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NAHOST/986: Nahost - Israel zunehmend in Syrien-Konflikt involviert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. Mai 2013

Nahost: Israel zunehmend in Syrien-Konflikt involviert

von Pierre Klochendler


Bild: © Pierre Klochendler/IPS

Waffenstillstandslinie in den von Israel besetzten Golan-Höhen
Bild: © Pierre Klochendler/IPS

Jerusalem, 24. Mai (IPS) - Israel hat damit gedroht, verstärkt gegen Waffenlieferungen an die Kriegsparteien im benachbarten Syrien vorzugehen. Damit droht das Land in einen Konflikt hineingezogen zu werden, in den neben den Truppen von Präsident Bashar al-Assad die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah und Jihad-Sunniten-Rebellen verwickelt sind.

Die Regierung ist offenbar fest entschlossen, die Waffenlieferungen für israelisch-feindliche Kräfte zu unterbinden, die in den Syrien-Krieg verwickelt sind. Binnen weniger Wochen hat Israel die Liste der Waffen, die den Ausgang des Kriegs entscheidend beeinflussen können und auch die Sicherheit des israelischen Staates bedrohen, deutlich erweitert.

Bisher war für Israel eine Toleranzgrenze erreicht, wenn seine Feinde Anstalten gemacht hätten, sich die Kontrolle über das syrische Chemiewaffenarsenal zu sichern. Diese Waffen werden zwar zunehmend bei Gefechten eingesetzt, befinden sich aber derzeit unter der Kontrolle von Assads Truppen.

Doch am 30. Januar hatten die Gegner Israels offenbar eine weitere 'rote Linie' überschritten. Die israelische Luftwaffe zerstörte einen Konvoi, der vom Iran gelieferte Boden-Luft-Raketen vom Typ S-17 an die Hisbollah liefern sollte. Obwohl Israel nicht formell die Verantwortung für den Angriff übernahm, erklärte die Regierung, sie werde den Transfer hochentwickelter Waffen an die Hisbollah nicht dulden. Gegen die Miliz hatte Israel 2006 einen Krieg geführt.

Der Iran hofft indessen, dass eine besser bewaffnete Hisbollah Israel davon abhalten wird, iranische Nuklearanlagen anzugreifen. Am 4. und 5. Mai bombardierte Israel Schiffsladungen mit im Iran produzierten Fateh-110-Raketen, die für die Miliz bestimmt waren. Anders als die Raketen, die sich derzeit im Besitz der Hisbollah befinden, können Fateh 110 sogar strategische Ziele südlich der israelischen Großstadt Tel Aviv erreichen.

In den vergangenen zehn Jahren hatte Syrien die israelischen Attacken auf sein Staatsgebiet ignoriert, darunter auch einen Angriff auf den Atomreaktor Deir-ez-Zour 2007 und einen weiteren auf den Hisbollah-Führer Imad Mughniyeh 2008 in Damaskus.


Syrien droht Israel mit Vergeltung

Nach dem jüngsten Luftschlag Israels jedoch drohte Syrien mit Vergeltung - offenbar auch deshalb, weil das US-Verteidigungsministerium die Verantwortung Israels für den Angriff bestätigt hatte. Um der Ankündigung der Regierung in Damaskus mehr Gewicht zu verleihen, erklärte die Hisbollah, eine neue Front auf den syrischen Golan-Höhen aufzumachen, die seit 1967 von Israel okkupiert werden.

Seit einem israelisch-syrischen Abkommen aus dem Jahr 1974 ist auf den Golan-Höhen weitgehend Ruhe einkehrt. Ausnahmen waren vereinzelte Angriffe mit Mörsergranaten in den vergangenen sechs Monaten, die darauf zurückzuführen sind, dass die Kämpfe in Syrien über die Waffenstillstandslinie hinausgingen. Israel reagierte mit Artilleriefeuer.

Israelische Sicherheitsexperten gehen davon aus, dass es Assad nicht wagen wird, sich mit einem weit größeren Feind als den Rebellen anzulegen, während er um sein eigenes Überleben kämpft. Allzu laut wird diese These jedoch nicht ausgesprochen.

Zehn Tage nach dem letzten Bombenangriff traf sich Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin in Sotschi. Er wollte Putin überreden, der syrischen Armee keine S-300-Flugabwehrraketen zu liefern. Diese Raketen können Flugzeuge direkt nach dem Start abfangen. Die Lieferungen der S-300-Raketen ist seit Langem ein Streitpunkt zwischen Israel und Russland. Es ist nicht klar, ob Moskau den Waffendeal tatsächlich umsetzt.

Nach Angaben von Netanjahus Büro hatte Israel die Gespräche mit Putin initiiert. Aus anderen Quellen war dagegen verlautet, dass Putin den israelischen Regierungschef zu sich zitiert hatte, um ihn vor weiteren Einmischungen in Syrien zu warnen.

Niemand hat ein Interesse daran, dass die Lage in Syrien implodiert oder gar explodiert und die gesamte Region destabilisiert. Und es ist kein Geheimnis, dass Russland entschlossen ist, Assad an der Macht zu halten. Dies belegen kürzlich an US-Zeitungen durchgesickerte Informationen über russische Kriegsschiffe, die im Mittelmeer nahe der russischen Marinebasis Tartus in Syrien patrouillieren.


Internationale Syrien-Konferenz in Russland im Juni geplant

Außerdem wurde bekannt, dass in Russland hergestellte Jachont-Raketen nach Syrien verschifft wurden. Die Waffen, die gegen Israels Offshore-Gasförderanlagen eingesetzt werden könnten, sind in der Lage, die Kräfteverhältnisse in der Region abermals zu verändern. Und dies in einem Moment, in dem sich Russland mit den USA darüber geeinigt hat, im kommenden Monat eine internationale Syrien-Konferenz auszurichten.

Erschwerend kommt hinzu, dass Israel, indem es immer mehr 'rote Linien' zieht, nicht nur die Schiffsladungen mit Waffen und die syrische Armee ins Visier nehmen könnte, sondern indirekt auch den Lieferanten Russland. Israels Entscheidungsträger vollführen einen Balanceakt zwischen ihrer Präferenz für "Israels Mann in Damaskus", wie Assad kürzlich vom früheren Mossad-Chef Efraim Halevy genannt wurde, und den 'roten Linien'. (Ende/IPS/ck/2013)


Link:

http://www.ipsnews.net/2013/05/when-it-comes-to-syria-israel-frequently-redrawing-red-lines/

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IPS-Tagesdienst vom 24. Mai 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Mai 2013