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NAHOST/985: Gefährliches Schweigen des UN-Sicherheitsrats über Israels Angriffe auf Syrien (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. Mai 2013

Nahost: Gefährliches Schweigen des UN-Sicherheitsrats über Israels Angriffe auf Syrien

von Thalif Deen



New York, 14. Mai (IPS) - Israel hat seit Anfang des Jahres drei Luftangriffe gegen Syrien geflogen, ohne vom UN-Sicherheitsrat dafür gemaßregelt oder verurteilt worden zu sein. Politischen Beobachtern zufolge hat sich das mächtigste Organ der Vereinten Nationen, das für die Sicherung des Weltfriedens zuständig ist, erneut blamiert. Die fortgesetzten Bombardements haben die Spannungen in der Region weiter verschärft und die Gefahr eines regionalen Flächenbrands erhöht, warnen Berichte aus Nahost.

Mouin Rabbani, Koredakteur von 'Jadaliyya', einem Journal für arabische Studien, zufolge, hat die anglo-amerikanische Reaktion Ähnlichkeit mit einem stehenden Applaus. Dabei spiele es keine Rolle, ob die Zustimmung aus London und Washington zur israelischen Aggression in diesem Fall abgesprochen worden oder lediglich ein pawlowscher Reflex gewesen sei.

Die Konsequenz, die sich daraus ergeben habe, sei wie so oft im arabisch-israelischen Konflikt, dass die Institutionen, die mit dem Schutz von Weltfrieden und -sicherheit beauftragt seien, und allen voran der UN-Sicherheitsrat, wieder einmal mit heruntergelassenen Hosen dastünden, meinte Rabbani. Und Washington habe sie an der Formulierung einer wirksamen Antwort gehindert.

Matthew Russell Lee von der Online-Plattform 'Inner City Press', deren Berichterstattung über die Vereinten Nationen auch eine tägliche und detaillierte Zusammenfassung der Aktivitäten des UN-Sicherheitsrats enthält, erklärte gegenüber IPS: "Mich wundert es nicht, dass man sich nicht auf ein Statement einigen konnte." Er erinnerte an einen zuvor erfolgten Bombenanschlag der syrischen Opposition in Damaskus. Als Russland vorschlug, das Attentat zu verurteilen, beharrten die USA und andere westliche Mächte darauf, gleichzeitig eine Verurteilung der Regierung von Staatspräsident Bashar al-Assad beizufügen.


UN Krisensitzung unerwünscht

"Die gleiche Reaktion hätte sicherlich ein Statement zu den israelischen Luftangriffen ausgelöst", meinte Lee und fügte hinzu, dass niemand auf die Idee gekommen sei, eine Krisensitzung zu beantragen, wie dies die Arabische Gruppe während der israelischen Operation 'Säule der Verteidigung' im November 2012 getan und erreicht habe. Das hat seiner Meinung nach damit zu tun, dass der Arabischen Gruppe mit Ausnahme von Algerien, dem Irak und dem Libanon daran gelegen sei, Assad die Macht zu entziehen.

Die Arabische Gruppe, die derzeit von sunnitischen Mehrheiten der Golfstaaten oder von Sunniten regierten Ländern wie Bahrain dominiert wird, musste den UN-Sicherheitsrat in einem Schreiben daran erinnern, zumindest so viel zu tun wie die aus 120 Mitgliedern bestehende Bewegung der Blockfreien (NAM) unter dem Vorsitz des Irans. Allerdings will die Arabische Gruppe keine Krisensitzung, auf der das Syrien Assads als Opfer dargestellt wird.

Inzwischen haben sich der US-Außenminister John Kerry und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow darauf geeinigt, eine internationale Syrienkonferenz einzuberufen. Doch ist unklar, ob alle kriegsführenden Parteien an dem Treffen teilnehmen werden.

Laut Rabbani dürfte Israel das Schweigen des UN-Sicherheitsrats als Ermunterung auffassen, mit seiner neuen Strategie und seinen Militärangriffen weiterzumachen. Dass der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu trotz seines eindeutigen Extremismus weniger als seine Amtsvorgänger an einem größeren bewaffneten Konflikt interessiert sei und auf US-Druck stärker reagiere, sei sicherlich kein Trost.

Da Israel bereits mit seinen Luftangriffen auf Syrien ungestraft davon gekommen sei, könne auf kurz oder lang durchaus mit einer Wiederholung der Bombardements gerechnet werden, selbst wenn dadurch ein potenzieller Krieg mit Syrien und/oder der Hisbollah drohe und sogar mit einem regionalen Flächenbrand gerechnet werden müsse, meinte Rabbani, der ebenso Beiträge für den 'Middle East Report' schreibt.


Syrien "größerer Paria als Israel"

"Es sieht ganz danach aus, als sei Syrien inzwischen zu einem noch größeren Paria geworden als Israel", meinte Stephen Zunes, Politikprofessor und Koordinator für Nahoststudien an der Universität von San Francisco in den USA.

Rabbani zufolge hat Israel die jüngsten Bombenangriffe auf Damaskus als Präventionsmaßnahmen hingestellt, den Transfer von modernen Waffen an die Hisbollah im Libanon zu verhindern. Es falle schwer, die Erklärung, der Angriff sei nicht als Intervention Israels in den syrischen Krieg zu verstehen, ernst zu nehmen, meint Rabbani gegenüber IPS.

Es könne schon sein, dass Israel den Nachschub von Waffen an seine Feinde im Libanon verhindern wollte, so Rabbani. "Doch ging es in erster Linie darum, seine Beziehungen zu Syrien auf den Kopf zu stellen und die Reaktion der internationalen Gemeinschaft auf diesen Politikwechsel zu testen." Seiner Ansicht nach hat Israel der Welt auf diese Weise zu verstehen gegeben, dass es die militärischen Kapazitäten Syriens und den syrischen Rückhalt für die Rebellenbewegungen außerhalb der syrischen Grenzen systematisch zu zerstören gedenke.

Rabbani sieht sich an das Vorgehen Israels gegenüber dem Südlibanon Ende der 1960er und 1970er Jahre erinnert. Dem Journalisten zufolge wird das neue israelische Aggressionsmuster eine Lösung der Syrienkrise erschweren und den Krieg nur noch weiter anheizen. Israel sei offenbar fest entschlossen, Syrien zu schwächen und klein zu halten. (Ende/IPS/kb/2013)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Mai 2013