Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

LATEINAMERIKA/1379: Erfolge für Kommunistische Parteien in Venezuela, Brasilien und Chile (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 45 vom 9. November 2012
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Erfolge für Kommunistische Parteien in Venezuela, Brasilien und Chile
Geringe Zustimmung zu Amerikas Parteiensystemen

von Günter Pohl



Neben den Präsidentschaftswahlen in Venezuela haben in den letzten Wochen noch andere Wahlen auf dem Subkontinent stattgefunden, die den Kommunistischen Parteien Erfolge brachten.

Dabei war das Ergebnis der KP Venezuelas bemerkenswert. Die Partei hat seit Beginn des bolivarianischen Prozesses 1999 ihre Ergebnisse kontinuierlich von einem halben auf über drei Prozent angehoben. Damit ist die PCV im Bündnis "Großer Patriotischer Pol" hinter der PSUV, der Präsident Hugo Chávez vorsteht, mittlerweile zweitstärkste Kraft. Für die Regionalwahlen am 16. Dezember hat sie 23 Kandidaturen angemeldet. Neunzehn davon in Übereinstimmung mit der PSUV, vier in Konkurrenz. In diesen Bundesstaaten sieht die Partei mit radikaleren Kräften bessere Bedingungen den Prozess voranzutreiben.

Ebenfalls am 7. Oktober brachten die Kommunalwahlen in Brasilien Erfolge sowohl für die regierende PT als auch für die Kommunistische Partei Brasiliens (PCdoB), die Teil der Regierung der Arbeiterpartei unter Präsidentin Dilma Rousseff ist. Während die PT mit 17,2 Millionen die meisten Stimmen in den 5 567 brasilianischen Städten bekam (16,8 %) und sich von 558 auf 636 Bürgermeisterämter steigerte, verbesserte sich die PCdoB auf 56 Bürgermeisterämter, was einen Zuwachs von 25 Prozent bedeutete.

Bei kommunalen Abgeordneten war die Steigerung mit 50 Prozent auf über 900 noch stärker ausgefallen. Die PCdoB führte in einer Erklärung den Wahlerfolg auf drei Faktoren zurück: die Programmatik für modernere und menschlichere Städte; die Mitgliedschaft, die es geschafft habe bei Sympathisantengruppen zu mobilisieren; die Kandidat/inn/en, die ihr Prestige noch ausbauen konnten. Die nicht an der Regierung beteiligte Brasilianische Kommunistische Partei (PCB) trat in einigen Orten im Bündnis mit der PSOL und der PSTU an und erreichte fünf Mandate, darunter in einer Bundesstaatshauptstadt. Nicht zuletzt war auch die Kommunalwahl in Chile ein großer Erfolg für die Kommunistische Partei: die PCCh besetzt nun sechs Bürgermeisterämter (2008: vier), je zwei im Großraum Santiago und Coquimbo und je eines in Valparaíso und Atacama. Das Bündnis "Für ein gerechtes Chile", dem außer der PCCh auch die Radikale Partei, die Partei für die Demokratie und die Bürgerliche Linke angehörten, schaffte bei 13,7 Prozent insgesamt 62 Siege. Die langjährige Regierungskoalition Concertación, die bei diesen Wahlen nur noch aus Sozialisten und Christdemokraten bestand, kam nur noch auf 29,4 Prozent (106 Bürgermeister). Die regierende Rechte sank auf 37,5 Prozent bei 121 gewonnenen Kommunen. Die Gruppe "Wechsel für Dich" um den unabhängigen "Shooting-Star" der letzten Präsidentschaftswahlen, Marco Enríquez-Ominami erreichte nur 2,7 Prozent.

Ähnlich sieht es bei den kommunalen Abgeordneten aus, wo das Bündnis "Für ein gerechtes Chile" über fünfhundert Abgeordnete holte.

Das herausragende Ereignis in Chile war die dünne Wahlbeteiligung von 40,9 Prozent. Erstmals waren die Wahlen freiwillig; andererseits war aber auch jeder Volljährige automatisch zu den Wahlen eingeschrieben, wohingegen man sich früher erst einschreiben musste. Daher war eher mit einer steigenden Wahlbeteiligung gerechnet worden, die trotz Wahlpflicht schon 2008 nur bei 58 Prozent und 2004 bei 62 Prozent gelegen hatte. Insgesamt waren nun mehr als fünf Millionen Menschen mehr wahlberechtigt gewesen als zuvor.

Dass die KPen nun nach dem Ende des zehnjährigen Linkstrends, der in mehreren Ländern rechten Parteien zu Zugewinnen verholfen hat, etwas zulegen können, hat mit einer gewissen Enttäuschung über die Begrenztheit der Visionen der progressiven Kräfte zu tun, wenn diese die Regierung stellen. Wie wenig die Tatsache, welche Kräfte regieren, mit der Bereitschaft in "die Demokratie" zu vertrauen, korreliert, lässt sich aus einer Untersuchung in 26 Staaten Amerikas nachvollziehen.

Statistische Daten dazu hat das "Barometer Amerikas" zusammengetragen, das von der Universität Vanderbilt (USA) geführt und von weiteren Universitäten aus den Ländern unterstützt wird. Demnach ist die Sympathie für politische Parteien mit 63,4 Prozent am höchsten in der Dominikanischen Republik, vor den USA (61,1 %). Es folgen Nicaragua (54,8 %), Uruguay, Belize und Venezuela, wo es noch knapp 47 Prozent sind. Brasilien liegt mit 30,4 Prozent im unteren Mittelfeld, während Kolumbien (25,5 %) und Ecuador (22,0 %) kaum ein Viertel der Wählerschaft für die politischen Parteien begeistern können. Peru, Bolivien, Chile und Guatemala liegen mit zwischen 16,4 und 12,9 Prozent ganz hinten. Die Zufriedenheit mit der "Demokratie" ist mit gut 61 Prozent am höchsten in Uruguay und dahinter bei 58 Prozent in Costa Rica und Argentinien. Brasilien, Ecuador, Nicaragua und Venezuela haben 55 Prozent; Kolumbien weist 51 Prozent auf. Haiti ist Schlusslicht mit knapp 45 Prozent, nur knapp übertroffen von Guyana, Trinidad und Tobago sowie den USA (47,5 %). Demnach können über Zusammenhänge zwischen der Zufriedenheit mit dem politischen System und der Zustimmung zu den in ihm agierenden Parteien kaum verallgemeinerbare Aussagen gemacht werden.

Schon deutlich mehr korrespondieren hingegen "Demokratie" und "Kirche": die geringsten Kirchenbesuche verzeichnen mit Uruguay (16,8 %) und Argentinien (28,0 %) die Länder, deren Bevölkerung am stärksten auf das System vertraut. 72,6 Prozent Kirchenbesuche in Guatemala sowie 70,9 Prozent in Haiti zeugen umgekehrt davon, dass das Misstrauen in die politische Klasse den Weg in den Irrealismus begünstigen kann.

Eingeschrieben zu Wahlen sind neben Chile (siehe oben; zuvor hatte Chile mit nur 72,2 Prozent den niedrigsten Wert in den untersuchten Staaten) über 95 Prozent der Menschen nur in Peru, Panama, El Salvador, Venezuela, Argentinien, Ecuador, Brasilien und Uruguay. Die wenigsten sind es in Paraguay (83,5 %) und Kolumbien (80,7 %).

*

Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 44. Jahrgang, Nr. 45 vom 9. November 2012, Seite 7
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
Anschrift von Verlag und Redaktion:
Hoffnungstraße 18, 45127 Essen
Telefon 0201 / 22 54 47
E-Mail: redaktion@unsere-zeit.de
Internet: www.unsere-zeit.de
 
Die UZ erscheint wöchentlich.
Einzelausgabe: 2,80 Euro
Jahresbezugspreise:
Inland: 126,- Euro, Ausland: 130,-
Ermäßigtes Abo: 72,- Euro
Förder-Abonnement: ab 150 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. November 2012