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NAHOST/984: Oslo-Friedensabkommen gescheitert - Europäer sollen handeln (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. Mai 2013

Nahost: Oslo-Friedensabkommen gescheitert - Europäer sollen handeln

von Mitchell Plitnick



Washington, 8. Mai (IPS) - Der Oslo-Friedensprozess ist gescheitert und Europa muss in Nahost Führungsstärke zeigen. Dieser Ansicht ist eine Gruppe ehemaliger europäischer Entscheidungsträger, die sich dafür einsetzt, dass Europa einen unabhängigeren Standpunkt zur israelischen Besatzung einnimmt.

"Europäische Führer können nicht ewig darauf warten, dass die USA aktiv werden, zumal es genügend Anzeichen für das amerikanische Versagen gibt, Israelis und Palästinenser bei der Suche nach einer Lösung des Konflikts gleichberechtigt zu behandeln", heißt es in dem Schreiben der Europäischen Gruppe der herausragenden Personen ('European Eminent Persons Group - EEPG) an die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton.

Darin bemängeln die 19 Unterzeichner aus elf europäischen Ländern, unter anderem ehemalige Regierungschefs und Außenminister und ein früheres Staatsoberhaupt, aber auch die bisherige EU-Nahostpolitik. An die Hohen EU-Repräsentanten appellierten sie, besondere Anstrengungen zur Rettung der Zweistaatenlösung zu unternehmen.

"Wir haben mit zunehmender Enttäuschung in den letzten fünf Jahren das Versagen der Parteien, produktive Gespräche zustande zu bringen, und das der internationalen Gemeinschaft unter US-amerikanischer und/oder europäischer Führung, solche Gespräche zu fördern, beobachtet", resümierte die EEPG.

US-Präsident Barack Obama warfen die Unterzeichner vor, sich lediglich auf eine Wiederaufnahme der Gespräche zwischen dem Westjordanland und Israel unter dem Oslo-Abkommen zu bemühen. Doch das Oslo-Abkommen habe seit langem an Schlagkraft verloren. Die Grenzen von 1967, die der Zweistaatenlösung als Grundlage dienten, seien seit Langem verwischt.

Die Unterzeichner des Briefes, unter ihnen der EEPG-Ko-Vorsitzende Wolfgang Ischinger, ein ehemaliger Staatssekretär im Auswärtigen Amt, sowie Ex-NATO-Generalsekretär Javier Solana und einstiger EU-Kommissar und Generaldirektor der Welthandelsorganisation Peter Sutherland, verlangen Änderungen in der bisherigen EU-Nahost-Friedenspolitik.


Anerkennung der Grenzen von 1967 als Verhandlungsgrundlage

Wie sie unterstrichen, gilt es israelische Besatzung der Palästinensergebiete ausdrücklich anzuerkennen, was für Israel mit rechtlichen Verpflichtungen verbunden ist. Nach internationalem Recht sind alle nach 1967 gebauten israelischen Siedlungen illegal. Auch müssten ausschließlich die Grenzen von 1967 als Ausgangspunkt für Nahostverhandlungen betrachtet werden. Zudem sollte sich die EU für eine Wiedervereinigung der Palästinenser einsetzen, forderten die Unterzeichner des Schreibens.

Die ehemaligen politischen Entscheidungsträger riefen ferner dazu auf, die Finanzierungsarrangements für Palästina zu überdenken. Es gelte zu verhindern, dass die Palästinensische Autonomiebehörde weiter von Finanzmitteln abhänge, die den Friedensprozess eher behinderten. Damit nahm die EEPG Bezug auf die häufig gepriesene "wirtschaftliche Verbesserung" im Westjordanland mit Hilfe internationaler Spenden, die alles andere als nachhaltig sind.

Auch fordert die EEPG ein entschiedeneres internationales Vorgehen zugunsten einer Verbesserung der humanitären und Menschenrechtssituation im Westjordanland und Gazastreifen - unabhängig vom Stand der Friedensverhandlungen.


Geringe Erwartungen an die US-Nahostpolitik

Die Wahl des Zeitpunkts, den Brief kurz nach dem letzten Nahostbesuch von US-Außenminister John Kerry zu veröffentlichten, gilt als klarer Hinweis darauf, dass die EEPG von der derzeitigen US-Diplomatie keine bedeutenden Fortschritte erwartet.

Auch wenn der Brief nur eine geringe Publizität erhalten hat, ist der EEPG-Ko-Vorsitzende Jeremy Greenstock zuversichtlich, dass die Empfehlungen der Gruppe den stagnierenden Friedensprozess wieder in Gang bringen könnten. "Wir haben aus dem Ashton-Büro die Zusage erhalten, dass es eine Antwort geben wird", sagte Greenstock gegenüber IPS.

Dem EEPG-Ko-Vorsitzenden zufolge könnte die EU-Führung nicht nur die Diplomatie der Konfliktparteien in Gang bringen, sondern auch die USA darin unterstützen, ihre Politik auf eine produktivere Spur zu bringen. "Die EEPG erkennt die US-Rolle als unverzichtbar an", unterstrich er. "Wir sind aber der Meinung, dass die Europäer zumindest bei der Erkundung einiger Alternativen die Führung übernehmen sollten, die sich für Washington als nützlich erweisen könnten."

Pro-Israel-Hardliner bestehen seit Langem darauf, dass ausschließlich die USA im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern vermitteln sollten. Entsprechend scharf fiel die Reaktion von Elliott Abrams, dem neokonservativen Nahostexperten am 'Council on Foreign Relations', auf den EEPG-Brief aus.

Das Schreiben sei eine nutzlose Neuauflage der europäischen Haltung 'Gib Israel die Schuld, behandele die Palästinenser wie Kinder und ringe die Hände über die schreckliche Art der US-amerikanischen Diplomatie', meinte Abrams in seinem Blog. "Die Israelis werden auf diesen Schrieb angemessen eingehen, und die Palästinenser werden verstehen, dass durch solche Dinge der europäische Einfluss sinkt und die EU nicht viel leisten kann."

Nach Ansicht von Chas Freeman, einem ehemaligen US-Botschafter in Saudi-Arabien und ehemaliger Vorsitzender des 'Middle East Policy Council', hat die internationale Gemeinschaft seit Langem ihr Vertrauen in die US-amerikanische Nahostdiplomatie verloren. Die EU sei da keine Ausnahme.


"Diplomatische Unfähigkeit und Heuchelei"

"Der 'Friedensprozess' war früher Emblem der amerikanischen Aufrichtigkeit und des hingebungsvollen Einsatzes für die Rechtstaatlichkeit. Er steht nun für diplomatische Unfähigkeit, die Überordnung eigener Interessen und politische Heuchelei", so Freeman.

Wie der Experte ferner betonte, folge Europa nicht länger dem amerikanischen Diktat, sondern habe seinen eigenen Kopf. "Israel muss nun selbst mit den Europäern zurechtkommen. Das wird nicht einfach sein." (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.usmep.us/usmep/2013/04/22/european-eminent-persons-group-letter-to-lady-catherine-ashton/
http://www.ipsnews.net/2013/05/europe-urged-to-step-into-breach-of-failed-mideast-peace/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 8. Mai 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Mai 2013