Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

NAHOST/685: Israelisches Militärgericht verurteilt palästinensischen Menschenrechtler (jW)


junge Welt - Die Tageszeitung - Ausgabe vom 28. August 2010

Abschreckendes Exempel
Israelisches Militärgericht verurteilt palästinensischen Menschenrechtler

Von Karin Leukefeld, Damaskus


Nach achtmonatiger Verhandlung vor einem israelischen Militärgericht ist Abdallah Abu Rahmah (38), international bekannter Koordinator der gewaltfreien Protestbewegungin Bilin gegen die israelische Mauer, verurteilt worden. Das Gericht befand ihn am Dienstag der »Aufwiegelung« schuldig und der »Organisation illegaler Demonstrationen«.

Freigesprochen wurde er von dem Vorwurf, Steine geworfen und Waffen besessen zu haben. Die Urteilsverkündung fand in einem überfüllten Gerichtssaal statt. Neben Freunden und Verwandten des prominenten Aktivisten waren auch ein Vertreter der Europäischen Union sowie Diplomaten aus Frankreich, Malta, Deutschland, Spanien und Großbritannien gekommen.

Der Vorwurf der »Aufwiegelung« bezieht sich darauf, daß Abu Rahmah mit anderen Demonstranten leere Tränengaskartuschen der israelischen Polizei eingesammelt hatte, um sie in einer Ausstellung zu präsentieren. Nach Meinung des Militärgerichts habe Abu Rahmah damit die Öffentlichkeit gegen Israel aufwiegeln wollen. Der »absurde Vorwurf« mache klar, wie die Militärankläger »das Strafrecht ausnutzen, um gewaltfreien Widerstand zum Schweigen zu bringen und zu verleumden«, heißt es in einer Stellungnahme des Volkskomitees Bilin, das von einem »Schauprozeß« spricht. Grundlage der Gerichtsentscheidung waren die Aussagen Jugendlicher, die mitten in der Nacht festgenommen, ohne Hinweis auf ihre Rechte und ohne Zugang zu juristischem Beistand eingeschüchtert und zu Aussagen gedrängt worden waren. Das Strafmaß soll im September verkündet werden, die Anklage wird voraussichtlich eine mehrjährige Haftstrafe fordern.

Abu Rahmah war am 10. Dezember 2009, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, verhaftet worden und befindet sich seitdem in israelischer Militärhaft. Im Dezember 2008 erhielt er in Deutschland von der Internationalen Liga für Menschenrechte die Carl-von-Ossietzky-Medaille. Vermutlich soll nun gerade wegen der internationalen Aufmerksamkeit, die Abu Rahmah und der Widerstand von Bilin in den letzten Jahren erreicht haben, an ihm ein abschreckendes Exempel statuiert werden. Seine Kriminalisierung signalisiert nach Aussage vieler Beobachter eine deutliche Verschärfung des israelischen Vorgehens gegen eine gewaltfreie Oppositionsbewegung.

Die außenpolitische EU-Beauftragte Catherine Ashton äußerte sich »besorgt über die Verurteilung«. Für die EU sei Abu Rahmah ein »Verteidiger der Menschenrechte«, der sich dem gewaltfreien Protest verschrieben habe. Das sei sein und aller Palästinenser »legitimes Recht«. Die EU betrachte den Verlauf der israelischen Mauer durch palästinensisches Land als »illegal«, fügte Ashton hinzu. Am 9. Juli 2004 hatte der Internationale Gerichtshof den Bau der Mauer als völkerrechtswidrig eingestuft.

Die sofortige Freilassung von Abu Rahmah forderten in Deutschland die Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW). »Ohne Anerkennung der legitimen Rechte der Menschen in Palästina und ihres gewaltfreien Eintretens hierfür wird es keinen Frieden in der Region geben können«, erklärte Matthias Jochheim, der stellvertretende Vorsitzendeder IPPNW-Deutschlandsektion.


*


Quelle:
junge Welt vom 28.08.2010
mit freundlicher Genehmigung der Autorin und der Redaktion
Überregionale Tageszeitung junge Welt
Torstraße 6, 10119 Berlin
Telefon: 030/53 63 55-0; Fax: 030/53 63 55-44
E-Mail: redaktion@jungewelt.de
Internet: www.jungewelt.de

Einzelausgabe: 1,20 Euro (Wochenendausgabe: 1,60 Euro)
Abonnement Inland:
monatlich 29,70 Euro, vierteljährlich 86,40 Euro,
halbjährlich 171,00 Euro, jährlich 338,50 Euro.
Sozialabo:
monatlich 22,90 Euro, vierteljährlich 66,60 Euro,
halbjährlich 131,90 Euro, jährlich 261,00 Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. September 2010