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NAHOST/1053: Weiterführung des iranischen Atomprogramms nur eine Frage der Zeit (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. März 2015

Nahost: 'Das Unvermeidliche wird nur aufgeschoben' - Weiterführung des iranischen Atomprogramms nur eine Frage der Zeit

von Mel Frykberg



Bild: © Mel Frykberg/IPS/IDN

Der Politologe Samir Awad vor einer Landkarte
Bild: © Mel Frykberg/IPS/IDN

Tel Aviv, Ramallah, 25. März (IPS/IDN*) - Ende Juni läuft die Frist für das Zustandekommen eines Abkommens über das umstrittene iranische Atomprogramm ab. Bis Ende des laufenden Monats soll eine entsprechende Rahmenvereinbarung stehen. Was die Erfolgsaussichten betrifft, gehen die Meinungen auseinander.

"Fristen kommen und gehen", kommentierte unlängst der Iran- und Nuklearexperte Ephraim Asculai die Fortschritte der Verhandlungen zwischen den Vertretern der USA, der EU und des Irans. Dem Forschungsbeauftragten am israelischen Institut für nationale Sicherheitsstudien (INSS) in Tel Aviv zufolge gibt es bisher keine offizielle Stellungnahme, in der bei den Gesprächen von einem Durchbruch die Rede sei.

Den Iranern bescheinigt Asculai ein großes Verhandlungsgeschick. Ihnen gehe es weniger darum, ein Abkommen nach dem Geschmack der internationalen Gemeinschaft zustande zu bringen, sondern die Aufhebung der politischen und wirtschaftlichen Sanktionen zu erreichen.

Dem Wissenschaftler zufolge kann der Iran bereits einige Fähigkeiten und Kenntnisse im Zusammenhang mit Waffen vorweisen. Dass er Israel angreifen würde, hält er für unwahrscheinlich. "Ebenso wenig denke ich, dass er zum gegenwärtigen Zeitpunkt an der Entwicklung von Atomwaffen arbeitet. Doch wäre er sicherlich gern in der Lage, im Fall einer Bedrohung solche Waffen bauen zu können. Meiner Meinung nach wird das Unvermeidliche nur aufgeschoben."

Für den Fall, dass der Iran an seinem Atomprogramm festhält, räumt Asculai die Möglichkeit eines nuklearen Wettrüstens in der Region ein. So könnten die von Sunniten dominierten Staaten ein Interesse daran haben, waffentechnisch mit den Schiiten im Iran gleichzuziehen.

Für die Golfstaaten seien die israelischen Atomwaffen kein Grund für nukleare Aufrüstung, gab sich der Atomwaffenexperte überzeugt. Vorwürfe, wonach der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit seinen ständigen Anschuldigungen, dass der Iran eine existenzielle Gefahr für den jüdischen Staat darstelle, lediglich provozieren wolle, wies er allerdings zurück.


"Krieg der Worte"

Auch wenn die Chancen eines iranischen Angriffs auf Israel gering seien, habe Netanjahu allen Grund, mit Blick auf die israelische Sicherheit vorsichtig zu sein, meinte Asculai. "Israel sollte sich das Recht auf einen Angriff auf den Iran vorbehalten, sollte dies notwendig werden", betonte er und verwies auf Provokationen von Teheran wie der Weigerung, den Holocaust anzuerkennen, und der Drohung, den jüdischen Staat von der Landkarte zu fegen, die mit verbalen Attacken Israels gekontert würden. "Beide Seiten befinden sich in einem Krieg der Worte."

Asculai zufolge stellen beide Länder an sich keine gegenseitige Bedrohung dar. Vor der Islamischen Republik seien die Beziehungen zwischen beiden Ländern gut gewesen, betonte er. Eine atomwaffenfreie Zone Nahost sei möglich, würde der Iran seine nuklearen Ambitionen aufgeben und ein angesehenes Mitglied der internationalen Gemeinschaft werden.

Dem Iran wirft Asculai vor, es an Transparenz in Sachen Atomprogramm missen zu lassen, indem er der Internationalen Atombehörde den Zugang zu der Entwicklungsstätte verweigere, und bewusst die Unwahrheit sage.


"Abkommen mit dem Iran möglich"

Ein Vorwurf, den der politische Wissenschaftler Samir Awad an der Birzeit-Universität nahe der Stadt Ramallah im Westjordanland nicht gelten lassen will. Er hält ein Abkommen mit dem Iran grundsätzlich für möglich, zumal die Regierung oft genug betont habe, dass es bei dem iranischen Atomprogramm ausschließlich um die zivile und nicht um die militärische Nutzung der Atomkraft gehe.

Der Iran wolle die gleichen wirtschaftlichen Entwicklungschancen wie Deutschland, Japan, Brasilien und Südafrika, versicherte er. "Ihm geht es darum, in den Besitz einer nuklearen Technologie zur Erzeugung von Strom zu gelangen. Präsident Hassan Rohani will sein Land der Welt öffnen."

Den israelischen Vorwurf, der Iran sei nicht offen, was seine nuklearen Ambitionen angehe, wies er als scheinheilig zurück. Awad zufolge ist Israel nicht nur die stärkste Streitmacht in der Region, sondern auch die aggressivste. "Netanjahu schlägt aus der angeblichen Gefahr, die von einem mit Atomwaffen ausgestatteten Iran ausgehen könnte, politisches Kapital", betonte er.

Mit Blick auf den Sieg von Netanjahus Likud-Partei in diesem Monat meinte der Politologe: "Israelis neigen immer dann dazu, wenn sie ihre Sicherheit bedroht sehen, besonders rechtslastige Parteien zu wählen. Netanjahu ist ein Experte, aus den Ängsten einen politischen Vorteil zu ziehen." Wie er weiter erklärte, kommt Israel die Verteufelung des Irans auch insofern zupass, als dass es sich vor den Friedensgesprächen mit den Palästinensern drücken könne.

"Es ist eine Tatsache, dass der israelische Geheimdienst Mossad bestätigt hat, dass der Iran weder an einer Atombombe arbeitet noch eine will", so Awad. "Selbst für den Fall, dass der Iran eine Atombombe hätte, wäre er wohl kaum so dumm, Israel anzugreifen. Da Israel derzeit keine ernsthaften Absichten erkennen lässt, die Besatzung der Palästinensergebiete oder seine Atomwaffen aufzugeben, bleibt es seiner Meinung nach die größte Gefahr für den Frieden in der Region. (Ende/IPS/kb/2015)

* IDN-InDepthNews ist Kooperationspartner von IPS Deutschland


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IPS-Tagesdienst vom 25. März 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. März 2015

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