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NAHOST/635: Israel verschärft Wasserkrieg (jW)


junge Welt - Die Tageszeitung - Ausgabe vom 12. April 2010

Israel verschärft Wasserkrieg
Tel Aviv verhindert Reinigung palästinensischer Abwässer und droht mit dem Zudrehen der Hähne

Von Karin Leukefeld, Damaskus


Mit der Drohung, den Palästinensern das Wasser abzustellen, ist der Streit um das knappe kostbare Gut zwischen Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten erneut entflammt. Im israelischen Armeerundfunk hatte der Minister für Infrastruktur, Uzi Landau am vergangenen Donnerstag die Palästinenser gewarnt, er werde die Wasserzufuhr für Industrie und Landwirtschaft einstellen, sollten sie nicht aufhören, ihre Abwässer ungereinigt zu entsorgen. Die Palästinenser verunreinigten Flüsse und die unterirdischen Wasserreservoirs (Aquiferen) der Westbank, die für die Wasserversorgung der Region unerläßlich seien, so der Minister. »Wenn die Palästinenser nicht ihre Kläranlagen in Gang setzen, werden wir ihnen nur noch Trinkwasser geben«, sagte er. Nach Angaben der israelischen Wasserbehörde würden 73 Prozent des Abwassers von der Westbank, in der zwei Millionen Palästinenser leben, nicht gereinigt. Man gebe den Palästinensern sauberes Wasser und bekomme Abwasser zurück, sagte ein Mitarbeiter des israelischen Außenministeriums. Unerwähnt ließ der Beamte allerdings, daß Israel rund 90 Prozent des Jordanwassers direkt unterhalb des Tiberias See (See Genezareth) abzweigt und in das eigene Wassernetz einspeist. Das Gebiet gehörte ursprünglich zu Palästina.

Der Leiter der Palästinensischen Wasserbehörde, Shadad Al-Attili, wies gegenüber der Nachrichtenagentur AFP den Vorwurf Israels zurück. Sie seien es, die den Bau palästinensischer Kläranlagen behinderten, sagte er. Seit 1997 versuche die Autonomiebehörde, eigene Kläranlagen zu bauen, »aber die Israelis verweigern uns die Genehmigung, in den Gebieten B und C zu bauen.« Die israelische Besatzungsbehörde hat die seit 1967 besetzten palästinensischen Gebiete der Westbank in Sektoren unterschiedlicher strategischer Bedeutung eingeteilt, in denen die palästinensische Autonomiebehörde nicht aktiv werden darf. Offenbar versuchen die Besatzungsbehörden, Druck auf die Palästinenser auszuüben, ihr Abwassersystem an israelische Kläranlagen anzuschließen, die auch die Abwässer der illegalen Siedlungen klärt. Die Palästinenser beharren auf einem eigenen Abwassersystem, denn ein Anschluß an die Kläranlagen der Besatzer würde einer Anerkennung der illegalen Besatzung gleichkommen.

Im belagerten Gazastreifen mußte derweil das einzige Elektrizitätswerk wegen Mangels an Treibstoff den Betrieb einstellen. Die Anlage benötigt nach Auskunft der Hilfsorganisation OXFAM wöchentlich 3,5 Millionen Liter Treibstoff, erhielt in der letzten Woche aber nur 550 000 Liter. Über das israelische Osterfest (Passah) wurde gar nicht geliefert. Die israelischen Besatzungsbehörden bestimmen nicht nur die Menge des Treibstoffs, sie kontrollieren auch den Zufluß. Während die palästinensische Elektrizitätsbehörde die israelische Blockade dafür verantwortlich machte, hieß es auf seiten Israels, die Palästinenser hätten ihre Rechnung nicht bezahlt. Bis Ende 2009 hatte die Europäische Union die Gelder für den Treibstoff bezahlt, diese Hilfe aber im November vergangenen Jahres an die Autonomiebehörde übertragen. Nach israelischen Angaben sei der Streit unter den Palästinensern schuld, daß kein Treibstoff geliefert würde: »Wenn sie kaufen, werden wir liefern«, sagte ein israelischer Verbindungsoffizier. Nach Auskunft des UN-Büros für die Koordination humanitärer Hilfe hatte die Anlage seit Anfang März nur etwa 40 Prozent ihrer Kapazität an Strom produziert, was zu Stromausfällen bis zu zwölf Stunden täglich geführt habe. Darunter hätten vor allem die Wasserversorgung, Kläranlagen und Krankenhäuser im Gazastreifen gelitten.


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Quelle:
junge Welt vom 12.04.2010
mit freundlicher Genehmigung der Autorin und der Redaktion
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. April 2010