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LATEINAMERIKA/1429: Chile - Michelle Bachelet und Evelyn Matthei konkurrieren um Präsidentenamt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. August 2013

Chile: Folteropfer gegen Pinochet-Anhängerin - Michelle Bachelet und Evelyn Matthei konkurrieren um Präsidentenamt

von Marianela Jarroud


Bild: © Marianela Jarroud/IPD

Die chilenische Präsidentschaftskandidatin Michelle Bachelet
Bild: © Marianela Jarroud/IPD

Santiago, 20. August (IPS) - In Chile wird der Kampf um die Präsidentschaft von zwei Frauen ausgetragen: von der sozialistischen Ex-Präsidentin Michelle Bachelet und ihrer ultrarechten Rivalin Evelyn Matthei. Das ist ein Novum in der Geschichte Chiles und auch Lateinamerikas.

Beide Kandidatinnen sind ganz ohne Frauenquote ausgekommen. Bachelet hatte in ihrer Zeit als Staatschefin von 2006 bis 2010 zwar versucht, ein Quotengesetz durchzubringen, um Frauen den Zugang zur Präsidentschaft zu erleichtern. Doch scheiterte sie am Widerstand aus anderen Parteien.

Maricel Sauterel von der Frauenorganisation 'Comunidad Mujeres' begrüßte die Präsidentschaftskandidatur der beiden Frauen als Fortschritt auf dem langen Weg zur Geschlechtergerechtigkeit. "Noch vor 20 Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass überhaupt eine Frau bei solchen Wahlen antritt."

Bachelet, eine 61-jährige Kinderärztin, die bis März an der Spitze von 'UN Women' stand, tritt für das Bündnis 'Neue Mehrheit' an, dem Parteien aus dem Mitte-Links-Spektrum angehören. Bei den Vorwahlen am 30. Juni setzte sie sich mit 73 Prozent an die Spitze. Die Präsidentschaftswahlen finden am 17. November statt.

Matthei, eine 59-jährige Ökonomin und Mitglied der Unabhängigen Demokratischen Union (UDI), war bis Juli Arbeitsministerin im Kabinett von Präsident Sebastián Piñera.


Frauenwahlrecht seit 1949

Frauen durften in Chile zum ersten Mal 1952 ihre Stimme abgeben, drei Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts. Es sollte 50 Jahre dauern, bis es eine Frau an die Spitze des Staates schaffte.

Frauen stellen mehr als die Hälfte der 17,5 Millionen Chilenen, außerdem 53 Prozent der Wahlberechtigten und 43 Prozent aller Erwerbstätigen. In der Abgeordnetenkammer des Landes entfallen aber nur 12,7 Prozent der Mandate auf Frauen und im Senat sogar nur fünf Prozent.

Daten der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) belegen, dass Frauen in Chile in der Legislative nur zu 14,2 Prozent vertreten sind, während der regionale Durchschnitt bei 22,4 Prozent liegt.

Im Wettstreit um die Macht stehen sich zwei Frauen gegenüber, die unterschiedlicher nicht sein können. Beide kennen sich seit ihrer Kindheit, als ihre Väter, die Generäle bei der Luftwaffe waren, bis zum Beginn der Diktatur von Augusto Pinochet eine enge Freundschaft pflegten. Der blutige Putsch, bei dem am 11. September 1973 der sozialistische Präsident Salvador Allende gestürzt wurde, machte die beiden Familien zu Feinden.

General Fernando Matthei rückte in Pinochets Militärjunta auf. Alberto Bachelet, der während der Allende-Regierung bei der Verteilung von Lebensmitteln mitarbeitete, wurde von seinen Waffenbrüdern festgenommen und des "Vaterlandsverrats" beschuldigt. Er starb in der Gefangenschaft, nachdem er brutal gefoltert worden war.

Michelle Bachelet hat darüber berichtet, wie sie als Studentin am Putschtag vom Dach der medizinischen Universität die Flugzeuge der Luftwaffe beobachtete, die den Präsidentenpalast bombardierten, in dem Allende zu Tode kam.


Zwei Leben

Evelyn Matthei nahm in der Zeit Klavierstunden in Großbritannien und arbeitete in den folgenden Jahren als Übersetzerin in der chilenischen Botschaft in London. Bachelet half in Chile politisch Verfolgten und wurde deshalb 1975 festgenommen. Zusammen mit ihrer Mutter Angela Jería kam sie in ein illegales Gefangenenlager, wo sie gefoltert wurde.

"Es geht hier nicht einfach nur um zwei Frauen, die für das Präsidentenamt kandidieren", meinte Bachelet am 13. August. "Auf der einen Seite gibt es den Plan, das fortzusetzen, für das die amtierende Regierung steht. Auf der anderen Seite haben wir ein Projekt, für das ich eintrete, das einen Strukturwandel erreichen will, um entschieden gegen die Ungleichheit vorzugehen."

Bachelet habe als erste Präsidentin ihres Landes einen Traditionsbruch herbeigeführt, erläutert die Ökonomin und Publizistin Gloria Maira. Ihr Einsatz für Geschlechtergerechtigkeit habe sich auch dadurch manifestiert, dass sie zur ersten Direktorin der Weltfrauenorganisation 'UN Women' berufen wurde.

Matthei habe dagegen nie die Forderungen von Frauen unterstützt, so die Expertin. Als Senatorin habe sie zwar eine liberale Haltung gegenüber medizinisch indizierten Abtreibungen eingenommen und sogar einen Gesetzentwurf zur Legalisierung solcher Abbrüche vorgelegt. Als Kandidatin habe sie ihre Meinung jedoch radikal geändert, weil sie sonst keine Unterstützung aus ihrer Partei erhalten hätte. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.unwomen.org/
http://www.ipsnoticias.net/2013/08/carrera-presidencial-chilena-se-mece-entre-sexismo-y-equidad-de-genero/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 20. August 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. August 2013