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MELDUNG/001: Zur aktuellen Lage des Studentenstreiks an deutschsprachigen Universitäten, 12.11.09


Zur aktuellen Lage des Studentenstreiks an deutschsprachigen Universitäten - 12. November 2009


Hamburg brennt!
Datum: Donnerstag, 12. November 2009 12:56

Die erste Nacht ist geschafft - Hamburg brennt weiter! Seit gestern 16 Uhr ist das Audimax der Universität Hamburg friedlich besetzt. Projektgruppen sind entstanden, die Verpflegung durch eine Volxküche ist gesichert. Bands und andere Künstler_innengruppen haben sich für ein Rahmenprogramm bereit erklärt.

Erste Forderungen wurden formuliert. Unter anderem wurde die Demokratisierung der Uni, Gebührenfreies Studium und eine Durchlässigkeit des Bildungssystems gefordert (Ausführlicher Forderungskatalog im Anhang). Speziell bei der Besetzung der vakanten Präsident_innenposition wurde ein demokratisches Verfahren angemahnt. Gerade Presseberichte über eine mögliche Nachfolge durch den jetzigen Präsidenten der Freien Universität Berlin Dieter Lenzen sind in diesen Zusammenhang kritisch zu sehen.

Die heute ursprünglich vorgesehenen Vorlesungen fanden nicht statt. Einzelne Professoren haben sich solidarisch erklärt und angeboten, alternative Vorlesungen unter dem Motto "Bildung für Alle" abzuhalten.

Unsere Solidarität gilt den besetzenden Studierenden der anderen Universitäten europaweit, speziell den Studierenden in Tübingen, deren Besetzung heute mit Gewalt beendet wurde.

Das nächste Plenum findet Donnerstag, den 12.11.2009 abends statt.

Quelle:
"Hamburg Brennt"
Telefon: 0175/8132363
E-Mail: hamburgbrennt@gmx.de


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Forderungen des Plenums der Besetzer_innen des Audimax an der Uni Hamburg am 12.11.09, 12:00


1. Die Hochschulen sind Teil der Gesellschaft.

Derzeit findet ein Umbau der gesamten Gesellschaft nach neoliberalen Gesichtspunkten statt. Alle gesellschaftlichen Zusammenhänge (bspw. das Gesundheitssystem (Asklepios), der öffentliche Nahverkehr und jetzt auch Bildung ("Unternehmen Universität") sollen zur Ware gemacht, auf "den Markt" hin ausgerichtet - und mit Hilfe der Disziplinarmacht der Verwertungslogik "des Marktes" untergeordnet werden. All diese Entwicklungen werden im herrschenden Diskurs als alternativlose Sachzwänge dargestellt.

Nach dieser Vorstellung soll das "survival of the fittest" - das Durchsetzen der Best-Angepassten in allen gesellschaftlichen Bereichen gelten. -> Jede_r soll sich zur (immer wieder neu) angepassten Ich-AG machen. Ausbeutung von Menschen durch Menschen wird als naturgegeben gesehen, "Freiheit" besteht nach dieser Logik darin, "das Spiel" "des Marktes" anzunehmen und bereitwillig mitzuspielen. Demokratische Teilnahme und Teilhabe sollen keine Rolle mehr spielen, da sie der oben beschriebenen Umstrukturierung im Wege stehen.



2. Aufgabe von Bildung und Wissenschaft:

Dem stellen wir unser Verständnis von Gesellschaft entgegen, dass sich an Kooperation und Solidarität, gemeinsamer Entwicklung, Freiheit und (Basis-)Demokratie orientiert. Die Universität muss sich wie im Leitbild der Universität (derzeit noch) festgeschrieben an den Zielen Frieden und Humanismus für das Wohl der Menschen orientieren.

• aus dem Leitbild der Uni Hamburg:
"Wissenschaftliche Freiheit in gesellschaftlicher Verantwortung: Die Mitglieder der Universität wollen [...] zur Entwicklung einer humanen, demokratischen und gerechten Gesellschaft beitragen und Frauen und Männern gleichen Zugang zu Bildung und Wissenschaft eröffnen."

Dieser Anspruch muss bei uns an der Uni realisiert und verteidigt werden.


3. Forderungen:

Wir fordern die umfassende Demokratisierung der Bildungseinrichtungen.
Wir fordern die Abschaffung des undemokratischen Hochschulrats.
Wir fordern freie und verantwortungsbewusste Bildung zu mündigen Menschen statt Ausbildung für Markterfordernisse als Ziel der Universitäten.
Wir fordern die Abschaffung der Studiengebühren!
Wir fordern die Abschaffung des jetzigen proprietären Kontroll- und Studienbehinderungssystems StiNE!
Das Bachelor-/Master-System muss fachspezifisch grundlegend und nachhaltig in ein bildungsfreundliches Studiensystem umgewandelt werden. Konkret bedeutet dies: Stop der Anwesenheitskontrollen, schnellstmögliche Reduzierung der Prüfungsdichte, interessenorientierte interdisziplinäre Wahl der Lehrveranstaltungen.
Wir fordern eine Strukturierung der Universität, in der die Einheit von Forschung und Lehre, sowohl auf Seiten der Lehrendenden als auch der Studierenden beinhaltet ist. Diese entwicklungsorientierte Einheit ist konstitutiv für ein egalitäres Verhältnis der Lehrenden und Lernenden.
Wir fordern nachdrücklich eine öffentliche Diskussion um / und eine demokratische Wahl der nächsten Uni-Leitung. Die intransparente und "retro-feudale" Einsetzung einer Präsidentin / eines Präsidenten von Oben muss sofort beendet werden. -> Dieter Lenzen - No Go!!!!!
Wir fordern die Umwandlung aller Beschäftigungsverhältnisse an der Uni in nicht-prekäre d.h. menschenwürdige Tätigkeiten [...] mit angemessenem Auskommen [...].
Wir fordern einen freien Hochschulzugang und die bedarfsdeckende Ausfinanzierung der Bildungseinrichtungen. ("Geld für Bildung statt für Banken")
Wir fordern die Eigenständigkeit der HWP und die Übertragung der dort positiv realisierten Studienbedingungen (ins Besondere soziale Öffnung der Hochschulen Interdisziplinarität etc.) auf die gesamte Universität.
Wir fordern den Verbleib der Uni am bisherigen Ort. Kein Umzug in die HafenCity!


4. Recht auf freie Bildung, Recht auf Stadt:

Wir solidarisieren uns mit allen emanzipatorischen Bewegungen. Konkret in Hamburg mit der Initiative "Recht auf Stadt" (Gängeviertel, Rote Flora, Frappant, No-BNQ u.v.m), die sich unter anderem gegen die Durchökonomisierung der Stadt wendet.
Die Universität wird in den Plänen des Hamburger Senats ("Wachsende Stadt") ebenfalls nur als als Standortkapital der "Marke Hamburg" verstanden. Wir wenden uns gegen diese Idee einer Stadt als "Marke". Stadt als Gemeinwesen. Uni als Ort der (Basis-)Demokratie!

Für eine emanzipatorische phantasievolle Perspektive unseres Zusammenlebens!

Quelle:
"Hamburg Brennt"
Telefon: 0175/8132363
E-Mail: hamburgbrennt@gmx.de


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TU Hamburg-Harburg erklärt sich mit Uni-Besetzungen solidarisch
Datum: Donnerstag, 12. November 2009 11:09

Die Solidaritätserklärung der Studierenden der TU Hamburg-Harburg zu der Besetzung des Audimax der Uni Hamburg, anderer Hochschulen in Deutschland und in anderen Ländern wurde auf der heutigen Sitzung des Studierendenparlaments mit großer Mehrheit verabschiedet.


Solidaritätserklärung des Studierendenparlaments der TUHH

Wir, die verfasste Studierendenschaft der TU Hamburg-Harburg, solidarisieren uns mit der aktuellen Bewegung von Hörsaalbesetzungen an vielen Hochschulen z.B. in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Wir unterstützen dabei insbesondere die Studierenden, die zur Stunde das Audimax der Universität Hamburg besetzen.

Diese von einer breiten Masse getragenen Proteste sind eine konsequente und legitime Reaktion auf die wachsenden Missstände im Bildungssystem der einzelnen Länder. In Deutschland wird damit direkt am Bildungsstreik vom Sommer diesen Jahres angeknüpft.

Wir unterstützen ausdrücklich die Forderungen der Besetzenden. Insbesondere:

ein gebührenfreies Studium
freien Zugang zu Hochschulen und hierzu einen angemessen Ausbau sowie die vollständige öffentliche Finanzierung der Hochschulen
Unabhängigkeit der Forschung und Lehre von privatwirtschaflichen Interessen
die umfassende Überarbeitung der misslungenen Bachelor-Master-Umstellung und die Rücknahme der damit verbundenen Verschulung des Studiums
(Re)Demokratisierung der Hochschulen

Gerade hier in Harburg wird ganz besonders deutlich, wie absurd die Studiengebühren sind. Mit dem neuen Hauptgebäude wird ein Prestigeprojekt der TU mit 5 Mio. Euro aus Studiengebühren finanziert. Damit wird die bundesstaatliche Aufgabe des Hochschulbaus unter dem Deckmantel der Verbesserung der Lehre auf die Studierenden abgewälzt. Gleichzeitig werden an vielen Stellen systematisch Mittelkürzungen durch Studiengebühren kompensiert.

Wir fordern die betroffenen Hochschulleitungen und Politiker auf die Besetzungen als das zu sehen, was sie sind: eine politische Meinungsäußerung und Handlungsaufforderung von wütenden Studierenden, die im öffentlichen Interesse handeln! Wir verurteilen alle Versuche, mit juristischen Mitteln der inhaltlichen Auseinandersetzung auszuweichen, wie zuletzt mit den Räumungen in Münster und Marburg geschehen.

Quelle:
AStA TU Hamburg-Harburg
Schwarzenbergstraße 95, 21073 Hamburg
Telefon: ++49 (40) 428 78 - 25 63
E-Mail: praesidium@asta.tu-harburg.de


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Quelle:
Pressemitteilungen vom 12. November 2009
"Hamburg Brennt"
Telefon: 0175/8132363
E-Mail: hamburgbrennt@gmx.de
Internet: http://hamburgbrennt.blogspot.com/


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. November 2009