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BERICHT/059: Die Macht von Europlant, Norika, Saka und Co. (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 326 - Oktober 2009
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Die Macht von Europlant, Norika, Saka und Co.
Pflanzkartoffel-Vermehrer brauchen eine Interessenvertretung

Von Eckehard Niemann


Die Kartoffelpreise sind angesichts guter Ernten auch in diesem Jahr wieder unter Druck. Kartoffelbauern protestieren bereits gegen die Versuche von Handelsketten, diese Marktsituation durch Dumpingpreise für Speisekartoffeln auszunutzen. Die Erzeuger von Pflanzkartoffeln leiden zusätzlich unter der Macht der Zuchtkonzerne.


Kartoffel-Vermehrer in Unsicherheit

Speisekartoffeln werden aus Pflanzkartoffeln (Saatkartoffeln) erzeugt. Die geforderte Freiheit von Kartoffelkrankheiten führt zu erheblichen Kosten für Kontrolle und Anerkennung und vor allem zu hohen Pflanzenschutz-Aufwendungen (Insektizide gegen die Übertragung von Viruskrankheiten durch Blattläuse, vorzeitiges Abtöten der Bestände gegen den Befall durch späten Läuseflug). Auch müssen die Pflanzgut-Erzeuger nicht maximale Erträge anstreben, sondern vor allem einen möglichst hohen Anteil mittelgroßer Knollen, Denn "Über- und Untergrößen" lassen sich schlecht pflanzen, und ein Gemisch allzu unterschiedlicher Größen wäre für den späteren Speisekartoffel-Erzeuger teurer und anbautechnisch schwieriger. Auch Sortierung und Lagerung fordern höhere Aufwendungen und eine hohe Qualifikation von "Pflanzkartoffelprofis", die sich außerdem durch hohe Investitionen (Maschinen, Kartoffelhallen, Kisten, Beregnung) langfristig an den Kartoffelbau und auch an den Pflanzkartoffelbau binden. Deshalb brauchen Pflanzkartoffel-Bauern noch stärker als alle Kartoffelbauern kostendeckende und verlässliche Preise. Dafür könnten die Zuchtunternehmen sorgen, die den Pflanzkartoffelsektor von zwei Seiten im Griff haben: Sie beliefern die Pflanzkartoffelerzeuger (Vermehrer) mit dem von ihnen gezüchteten Basispflanzgut bzw. mit Pflanzgut bestimmter Anbaustufen - wobei sie die Preise dafür vorgeben ebenso wie die Mengen und Preise, zu denen der Pflanzguterzeuger seine Ernte später im Herbst oder im nachfolgenden Frühjahr an die Speisekartoffel-Erzeuger abgeben darf. Natürlich haben auch Züchter Investitionen und Aufwendungen, auch bleibt die Unsicherheit über die Ungunst oder Gunst der Abnehmer hinsichtlich der unterschiedlichen Sorten - aber die Züchter setzen die Rahmenbedingungen einseitig zu ihrem Vorteil und wälzen das Risiko auf die Landwirte ab.


Europlant, Norika und Saka

Mittlerweile gibt es nur noch drei große deutsche Zuchtunternehmen, die auch den Absatz von Kartoffeln weitgehend in der Hand haben:

Da ist einmal die EUROPLANT, die der Familie Böhm und der Nordkartoffelzucht GmbH (Raiffeisen Central Heide, Vereinigte Saatzuchten Ebstorf-Rosche, Stader Saatzucht) gehört. Sie kontrolliert etwa 50 Prozent der Vermehrungsfläche, exportiert über eine eigene Firma in mehr als 35 Länder, vermehrt auch im Ausland (Frühkartoffeln) und vermarktet Kartoffeln (für Speisesektor, Ernährungs- und Stärkeindustrie) über Tochterfirmen wie Krohn, Kartoffelkontor oder die Agrata-Abpackbetriebe.

Zweiter im Sektor mit ca. 15 Prozent ist die NORIKA, die mehreren Kartoffelverarbeitern gehört (Intersnack, Lorenz, Nähr-Engel, Stöver u.a.) und auch zu einem großen Anteil speziell die dafür benötigten Sorten vermehren lässt und vermarktet (z.T. über die liierte Firma Hanoka).

Etwa gleichgroß ist die SAKA, maßgeblich bestimmt durch die Putenzucht-Firma von Kameke. Der Export läuft über die Firma Solana, der Kartoffelhandel über die Abpackbetriebe "Böhmer".


Abhängigkeit und Undurchsichtigkeit

Diese Macht nutzen die Kartoffelzüchter (zugleich Händler) aus: Sie schätzen und verteilen vorab die Vermehrungsflächen, ohne Einfluss der Landwirte und oft so hoch, so dass viele Erzeuger später auf 40 bis 50 Prozent ihrer Kartoffeln sitzen bleiben. Die Züchter sind zur Abnahme nicht verpflichtet. Sie geben den Pflanzguterzeugern aber vor, an wen sie zu welchem Preis das Pflanzgut abgeben dürfen bzw. müssen. Die Preise werden meist gepoolt mit den nicht abgesetzten Mengen - jede Transparenz und Nachprüfbarkeit darüber fehlt den Bauern. Für nicht absetzbare Pflanzkartoffeln gilt zudem bis zu einem vom Züchter gesetzten Termin ein Verbot für alternative Vermarktung (bspw. als Speisekartoffel).

Für den Erzeuger sind neben den - sortenweise sehr unterschiedlichen - Herbst- und Frühjahrspreisen auch die Anteile des Verkaufs als Pflanzkartoffeln entscheidend für die Rentabilität. Nominell etwa 70 Prozent des Verkaufspreises, real wegen der Poolung eher 50 Prozent von den Erlösen der Züchter bekamen die Vermehrer früher. Über den heutigen, sicher viel niedrigeren Anteil herrscht keine Markttransparenz. Die Vermehrer sind durch Vermehrungsverträge längerfristig gebunden, die ihnen von den Züchtern oft einfach fertig zugeschickt und diktiert werden. Angesichts von nur noch drei Züchterhäusern gibt es auch nur noch begrenzte Möglichkeiten des Wechsels. Dazu passt die Strategie der Züchter, die bisherigen Vermehrer-Organisationen (VOs) - wie z.B. regionale Genossenschaften - nicht mehr in der Vergabe und Verrechnung gegenüber den Landwirten zwischenzuschalten.


Interessenvertretung aufbauen

Viele Bauern fühlen sich angesichts dieser Verhältnisse "wie die Maus in der Falle" und sogar als "Sklaven der Züchter" - so eine Fachzeitschrift. Eine Markttransparenz wollen die Züchter und deren Lobby-Organisation Bundesverband der Deutschen Pflanzenzüchter verhindern, ebenso eine effektive Interessenvertretung der Vermehrer. Wer sich auflehnt, wird oft mit schlechten Absatzquoten bestraft. Die Posten etlicher Bauernverbands-Funktionäre (allen voran DBV-Vizepräsident Werner Hilse) in Vorständen, Aufsichtsräten und Beiräten diverser Unternehmen und Verbände der Kartoffelwirtschaft scheint eine Interessenvertretung der Landwirte eher zu hemmen als zu fördern. Auch die "Saatzucht-Erzeuger-Gemeinschaften" (SEGs) erfüllen diese Erwartung nicht, meist platzieren die Züchter ihnen genehme Vermehrer in den Gremien. Einige Vermehrer haben - im Wissen um den Wert ihrer schwer austauschbaren Professionalität - mittlerweile eigene Verbände gegründet. Andere haben durchgesetzt, dass sie selbst direkt in Verbindung mit den späteren Pflanzgutkäufern treten dürfen. "Das Ziel muss sein", so ein Vermehrer, "dass wir diese direkten Beziehungen zu unseren Abnehmern auch ohne Genehmigung der Züchter aufnehmen können - dann könnte man den Anbau und die Sortierung auch speziell nach deren Anforderungen und zu beiderseitigem Nutzen ausrichten." Gegen eine gezielte Sortierung z.B. aber wehren sich die Züchter noch, weil ihre Umsätze beim Verkauf großer Kartoffeln steigen. Erfolgreich wehren sich viele Erzeuger gegen die Verpflichtung, ihre Buchhaltung mit Produktions- und Kostendaten gegenüber den Züchten offen zu legen - dieses Wissen würden diese zu weiterem Preisdruck nutzen. Und schließlich hat auch der erfolgreiche Kampf der IG Nachbau gegen Europlant und für die Erhaltung der Sorte Linda Zeichen gesetzt.

Die Parteien müssen rasch neue Rahmenbedingungen beim Saatgutverkehrsgesetz und Sortenschutzrecht setzen. Es gilt auch zu verhindern, dass Chemie- und Gentechnik-Konzerne diesen Sektor beherrschen. Die meisten Züchter betreiben bereits Gentechnik-Forschung im In- und Ausland und kooperieren dabei mit ausländischen Züchtern. Auch die BASF will für ihre Gentechnik-Stärke-Sorte Amflora die Zulassung erzwingen. Die KWS-Gruppe will jetzt mit der holländischen van-Rijn-Gruppe gentechnisch veränderte Knollen - zunächst - auf ausländische Märkte liefern.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 326 - Oktober 2009, S. 19
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. November 2009