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NAHOST/809: Jemen - "Wie Papa als Held sterben", mit Kindern zum Protest auf dem Platz des Wandels (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. April 2011

Jemen: "Wie Papa als Held sterben" - Mit Kindern zum Protest auf dem Platz des Wandels

Von Yazeed Kamaldien


Sanaa, 28. April (IPS) - Alia Saleh, die sich täglich den Protesten in Jemens Hauptstadt Sanaa anschließt, kommt nie ohne ihre fünf Kinder zum Demonstrationsort, dem so genannten Platz des Wandels. "Ich lasse meine Kinder nie allein", begründete die Mutter, deren drei Söhne und zwei Töchter keine zwölf Jahre alt sind, ihre Anwesenheit auf dem brisanten Pflaster, auf dem es täglich zu blutigen Zusammenstößen zwischen Polizei, Soldaten und Regimegegnern kommt. "Regierungssoldaten haben in der Provinz Marib meinen Mann getötet. Seitdem komme ich hierher, denn meine Kinder sollen wie ihr Vater für unser Land sterben", erklärte sie.

Auch ohne elterliche Aufsicht treiben sich viele Jungen in der Zeltstadt auf dem Platz des Wandels herum. "Wir sind gerne hier", erklärte ein Zwölfjähriger, der sich wie seine Kumpels seit Mitte Februar mit Vätern und Brüdern an den Demonstrationen beteiligt.

Auch Abdul-Karim al-Sanfani gehört mit Frau und drei Kindern unter zehn Jahren zu den Protestierenden in der jemenitischen Hauptstadt. "Mit den vielen jungen Leuten, die sich hier aufhalten, wollen wir der Welt zeigen, dass wir uns vor niemandem fürchten, auch nicht vor Mördern", sagte er.

Im Jemen haben schon viele Heranwachsende den vermeintlichen Heldenmut ihrer Familien mit dem Leben bezahlt. Laut dem UN-Kinderhilfswerk (UNICEF) und der Hilfsorganisation 'Seyaj' sind zwischen dem 18. Februar und dem 18. April 24 Kinder bei den Unruhen im Jemen getötet und 638 verletzt worden. Nicht gerechnet die 49 Mädchen und Jungen, die im Süden, in Jaar, bei der Explosion einer Munitionsfabrik ums Leben kamen. UNICEF hat die Regierung in Sanaa aufgefordert, sich angesichts der eskalierenden Gewalt trotz des Ausnahmezustands an die Kinderrechtskonvention zu halten und die Menschenrechte zu respektieren.

Beschützer sehen viele Demonstranten in dem Ende März zu den Regimegegnern übergelaufenen General Ali Muhsin al-Ahmar und seiner Truppe. "Diese Soldaten beschützen unsere Kinder", versicherte Hamadi, ein Vater vom Platz des Wandels. Dennoch seien vor allem die Eltern in der Pflicht, für die Sicherheit ihrer Kinder zu sorgen, meinte er. Andere halten wenig vom Schutz der uniformierten Überläufer, zumal ihnen Übergriffe auf protestierende Frauen angelastet werden.

Inzwischen beschuldigt die internationale Menschenrechtsorganisation 'Human Rights Watch' (HRW) den desertierten General al-Ahmar, er habe Kindersoldaten rekrutiert. "Wir haben Dutzende von bewaffneten Soldaten getroffen, die offensichtlich noch keine 18 Jahre alt waren", heißt es in einer HRW-Erklärung. "In Sanaa wurden 20 Soldaten interviewt, die ihr Alter mit 14, 15 oder 16 Jahren angaben und berichteten, sie gehörten seit ein, zwei Jahren zur Armee." Die Gegner von Staatspräsident Ali Abdallah Saleh dürften die Sicherheitsprobleme nicht noch dadurch vergrößern, dass sie bei den Protestaktionen Kinder vorschickten, forderten die Aktivisten. (Ende/IPS/mp/2011)


Links:
http://www.unicef.org
http://www.seyaj.org/English
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=55404

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. April 2011