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LATEINAMERIKA/1461: Kuba - US-Geheimoperation "ZunZuneo", Netzwerk sollte Regimewechsel herbeiführen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. April 2014

Kuba: US-Geheimoperation 'ZunZuneo' - Twitter-ähnliches Netzwerk sollte Regimewechsel herbeiführen

von Patricia Grogg


Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Ein junger Kubaner mit Baseballkappe, Adidas-T-Shirt und Handy Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Havanna, 8. April (IPS) - Junge Kubaner waren von 2009 bis 2012 Zielscheibe einer von der US-Entwicklungsbehörde USAID finanzierten Geheimoperation zur Destabilisierung des sozialistischen Inselstaates. Sie sollten über den Twitter-ähnlichen Dienst 'ZunZuneo' zu Massenprotesten im Stil des 'Arabischen Frühlings' angeregt werden.

Am 3. April bestätigte das Weiße Haus, dass USAID hinter dem sozialen Netzwerk stand, für das sich 40.000 Kubaner registriert hatten. Weil die Mittel versiegten, wurde der Dienst vor zwei Jahren wieder eingestellt.

'ZunZuneo', benannt nach dem Geräusch, dass die 'zunzunes' (Kolibris) mit ihren Flügelschlägen verursachen, war eine Plattform zum Austausch kurzer Textnachrichten. Es machte sich das Bedürfnis junger Durchschnittskubaner nach einem Zugang zum Internet und anderen E-Dienstleistungen zunutze. Gerade die jungen Generationen stehen unter dem Einfluss von Gesellschaften, die mit der Gesellschaft, wie sie die Regierung in Havanna anstrebt, wenig gemeinsam haben.

"Junge Leute mögen es nicht besonders, wenn sie zur Teilnahme an den Kundgebungen zum 1. Mai oder an anderen Demonstrationen aufgefordert werden", meint der 29-jährige kubanische Journalist Antonio Rodríguez, der in die USA ausgewandert ist. Das habe nicht nur mit der Abneigung zu tun, sich von anderen Vorschriften machen zu lassen, sondern auch mit dem täglichen Überlebenskampf, "durch den der Geist des Protestes abhanden gekommen ist".


Kinder der Krise haben andere Interessen

Wie der 32-Jährige Miguel Castro berichtet, der sich als Selbständiger durchs Leben schlägt, sind Kubaner im Alter von 25 Jahren Kinder der Wirtschaftskrise, die durch den Zusammenbruch des wichtigsten kubanischen Handelspartners, der Sowjetunion, 1991 ausgelöst wurde. "Diese jungen Leute unterscheiden sich von der Generation, die die Revolution von 1959 miterlebte. Sie haben nicht die Erfahrung gemacht, dass sich die Regierung auf ihre Realitäten und Bedürfnisse einstellt."

Aus einer Untersuchung des Zentrums für psychologische und soziologische Forschung geht hervor, dass für Universitätsstudenten sozio-politische Fragen nach wie vor eine große Rolle spielen. Doch Kubanern mit einem geringeren Bildungsstand sei eine politische Partizipation nicht mehr wichtig, heißt es.

Für die jungen Kubaner war ein Projekt wie ZunZuneo somit reizvoll, wie der Lateinamerika-Experte Peter Kornbluh vom 'National Security Archive' mit Sitz in Washington erläutert. Das Archiv sammelt und veröffentlicht deklassifizerte, also nicht mehr der Geheimhaltung unterliegende US-Dokumente.

Kornbluh zufolge haben Kubas junge Generationen keinen Bezug mehr zur Kubanischen Revolution, weil sie deren Vorteile nie gesehen hätten. "Ihr Interesse gilt vor allem den neuen Medien und der modernen Welt", fügt er hinzu.

Im Mai 2012 hatte die Regierung von Venezuela Havanna informiert, dass das von ihr nach Kuba verlegte Unterwasser-Glasfaserkabel funktionstüchtig sei. Die kubanischen Behörden machten die Nachricht erst im Januar 2013 publik. Seither konnten keine Verbesserungen bei den Verbindungen festgestellt werden.

Dass inzwischen aber immer mehr Kubaner die sozialen Netzwerke nutzen können, ist auf die Eröffnung von 145 Internet-Cafés zurückzuführen. Die Kunden können sich dort mit dem weltweiten Web verbinden lassen und den internationalen oder den nationalen E-Mail-Service in Anspruch nehmen - je nachdem, was sie zu zahlen bereit sind. Und seit März ist es Handy-Usern möglich, ihre E-Mails über 'domain@nauta.cu' abrufen.

In dem karibischen Inselstaat waren bis Mitte März bereits zwei Millionen der 11,2 Millionen Kubaner im Besitz eines Handys. Deutlich weniger - 1,27 Millionen - sind an das Festnetz angeschlossen. Das entspricht statistisch gesehen einer Dichte von gerade einmal 28,9 pro 100 Einwohner.

ZunZuneo wurde mit 1,6 Millionen US-Dollar finanziert. Die Gelder stammten aus einem Fonds, der nach außen als Finanzierungsquelle für ein nicht näher genanntes USAID-Projekt in Pakistan ausgegeben wurde. Den Kubanern, die sich zum Twittern auf der Plattform einfanden, war nicht bewusst, dass hinter dem Netzwerk eine US-Behörde stand, die dem US-amerikanischen Innenministerium untersteht, und dass die gesammelten Informationen politischen Zielen dienten.


Klassische CIA-Geheimtaktiken

"Das war die moderne Version einer verdeckten CIA-Propaganda-Operation mit den klassischen Zutaten wie Briefkastenfirmen, dunklen Finanzierungskanälen, multinationalen Akteuren mit Unternehmen in London, Spanien und Managua und geheimen Bankkonten", unterstreicht Kornbluh.

Der Sprecher des Weißen Hauses (Jay Carney) hat abgestritten, dass es sich bei der Aktion um eine verdeckte Operation handelte. "Eine glatte Lüge", wie Kornbluh betont. "Es scheint so, als sei die USAID ein neuer CIA. Dies gilt besonders für das USAID-Büro für Übergangsinitiativen, einer nebulösen geheimnisumwitterten Institution, die offensichtlich Geheimpläne verfolgt, um einen Regimewechsel auf Kuba zu erreichen."

Die Enthüllungen sind das Ergebnis einer Untersuchung, die die Nachrichtenagentur AP am 3. April veröffentlicht hatte. Sie sorgten in Kuba für Empörung. Nach dem AP-Bericht sollte im Rahmen des Programms zunächst eine Fangemeinde von 200.000 Kubanern aufgebaut werden. Danach sollten politische Botschaften in die Textnachrichten eingeflochten werden, die zunächst zu Flashmobs und dann zu Massenprotesten nach dem Vorbild des Arabischen Frühlings aufstacheln sollten.

Wie Josefina Vidal, Leiterin der Abteilung für nordamerikanische Angelegenheiten im kubanischen Außenministerium, vor Korrespondenten am 3. April erklärte, zeigt das ZunZuneo-Programm einmal mehr, dass die USA ihre Pläne, Kuba zu unterwandern, nicht aufgegeben haben.


"Kläglich gescheitert"

Wie Kornbluh berichtet, erhält USAID jedes Jahr satte 20 Millionen Dollar für sein 'Kuba-Demokratieprojekt' und sucht nach Wegen, die Gelder kreativ auszugeben. "Das Projekt war zwar kreativ, ist aber am Ende ebenso kläglich gescheitert wie das Alan-Gross-Projekt", meint Kornbluh in Anspielung auf den USAID-Partner, der in Kuba wegen Verschwörung eine 15-jährige Haftstrafe absitzt.

"In der Rückschau mag diese Operation billig erscheinen", so Kornbluh. "Doch wird sie nicht eben dazu beitragen, dass sich die Beziehungen zwischen Washington und Havanna verbessern." (Ende/IPS/kb/2014)


Links:

http://www.ipsnoticias.net/2014/04/juventud-cubana-en-el-ojo-del-zunzuneo/
http://www.ipsnews.net/2014/04/cubas-youth-target-usaids-zunzuneo/

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IPS-Tagesdienst vom 8. April 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2014