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RUSSLAND/149: Putin will Prochorow in die Regierung holen (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 11 vom 16. März 2012
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Putin will Prochorow in die Regierung holen
Mögliche Folgen in der Opposition und bei Putin-Wählern

von Willi Gerns


Der designierte russische Präsident Wladimir Putin hat den Oligarchen Michail Prochorow, der bei den Präsidentenwahlen am 4. März überraschend knapp 8 und in Moskau sogar gut 20 Prozent der abgegebenen Stimmen gewonnen hatte, zur Beteiligung an der künftigen Regierung eingeladen. "Michail Dmitrijewitsch (Prochorow) ist eine ernsthafte Persönlichkeit und ein guter Unternehmer", erklärte er vor Journalisten und fügte hinzu, der Milliardär könne "für die Regierung nützlich sein, wenn er es wünscht". Er werde mit dem amtierenden Präsidenten Dmitri Medwedjew, der das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen soll, über die Zusammensetzung des neuen Kabinetts sprechen, kündigte Putin an. Der Oligarch hatte allerdings unmittelbar nach den Wahlen verlautet, dass er nicht beabsichtige unter Präsident Putin in die Regierung einzutreten. Die Offerte Putins gibt den schon seit der Kandidatur des Oligarchen kursierenden Spekulationen neue Nahrung, dass er ein Strohmann Putins sei, auf den möglichst viele oppositionelle Wählerinnen und Wähler orientiert werden sollten, um sie zu neutralisieren und Putins Wahlsieg abzusichern. Es könnte sich in der Tat um einen geschickten Schachzug handeln. Wurde doch Grigori Jawlinski von der eher bürgerlich-liberalen "Jabloko-Partei" nicht zur Kandidatur zugelassen und Prochorow, der aus der rechtsbürgerlichen "Partei der rechten Kräfte" hervorgegangenen ist, und in der Vergangenheit nie durch besonders prononcierte Kritik am Putin-Regime aufgefallen war, als einziger Kandidat der pro-westlich orientierten Opposition und damit sicher auch als "kleineres Übel" für die Bürgerlich-liberalen ins Spiel gebracht.

Wie dem auch sei, in dem Angebot zur Regierungsbeteiligung Prochorows - insbesondere dann, wenn es umgesetzt werden sollte - wird man wohl den Versuch einer Einbindung des rechten Flügels der prowestlichen Opposition und einer Rechtsentwicklung des Putin-Regimes hinsichtlich seiner Wirtschafts- und Innenpolitik sehen können. Das kann auf der einen Seite durchaus dazu beitragen, die Widersprüche und Differenzierungstendenzen im Lager der Anti-Putin-Protestierer, die sich bereits auch aus anderen Gründen abzeichnen (Meinungsverschiedenheiten über die Formen des Protestes, friedlich oder radikaler und die Macht provozierend, Konzentration auf die Gründung von Oppositionsparteien oder außerparlamentarischen Protest u.a.), verstärken, was sehr wohl im Interesse des Regimes ist.

Andererseits können zugleich aber damit auch Probleme in die Reihen des Wählerpotentials Putins getragen werden. Gehörte doch zu den Aspekten, die Putin bei den Präsidentenwahlen 2000 zum Hoffnungsträger für große Teile auch der Arbeiter- und Bauernschaft machten und sein Image prägten, u.a. seine gegen die im Volk verhassten Oligarchen gerichtete Rhetorik. Damals verkündete er, dass er "die Oligarchen als Klasse liquidieren" wolle und jagte einige ihrer Vertreter (Gussinski und Beresowski) aus dem Lande.

Die praktische Politik sah dann bald ganz anders aus und die zitierte Losung wurde durch ein Abkommen ersetzt, dem zu Folge die Oligarchen sich aus der Politik heraus halten müssen und das Regime ihnen dafür die Unantastbarkeit ihres geraubten Eigentums garantiert. Zu den Gründen, die Chodorkowski aus dem Chefsessel seines Oligarchen-Imperiums und der Behaglichkeit seiner Villa ins Straflager verbannten, gehörte, dass er dieses Abkommen verletzt hat. Ansonsten wurde die Oligarchen-Spezi nicht angerührt sondern insbesondere während der Krise, wie in anderen kapitalistischen Ländern auch, mit Milliarden Steuergeldern gestützt. Und jetzt will Putin einen der größten Oligarchen sogar in die neue Regierung holen.

Es ist schwer vorstellbar, dass dies nicht zumindest bei einem Teil der einfachen Menschen unter seinen Wählern Besorgnis und Fragen aufwirft. Aber offenbar hat Putin die bei bürgerlichen Politikern nach ihrer Wahl geltende Devise "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern" tief verinnerlicht und baut darauf, dass er sich seine Amtszeit ja gerade auf sechs Jahre verlängern lassen hat.


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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 44. Jahrgang, Nr. 11 vom 16. März 2012, Seite 11
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. März 2012