Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → ERNÄHRUNG

BERICHT/037: Im Angesicht der Saatgut-Bürokratie (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 321 - April 2009
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Im Angesicht der Saatgut-Bürokratie

Ein Erfahrungsbericht von der Konferenz der EU-Kommission
zur Sicherstellung der Saatgutverfügbarkeit

Von Gerhard Portz, Bauer aus Bekond (RlP)


Es hat den Anschein, dass die Züchter der EU Druck machen, um das Saatgutrecht zu verändern. Die Verfügbarkeit von Saatgut im 21. Jahrhundert und das Sichern von Rechten ist dabei das große Thema. Ich als Bauer von der Mosel werde erst einmal von all den Redewendungen und englischen Ausdrücken, die nicht übersetzt werden können, fast erschlagen. Es geht um alle Samen, Pflanzen, Bäume, Stecklinge usw.. Hier möchte man eine Vereinfachung der Gesetze. Doch bei jeder Veränderung des Saatgutrechts hat bisher die Gilde der Saatgutindustrie Verschärfungen zu ihren Gunsten durchgesetzt. Der Generalsekretär der ESA (European Seed Association), Garlich von Essen, meinte denn auch, die von ihr vertretenen Züchter seien "die besten Player im globalen System". Sie könnten die Ernährung sichern, dafür müssten ihre Rechte gestärkt werden, und "die Bauern wollen nur gute Sorten". Robert Madelin, Generaldirektor der Abteilung für Verbraucherschutz der EU Kommission, machte den Züchtern in seiner Eröffnungsrede große Hoffnung, dass die Umsetzung eines neuen Saatgutrechtes schnell möglich sei und schon nach der ersten Lesung abgeschlossen sein könnte. Doch dieser Zahn wurde ihm vom Vizepräsidenten des EU-Agrarausschusses Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf gezogen, indem er geschickt konterte: "Bei der letzten Änderung der Saatgutverkehrsgesetze in den 90er Jahren hat das Europäische Parlament, obwohl es nicht in der Mitentscheidung war, durch Rück-Überweisung des Themas an den Agrarausschuss Verhandlungen mit Rat und Kommission erzwungen und sehr wohl Einfluss genommen."


Noch Potential?

Die wirtschaftliche Bedeutung des Saatgutmarktes liegt zurzeit bei 36 Mrd. US-Dollar weltweit. Der größte Markt ist Asien mit 10 Mrd., gefolgt von der EU mit 9 Mrd. US-Dollar. Der Wert des Bauernsaatgutes ist darin nicht enthalten, er wird auf 20 Mio. US-Dollar geschätzt. Hier sieht die internationale Züchter- und Saatguthandelsorganisation ISF noch ein riesiges Wachstumspotenzial. Dieses möchte Bernard Le Buanec, ehemals Hauptgeschäftsführer der ISF, den Züchtern zu Eigen machen. So könnte man die Produktivität erhöhen. Weltweit gibt es 1,5 Mrd. ha Ackerfläche, in der EU 110 Mio. ha Ackerfläche und man möchte in den nächsten 5-10 Jahren weltweit weitere 200 Mio. ha, hauptsächlich in Afrika und Südamerika, dazu gewinnen. Die Frage drängt sich auf, wie die Umwelt dies verkraften kann. Es ist wichtig, dass die Gesundheit der Pflanzen, der Menschen und auch der Tiere im Mittelpunkt steht, denn letzten Endes geht es ja darum, gesunde Lebensmittel zu haben. So betrifft die mögliche Veränderung des Gesetzes neben denen, die nur monetär profitieren wollen, vor allem die Verbraucher und die Bauern. Wir Bauern haben die Welt seit 10.000 Jahren mit gesunden Lebensmitteln versorgt. Doch wie sieht dies bei GMO-Lebensmitteln aus? Es muss darauf geachtet werden, dass eine gentechnikfreie Züchtung möglich bleibt.


Der Prozess läuft...

Dies sieht der Generaldirektor der EU-Kommission für öffentliche Gesundheit und Verbraucherschutz, Eric Poudelet, ähnlich. Er sagte zum Abschluss, biologische Vielfalt müsse erhalten bleiben und die biologische Landwirtschaft dürfe man nicht ersticken. Je nach Land beträgt sie zurzeit 5-15% der Landwirtschaft und sie soll in naher Zukunft in der EU auf 15-20% steigen. Der Aktionsplan für den neuen Gesetzesentwurf soll bis Mitte 2009 erstellt werden. Danach wird eine Folgenabschätzung mit verschiedenen Optionen verfasst werden, wozu Regierungen und Verbände gehört werden. Ein Gesetzesvorschlag soll bis ca. 2011 vorliegen, dann werden Rat und Parlament darüber diskutieren. Der Gesetzgebungsprozess kann sich also noch hinziehen...

Ich bin der Meinung, solange es Menschen gibt, die Nahrung benötigen, werden sich immer Bauern und Züchter finden, die sich verantwortungsvoll für die Ernährung der Menschen und Tiere einsetzen. So wird unsere Erde weiterleben, auch ohne die industriellen Züchter, die jetzt die Macht übernehmen wollen.


*


Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 321 - April 2009, S. 15
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de

Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,00 Euro
Abonnementpreis: 36,00 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juni 2009