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LATEINAMERIKA/1348: Brasilien - Landrechte für Kleinbauern und Quilombos im Bundesstaat Piauí (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. April 2012

Brasilien: Landrechte für Kleinbauern und Quilombos im Bundesstaat Piauí

von Fabiana Frayssinet



Rio de Janeiro, 19. April (IPS) - Piauí im Nordosten Brasiliens ist ein ressourcenreicher Bundesstaat. Und doch sind die sozioökonomischen Werte nirgendwo schlechter im Lande als hier. Eine Regulierung der Landbesitzverhältnisse der kleinen und mittelgroßen Bauern soll nun die Wende bringen.

Die von der Weltbank unterstützte Initiative will 225.000 Farmer und 40‍ ‍Quilombos zu Landbesitzrechten verhelfen. Quilombos sind ehemalige Rückzugsgebiete geflohener afrikanischer Sklaven, deren Nachfahren bis heute dort leben.

Das einjährige, bis März 2013 laufende 'Projekt für Inklusion und grünes Wachstum' wird mit einem Kredit in Höhe von 350 Millionen US-Dollar finanziert, rückzahlbar innerhalb von 18 Jahren zu einem Zinssatz von fünf Prozent. Es ist Teil des bundesstaatlichen Programms zur Vermessung von Ländereien und landwirtschaftlicher Regulierung und zielt auf die Legalisierung des Besitzes bäuerlicher Familienbetriebe.

Wie der für die Initiative zuständige Weltbankvertreter Garo Batmanian erläuterte, haben Bauern generell erst dann Zugang zu zinsgünstigen Krediten und nationalen Programmen, wenn sie für ihr Land einen Besitztitel vorlegen können. Allein die Legalisierung der Besitzverhältnisse werde ihnen zu mehr Wachstum verhelfen und den Weg aus der Armut weisen.


Bundesstaat mit hohem Agrarproduktionspotenzial

Der drei Millionen Einwohner zählende Bundesstaat erstreckt sich über eine Gesamtfläche von 252.378 Quadratkilometer. 25 Millionen Hektar sind reich an natürlichen Ressourcen, davon sechs Millionen Hektar für die Landwirtschaft geradezu prädestiniert. Dennoch erwirtschaftet Piauí gerade einmal 0,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und 1,1 Prozent des Agrar-BIPs. Darüber hinaus ist es der brasilianische Bundesstaat mit der zweithöchsten Analphabetenrate.

"Die Regulierung der Landwirtschaft ist entscheidend für die Entwicklung von Piauí", betonte Evandro Cardoso vom Nationalen Institut für Siedlungswesen und Agrarreform in einem auf der Internetseite des Ministeriums für landwirtschaftliche Entwicklung veröffentlichten Beitrag.

"Der Bundesstaat verfügt einerseits über viele staatliche Grundstücke, die häufig an große Unternehmen wie den Zelluloseproduzenten 'Suzano' verpachtet werden. Andererseits gibt es dort immens viele Kleinbauern, die entweder kein Land oder nur bis zu zehn Hektar große Parzellen besitzen", sagte Afonso Galvão von der Bewegung der Kleinbauern von Piauí (MPA).

Der Weltbank zufolge sind nur 54 Prozent der Farmer von Piauí anerkannte Landbesitzer. Alle übrigen werden nebulös als 'Landbesetzer', 'Landbesetzer mit undefinierten Besitzverhältnissen' oder 'Produzenten' bezeichnet, die zwar einen Beitrag zur ländlichen Entwicklung des Bundesstaates leisten, aber weder über die finanziellen Mittel noch über Rechte verfügen. Ähnlich ist die Lage für die Bewohner der traditionellen Quilombos.

Sobald die 225.000 Bauern und 40 Quilombos, die für das Projekt ausgewählt wurden, als Landbesitzer offiziell anerkannt sind, wird sich ihre Situation in vielerlei Hinsicht verbessern. Sie haben dann unter anderem die Möglichkeit, ihre Erzeugnisse wie Honig, Cashewnüsse und Acerolakirschen an den Staat zu verkaufen, der sie für Schulspeisungs- und andere Programme verwendet. Zudem haben sie dann Anspruch auf Fortbildungsmaßnahmen etwa im Bereich der nachhaltigen Landwirtschaft.


Skepsis vorhanden

Die Initiative für Piauí zielt auf ein grünes Wachstum durch eine regulierte nachhaltige Landwirtschaft und eine soziale Inklusion junger Leute auf dem Arbeitsmarkt mit Hilfe von Maßnahmen zur Weiterbildung und Integration. Doch Bauernführer Galvão ist skeptisch. Regierungen redeten viel und gern über Entwicklung, meinten damit aber meist eine Politik, die weniger den kleinen Landwirten als den großen Unternehmen zugutekäme, die mit ihren Eukalyptus-Monokulturen, dem ganzjährigen Einsatz von Agrarchemikalien und dem Anbau von Gensaaten sicherlich nicht ökologisch nachhaltig produzierten.

Außerdem monierte Galvão, dass das BIP in Piauí in den letzten Jahren zwar gestiegen sei, sich jedoch nicht positiv auf die Einkünfte der Kleinbauern ausgewirkt habe. Obwohl der Bundesstaat mit seinem BIP im nationalen Vergleich weit zurückliegt, erzielte er 2008 einen Zuwachs von 8,8 Prozent. Damit lag er 3,6 Prozentpunkte über dem landesweiten Durchschnittswachstumswert. (Ende/IPS/kb/2012)

Links:
http://www.incra.gov.br/
http://web.worldbank.org/external/projects/main?pagePK=64283627&piPK=73230&theSitePK=3817167&menuPK=3817206&Projectid=P126449
http://www.suzano.com.br/portal/grupo-suzano.htm
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=100571

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 19. April 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. April 2012