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RUSSLAND/150: Duma hat neues Parteiengesetz beschlossen (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 14 vom 6. April 2012
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Ein geschickter Trick des Kremls
Duma hat neues Parteiengesetz beschlossen

von Willi Gerns



Das herrschende Regime in Russland hat das von Noch-Präsident Medwedjew eingebrachte neue Parteiengesetz im Eiltempo durch die Duma gezogen. Die erste Lesung fand am 28. Februar, die zweite am 20. März und die abschließende bereits am 23. März statt. 438 der 450 Abgeordneten, d. h. die Abgeordneten aller im Parlament vertretenen Parteien, haben dem Gesetz zugestimmt. Danach werden u. a. statt der bisher 40.000 Mitglieder nur noch 500 für die Registrierung als politische Partei notwendig sein. Die hohe Hürde für die Mitgliederzahl sowie bürokratische Schikanen hatten dazu geführt, dass es nur sieben registrierte Parteien gibt und seit 2005 vom Justizministerium keine neue Partei zugelassen wurde. Es ist vorgesehen, dass der Föderationsrat, die zweite Kammer des Parlaments, schnell seine Zustimmung gibt, der Präsident das Gesetz dann schnellstmöglich unterschreibt und es mit der Veröffentlichung unverzüglich in Kraft tritt. Die neuen Parteien sollen im Herbst bereits die Möglichkeit haben, an den Regionalwahlen teilzunehmen, die in zehn Regionen stattfinden.

Für diese Eile gibt es zwei wesentliche Gründe. Der eine liegt auf der Hand. Die Proteste nach den gefälschten Duma-Wahlen vom 4. Dezember 2011‍ ‍sind den Herrschenden mächtig in die Glieder gefahren. Sie mussten erkennen, dass ohne gewisse Zugeständnisse an die außerparlamentarische Opposition die Grundfesten ihrer Macht früher oder später in Gefahr geraten könnten. Die neuen Maßnahmen sollen darum der Opposition Wind aus den Segeln nehmen.

Zugleich will man aus der Not eine Tugend machen. So ist der andere Grund für die Eile darin zu suchen, dass die Duma-Wahlen, wie bereits die vorangegangenen Regionalwahlen, die Tendenz eines abnehmenden Einflusses der Kreml-Partei "Einiges Russland" und einer Zunahme des Wählerpotentials der anderen im Parlament vertretenen Parteien derart deutlich gemacht haben, dass dies auch durch massive Wahlfälschungen nicht mehr zu verbergen war. Das neue Parteiengesetz soll darum auch dazu dienen, die Positionen der parlamentarischen Opposition, vor allem die der KPRF als zweitstärkster Fraktion in der Duma, durch Aufsplitterung ihres Wählerpotentials zu untergraben.

Dieses Vorhaben wird von der KPRF und den anderen parlamentarischen Oppositionsparteien heftig kritisiert. Sie befürchten, dass es bald Dutzende, wenn nicht hunderte Kleinstparteien geben wird, die bei Wahlen die Stimmen derjenigen Oppositionsparteien, die den Sprung ins Parlament schaffen, zum Nutzen von "Einiges Russland" reduziert. Sie sehen darin eine neue trickreiche Strategie Putins, um die Opposition auf lange Zeit erneut handlungsunfähig zu machen. Dies umso mehr, als die Bildung von Wahlblöcken aus mehreren Parteien nach wie vor nicht zugelassen werden soll. Auch die Werbung der Parteien in den öffentlichen Medien während des Wahlkampfes, für die jeder Partei paritätisch Sendezeiten zugeteilt werden, wird so zur Farce. Die KPRF hat deshalb für die Registrierung als politischer Partei eine Mindestmitgliederzahl von 5 000 gefordert, was allerdings durch die Dominanz der Abgeordneten der Kremlpartei vom Tisch gewischt wurde.

Was die KPRF betrifft, so steht etwa ein halbes Dutzend kommunistischer Organisationen bereits für die Registrierung auf der Matte, um sich ihre Scheibe vom kommunistischen Wählerpotential abzuschneiden. Dank der verhängnisvollen Aufspaltung der russischen kommunistischen Bewegung wird man sich im Kreml und in der Parteizentrale von "Einiges Russland" schon die Hände reiben. Einen nicht zu unterschätzenden Konkurrenten für die KPRF dürfte auch die ultralinke Linksfront mit ihrem Führer Udalzow darstellen. Udalzow hatte sich und seine Organisation, mit der auch nicht wenige junge Mitglieder und Wähler der KPRF sympathisieren, durch spektakuläre Aktionen und Auftritte während der jüngsten Protestkundgebungen gegen die Wahlfälschungen stark ins Blickfeld gerückt.

Auch in der nationalistisch, konservativ, liberal, sozialdemokratisch und ökologisch-alternativ orientierten bürgerlichen Parteienlandschaft wird mit dem neuen Parteiengesetz die Konkurrenz zunehmen. Neben den bereits registrierten Parteien aus diesem Spektrum wollen mehrere nationalistisch ausgerichtete Organisationen Parteienstatus erlangen. Der Oligarch Prochorow ist nach seinem spektakulären Erfolg bei den Präsidentenwahlen dabei, nun eine eigene Partei zu gründen und auch das Oppositionsbündnis Parnas mit Nemzow als Spitzenfigur bereitet sich auf die Registrierung vor. Gorbatschow hat angekündigt, seine 2007‍ ‍wegen Mitgliedermangels durch Gerichtsbeschluss aufgelöste sozialdemokratische Partei Russlands (SDPR) zu reanimieren. Unterstützen will ihn dabei der Oligarch Lebedjew, der zusammen mit Gorbatschow die kremlkritische Zeitung "Nowaja Gazeta" finanziert. Und an der grünen Flanke hat der Führer der Umweltbewegung "Grüne Alternative", die in 44 Regionen aktiv ist, vor, auf dieser Basis eine "Allianz der Grünen Volkspartei" zu gründen.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 44. Jahrgang, Nr. 14 vom 6. April 2012, Seite 10
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. April 2012