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FRAGEN/007: Sehr viel kürzer geht's nicht - Sparmaßnahmen im sächsischen Hochschulbereich (TU Dresden)


Dresdner UniversitätsJournal Nr. 11 vom 17. Juni 2014

Sehr viel kürzer geht's nicht
Interview mit Diana-Victoria Menzel, Sprecherin der KSS

Von Eric Hattke



Gegen die geplanten Sparmaßnahmen im sächsischen Hochschulbereich: Die Studentenräte der TU Dresden und der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden rufen alle zur Teilnahme an der Großdemonstration am 25. Juni 2014 in Leipzig auf


Mitten in die Vorbereitungen zur Großdemonstration der Studenten platzte die erfreuliche Nachricht, dass Sachsen einen Zusatzfond für Hochschulen gründen und einen Großteil der bisherigen Bafög-Gelder - rund 57 Millionen Euro jährlich - den Hochschulen für Großgeräte, Baumaßnahmen, Nachwuchswissenschaftler und neue Studiengänge zugutekommen lassen wird. Das ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung, doch der geplante Stellenabbau und auch die Unterfinanzierung der Studentenwerke sind damit nicht vom Tisch. Die Studenten halten deshalb an ihren Plänen für die Demo fest. Die Konferenz Sächsischer Studierendenschaften (KSS) ruft zu einer Großdemonstration für den 25. Juni in Leipzig auf. Rückenwind erhalten die Studenten von der TUD-Spitze. "Genau wie der Senat unterstützt auch die Universitätsleitung das Anliegen der Studenten, sich für eine angemessene Ausstattung der Universitäten einzusetzen", so der Rektor der TU Dresden, Prof. Hans Müller-Steinhagen. "Die Mitglieder der Universitätsleitung teilen die Sorge der Studenten, dass ein weiterer Stellenabbau an Sachsens Universitäten und Hochschulen dramatische Folgen für die Qualität der Lehre und Forschung zur Folge hätte. Sie sehen diese Demonstration als einen Appell an die Politik, die mühsam erkämpften Erfolge der vergangenen Jahre in Lehre und Forschung nicht durch Kürzungen der Ressourcen zunichte zu machen."

Zu den Hintergründen der Demonstration befragte das UJ die Sprecherin der Konferenz Sächsischer Studierendenschaften (KSS), Diana-Victoria Menzel:


UJ: Mit der Demonstration am 25. Juni 2014 sind laut Aufruf auch Forderungen verknüpft. Lassen Sie uns darauf im Einzelnen eingehen: Was hat es mit den 1042 Stellenstreichungen auf sich?

Diana-Victoria Menzel: Diese Stellen wurden 2010 per Landtagsbeschluss über eine schwarz-gelbe Mehrheit auf den Weg gebracht. Es handelt sich hierbei um das Kürzungsdiktat, das den sächsischen Hochschulen oktroyiert wurde: Bis 2020 müssen insgesamt 1042 Stellen an sächsischen Hochschulen gekürzt werden, was insbesondere in Leipzig zur Folge hat, dass die Institute Pharmazie, Archäologie und Theaterwissenschaft dem Rotstift zum Opfer fallen. Gerechtfertigt wird dieser Schritt mit der Prognose der Kultusministerkonferenz (KMK), die von einer stetigen Abnahme der Studentenzahlen an den sächsischen Hochschulen ausging. Diese Annahmen sind jedoch nicht eingetreten. Ganz im Gegenteil! Die Studentenzahlen an den sächsischen Hochschulen blieben auf einem konstant hohen Niveau. Die jüngste Vorausberechnung der KMK zeigt, dass sich dieser Trend mittel- bis langfristig fortsetzen wird. Über die Medien ließ sich ja in den zurückliegenden Wochen und Monaten verfolgen, dass insbesondere die Studenten den Beschluss von 2010 nicht nachvollziehen können und sich dagegen wehren.


UJ: Doch die TU Dresden bleibt ja aufgrund ihres Exzellenzstatus von Stellenkürzungen verschont, oder ...?

Diana-Victoria Menzel: Aber nur bis zum Jahr 2017! Danach - so ist es zum Beispiel im Stellenentwicklungsbericht zum Haushaltsplan 2013/14 nachlesbar - wird auch die TU Dresden über einen wahnwitzig kurzen Zeitraum von drei Jahren 95 Stellen kürzen müssen. Man muss nicht das Orakel von Delphi sein, um zu ahnen, dass auch hier ein paar Institute in Frage gestellt werden müssten ... Zudem laufen bis 2020 diverse Pakte aus, über die ebenfalls sachsenweit Stellen im Hochschulbereich finanziert werden.


UJ: Aber das alles ist doch eine Frage der Finanzierung durch den Freistaat Sachsen. Inwiefern gehen Sie in Ihren Forderungen darauf ein?

Diana-Victoria Menzel: Wir fordern vom Freistaat ein Umdenken in der Grundfinanzierung der sächsischen Hochschullandschaft, die derzeit weit unter dem Bundesdurchschnitt rangiert. Dieser Zustand ist, gemessen am Anspruch einer sächsischen wettbewerbsfähigen Wissenschaftsregion, nicht haltbar! Auch der ständige Verweis auf die hohen Drittmitteleinwerbungen durch die schwarz-gelbe Koalition hinkt dahingehend, dass diese nur für die Forschung, nicht aber im Bereich der Lehre verwendet werden dürfen. Und hier muss endlich ein Umdenken vollzogen werden: Es kann nicht sein, dass die forschungsstarken Bereiche für den Technologiestandort Sachsen hervorgehoben werden, die sogenannten "Orchideenfächer" dagegen vom Aussterben bedroht sind. Es wird massiv auf das Leistungsprinzip gesetzt, statt eine flächendeckende Ausfinanzierung aller Wissenschaftsbereiche sicher zu stellen. Wir fordern daher die Anhebung der Grundfinanzierung von derzeit 6.350 Euro auf den Bundesdurchschnitt von 6.830 Euro pro Student.


UJ: Außerdem fordern Sie die Erhöhung der Zuschüsse für die sächsischen Studentenwerke auf 11,8 Millionen Euro. Wie kommen Sie auf diesen Betrag?

Diana-Victoria Menzel: Die vier sächsischen Studentenwerke leisten einen wichtigen Beitrag zur Aufrechterhaltung der sozialen Infrastruktur in der sächsischen Hochschullandschaft. Doch die Zuschüsse seitens des Freistaates stagnieren derzeit bei 5,9 Millionen Euro. Als Berechnungsgrundlage dienen Prognosen zur Entwicklung der Studentenzahlen, die jedoch an der Realität vorbeigingen. Das SMWK orientierte sich an sinkenden Zahlen, während bis heute konstant hohe Zahlen erreicht werden, derzeit studieren laut Statistischem Landesamt etwa 113.000 Menschen in Sachsen. Jedoch zeigt sich, dass gerade die Studentenwerke in Sachsen zu Zeiten mit nur 70.000 Studenten (im Jahr 2001) noch stärker bezuschusst wurden als aktuell. Und damit geht einher, dass die Erwartungshaltung groß ist - sowohl seitens schwarz-gelb (vgl. Paragraph 109 Sächs. HSFG) als auch seitens der Studenten - jedoch viele Leistungen nicht finanziell gedeckt werden können über die Zuschüsse des Landes. Das hat wiederum zur Folge, dass die Essenspreise in den Mensen steigen, zum Vergleich die Daten zur Mensa Bergstraße: Im Wintersemester 2008/09 haben Studenten für ihr Essen im Durchschnitt 1,97 Euro gezahlt. Mittlerweile muss zum Wintersemester 2013/14 der Anstieg auf 2,28 Euro verzeichnet werden. Ganz zu schweigen von den Hochschulbediensteten, die im Schnitt derzeit 3,66 Euro zahlen müssen und somit mehr als sächsische Landesbedienstete in ihren Kantinen.


UJ: Ist denn diese Großdemonstration vor der Landtagswahl die einzige Inititative seitens der Studierendenschaft?

Diana-Victoria Menzel: Mitnichten. Bis zum 8. August haben alle die Möglichkeit, unsere Petition zu unterzeichnen, die wichtige Hauptforderungen beinhaltet. Wir sind uns außerdem darüber im Klaren, dass wir die vergangene Legislatur und die Beschlüsse des Sächsischen Landtags vor dem Wahltermin am 31. August 2014 thematisieren müssen, denn vieles war nicht im Sinne der Studentenschaft. Wir erinnern an dieser Stelle mahnend an die Novellierung des Sächsischen Hochschulfreiheitsgesetzes 2012, die viele Probleme für die Studentenschaft mit sich brachte. Um uns einen Überblick zu verschaffen, wie das Thema Hochschulpolitik in der kommenden Legislatur bei den Parteien platziert wird, haben wir diesen einen entsprechenden Fragenkatalog formuliert und übersandt. Die Rücksendungen wurden bereits ausgewertet. Die Antworten werden wir der (studentischen) Öffentlichkeit in der Zeit zwischen Demo und Landtagswahl präsentieren. Ziel ist es jedoch nicht, das Wahlverhalten zu beeinflussen, sondern aufzuklären. Außerdem ist der Nichtwähleranteil auch unter Studenten leider noch sehr hoch. Wir hoffen über unsere Kampagne einen Beitrag zu leisten, diese auch zum Urnengang zu ermuntern.


Weitere Informationen:
http://www.kss-sachsen.de

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Quelle:
Dresdner UniversitätsJournal, 25. Jg., Nr. 11 vom 17.06.2014, S. 3
Herausgeber: Der Rektor der Technischen Universität Dresden
Nöthnitzer Str. 43, 01187 Dresden
Telefon: 0351/463-328 82
Telefax: 0351/463-371 65
E-Mail: uj@tu-dresden.de
Internet: www.tu-dresden.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juni 2014