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OSTEUROPA/349: »Bunte Revolution« in Belarus gescheitert (ZLV)


Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek - 22. Januar 2011

»Bunte Revolution« in Belarus gescheitert
Lukaschenko läßt geheimes Material veröffentlichen

Von Willi Gerns, 22. Januar 2011


Am 19. Dezember wurde Aleksander Lukaschenko bei den Präsidentenwahlen in Belarus erneut mit überwältigender Mehrheit gewählt. Dagegen protestierte die unterlegene Opposition auf einer lange vor dem Wahltag organisierten Kundgebung. Eine mit Knüppeln, Fahnenstangen und Eishacken bewaffnete Gruppe versuchte, Regierungsgebäude zu stürmen. Das wurde von den Sicherheitskräften vereitelt. Der Platz wurde geräumt. Es gab Verhaftungen. Seither rollt eine Verleumdungskampagne gegen die Führung des Landes durch die westlichen Medien, rufen Politiker der EU-Länder und der USA nach Sanktionen. Besonders tun sich dabei Deutschland und Polen hervor.

Als Reaktion hat Präsident Lukaschenko angeordnet, eine Reihe bisher geheimer Dokumente und andere Papiere über das destruktive Wirken der belarussischen Opposition und ihr Zusammenspiel mit dem Westen zu veröffentlichen. Dies geschieht seit dem 14. Januar in der regierungsnahen Zeitung »Sowjetskaja Belarussija«. Veröffentlicht werden Pläne der Opposition, Instruktionen für den Transfer von Dollars und Euros aus den umliegenden Ländern durch Kuriere nach Belarus, Material über die Vorbereitung der Kundgebung am Wahlabend und des Sturms auf Regierungsgebäude, Analysen und operative Berichte der belarussischen Sicherheitsorgane, Verhörprotokolle, abgehörte Telefongespräche sowie abgefangene E-Mails u.a.

Laut diesen Papieren »sollen deutsche und polnische Geheimdienste die Wahlkampagne von Präsidentschaftskandidat Wladimir Neklajew geplant und organisiert haben«, schreibt die Agentur »Russland-Aktuell«. »Das Ziel sei die Schaffung einer 'neuen Oppositionskraft' gewesen, die letztendlich einen Machtwechsel in Minsk hätte herbeiführen können. Involviert seien auch die Botschafter einiger EU-Staaten gewesen.«

Auch wenn diese Anschuldigungen zuweilen »abenteuerlich« anmuten und es wie immer bei papieren von Geheimdiensten keine Beweise für deren Echtheit gibt, läßt sich deren Aussage durchaus mit Fakten vergleichen, die z.B. vom britischen »The Guardian« über die Rolle des Westens bei der Organisation und Finanzierung der seinerzeitigen »Orangen-Revolution« in der Ukraine publiziert wurden. Das vorliegende Material ist so umfangreich, daß wir daraus im Folgenden nur wenige Beispiele anführen können.


Erfundene Gerüchte als Waffe

Die Hülle für die Aktivitäten der Opposition hinsichtlich der Präsidentenwahlen sollte eine harmlos klingende Kampagne unter der Bezeichnung »Bürger-Kampagne: Die Wahrheit sagen« (GK GP) bilden. Unter dieser Devise sollten Unterschriften gesammelt und der Schriftsteller Wladimir Neklajew als wichtigster Kandidat der Opposition bekannt gemacht werden.

Daß es in dieser Kampagne nicht ganz so harmlos zuging, zeigt ein Auszug aus dem Plan der GK GP für die Verbreitung von Gerüchten. Darin liest man:

»Eines der Elemente der Kampagne zur Unterstützung des Kandidaten des nationalen Vertrauens soll eine zielgerichtete Produktion von Impulsen für die Verbreitung von Gerüchten werden. (...) Als idealer Informationsträger für eine solche Kampagne dient das Internet, besonders soziale Netze, Blogs, Twitter.

Eine gut durchgeführte Gerüchte-Kampagne zwingt die Macht, sich ständig zu rechtfertigen, erzeugt eine sog. Schuld-Präsumtion der Macht, verstärkt das Niveau des Mißtrauens ihr gegenüber. Eines der Basis-Gerüchte, das im Lauf der ganzen Kampagne eine Rolle spielen soll, ist das Gerücht über einen möglichen Rücktritt Lukaschenkos. Es dienst dazu, die öffentliche Meinung und die Meinung der Elite an die Möglichkeit eines solchen Abgangs zu gewöhnen. Vorgeschlagen werden die folgenden Zyklen von Gerüchten: Gerüchte über die Person Lukaschenko und seine Familie. Gerüchte über den Präsidenten schwächen seine persönliche Position, zerstören sein Image als starker, mutiger und entschlossener Mensch. Hauptrichtungen und Ziele der Kampagne:

Schlechte Gesundheit Lukaschenkos und seiner Familienmitglieder. Lukaschenko läßt sich im Ausland gesundheitlich behandeln und gibt dafür riesige Geldmittel aus.

Das persönliche Kapital Lukaschenkos auf ausländischen Banken. Dies muß hervorgehoben und die Summen sollen dabei ständig erhöht werden.

Zur Wirtschaft. Gerüchte über ökonomische Probleme sollen den Berichten entgegenwirken, daß die Krise das Land fast nicht berührt hat. Effektiv sind folgende Gerüchte:

Die Zahl der Entlassenen wird mit jedem Tag immer größer, neue Entlassungen stehen bevor.

Das Land wird immer billiger verkauft, die Privatisierung der Betriebe vollzieht sich verdeckt und ist in vollem Gange. Die Beamten verkaufen das staatliche Eigentum für Bestechungsgelder an Araber und Chinesen. Die Regierung hat die Forderungen des IWF nicht erfüllt, und der fordert die vorfristige Rückzahlung der Kredite.

Die Sicherheit der größten staatlichen Projekte solle in Zweifel gezogen werden. Beim Bau des Atomkraftwerks wird ein chinesischer Reaktor genutzt, der möglicherweise explosionsgefährdet ist.

Der Atomreaktor des Kernkraftwerks - das sind in Wirklichkeit künftige Raketen, das ist eine Plattform zur atomaren Erpressung...«


Anleitung aus dem Ausland

Über die Leitung der Kampagne heißt es in einer analytischen Notiz der belarussischen Sicherheitsorgane:

Koordiniert wird die Arbeit des Direktorats »Die Wahrheit sagen« aus dem Ausland durch den sog. »kleinen Stab«. Seine Entscheidungen werden dem Direktorat über A. Feduta, der persönlich mit allen Mitgliedern des Stabes bekannt ist, übermittelt. Ein Mitglied des »kleinen Stabes« ist ein Deutscher, der sich Rafael M. nennt, und sich regelmäßig mit den Mitgliedern des Direktorats in den an Belarus angrenzenden Ländern trifft.

Weiter heißt es:

»W. Neklajew kommunizierte am Vorabend des Wahltages mit den Botschaftern Polens, Deutschlands und Schwedens über die Frage der nichtgenehmigten Kundgebung. Er traf sich vor den Wahlen mit E. Busek (Präsident des EU-Parlaments), R. Sikorski (Außenminister Polens), V. Klaus (Präsident Tschechiens) und G. Westerwelle (Außenminister Deutschlands). Bei den Treffen ging es um Hilfe und persönliche Unterstützung für den Kandidaten.

In Rußland traf sich W. Neklajew mit einem Vertreter der Präsidentenadministration, dem er eine Variante für eine Wirtschaftsblockade der Republik Belarus vorschlug. Danach sollten Waren aus Belarus als gesundheitsgefährdend erklärt werden. Das Ziel bestand darin, den Zugang auf den russischen Markt zu behindern und ökonomische Probleme hervorzurufen. Vom 1. bis 2. 9. 2010 besuchten die Führer von »Die Wahrheit sagen« W. Neklajew und A. Feduta Moskau mit dem Ziel der Herstellung von Kontakten mit Mitarbeitern des Präsidenten der RF um finanzielle und methodische Unterstützung für die Kampagne zu erhalten.

Es hat eine Zusammenkunft W. Neklajews und A. Fedutas mit dem Leiter des Internationalen Finanzzentrums Rußlands A. Woloschin stattgefunden, der von 1999 bis 2003 die Administration des Präsidenten der RF leitete. Dabei ging es um eine mögliche Finanzierung der »GK GP« von Seiten des großen Business, zu dessen Interessensphäre der Erwerb großer Industriebetriebe und perspektivischen Baulandes zu minimalen Preisen gehört.


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Quelle:
Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek, 22.01.2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Januar 2011