensschluss die Integration der Kriegsveteranen noch nicht gelungen. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:
http://alges.org.sv/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=100148
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=106769

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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Februar 2012