Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → ERNÄHRUNG

BERICHT/094: Besuch bei der Kleinbauernorganisation UNOSJO in Mexico (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 332 - April 2010
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

"Entre Campos" - Von Bauer zu Bauer
Das "Bündnis Gentechnikfreies Hohenlohe" besucht die Kleinbauernorganisation UNOSJO in Mexico.
Bericht einer Reise in die Wiege des Mais

Von Bettina Hoyer


Noch ein wenig aus der Puste stehen die Hohenloher an einem Steilhang im Örtchen Santa Gertrudis in einem Maisfeld. Es ist heiß am späten Nachmittag. Sie lassen sich von einem Bauern der indigenen Gruppe der Zapoteken die dortige Anbauform zeigen. Zwischen den Maispflanzen wachsen auf diesem halben Hektar Land auch Kürbisse und Bohnen. Dieser Mischfruchtanbau (Milpa) ist typisch für Mittelamerika und wird seit Jahrhunderten so gepflegt. Ob er noch andere Felder habe, wird der Bauer gefragt. Da streckt er seinen Arm aus und weist auf den gegenüberliegenden Berg. Täglich acht Stunden arbeitet er auf dem Feld. Ohne schweres Gerät, ohne Maschinen.

"Ihr müsst sehen, wie wir hier leben, um zu verstehen, was es bedeutet, den Mais zu verteidigen", hatte Aldo González von der mexikanischen Partnerorganisation UNOSJO zu den Mitgliedern vom Bündnis Gentechnikfreies Hohenlohe gesagt, als er sie eingeladen hatte. Eine 18-köpfige Gruppe aus konventionellen und Demeterbauern, Aktivisten aus Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen, Landfrauen und ein Händler von Wildblumensaaten aus dem Bündnis folgte Anfang Februar diesem Aufruf in die Sierra Juárez. Knapp zwei Wochen sind sie in Mexiko unterwegs. Mitten in den Bergen. Im Dschungel. In einem Dorf ohne Stromversorgung. In der Mega-City Mexiko-Stadt. Immer auf den Spuren des Mais.


Das Erbe der Vorfahren

Über mehrere tausend Jahre hinweg züchteten indigene Völker in Mittelamerika aus dem unscheinbaren Süßgras Teosinte den Mais, wie er heute in Mexiko zu finden ist: Blau, hellgelb, weiß, dunkelrot oder buntgesprenkelt leuchten die Maiskolben. Rund 60 Sorten und 200 Herkünfte gibt es in der Region. Das Saatgut gewinnen die Bauern dabei traditionell aus der eigenen Ernte. Dem Erhalt dieser Vielfalt des Mais, der in Subsistenzwirtschaft angebaut wird, hat sich der indigene Dachverband UNOSJO mit Sitz in Guelatao, im Bundesstaat Oaxaca, verschrieben: Die Organisation arbeitet in der Sierra Juárez mit 18 Gemeinden des indigenen Volkes der Zapoteken zusammen und berät diese in ökologischem Kaffeeanbau, ökologischer Landwirtschaft, Frauenrechten und zu indigenen Rechten. "Wir werden gemeinsam mit anderen daran arbeiten, dass wir das Erbe unserer Vorfahren an unsere Kinder und Enkel weitergeben können", so Aldo Gonzáles. Denn dieses Erbe sei bedroht: Hybrid- oder Genmais mache Saatgut zur Ware, unterbreche den Subsistenz-Zyklus und gefährde durch Kontaminierung der einheimischen Sorten die Vielfalt des Mais.


Dünger macht Pflanzen hungrig

Der Bauer auf dem Maisfeld in Santa Gertrudis hat auf organischen Anbau umgestellt. Er ist einer von vier Landwirten, die sich durch die UNOSJO dazu haben bewegen lassen, wie der Agraringenieur der Organisation, Baldemar Mendoza, berichtet. "Es sind kleine Schritte", sagt er. "Aber wenn die Leute sehen, dass organischer Anbau gut funktioniert, werden es mehr werden." Der Bauer erzählt, dass die Chemie die Pflanzen hungrig gemacht habe. "Sie wollten immer mehr Herbizide, mehr Dünger. Und das tat uns Menschen auch nicht gut", sagt er. Wenn er Geld brauche, verkaufe er Kaffee oder Mais, erzählt der Bauer dann. Doch aufgrund der Preisschwankungen sei dies gerade beim Kaffee ein riskantes Unterfangen. Die Lebensverhältnisse in den oft nur durch acht bis zehnstündige Autofahrten über Schlammpisten erreichbaren Dörfern der Sierra sind ärmlich, die Bildungschancen und die Infrastruktur schlecht.

Nach ein paar Tagen in den Bergen sind die Hohenloher nachdenklich geworden: "Laut Weltagrarbericht sind solche kleinbäuerlichen Höfe die Zukunft der weltweiten Ernährungssicherung. Aber was sagt man den Menschen hier, die sich nicht mehr so abrackern und lieber konsumieren wollen?", fragt sich Jochen Fritz, der Koordinator des Bündnisses, mit einem Blick auf die kleinen Felder an den steilen Bergen. Abwanderung in die Städte oder gleich in die USA sei ein Riesenproblem, erklärt Aldo González von der UNOSJO. Ein Dorf ohne Jugend und Rückkehrer mit viel Geld brächten Sozial- und Arbeitsstruktur komplett durcheinander.

Abwanderung aus den Dörfern ist auch den Hohenlohern nicht unbekannt. Auf dem Forum "Globalisierung und die Lebewesen der Sierra Juárez" in San Gertrudis, auf einer Pressekonferenz in Oaxaca-Stadt, im Radio oder bei einer Zusammenkunft mit VertreterInnen vom NGO-Bündnis "Kollektiv zur Verteidigung der Territorien" von ihrem eigenen Widerstand gegen Gentechnik, von den Feldbesetzungen oder von Erfahrungen mit Gerichtsprozessen um Patentrechte oder Saatgut. Oder auch nur von den Schwierigkeiten, sich in Deutschland als kleinbäuerlicher Betrieb zu behaupten. "Allein, dass Ihr hier seid, dass Ihr soweit gereist seid, um uns kennen zu lernen, ehrt uns und unsere Kultur", sagen die Menschen in der Sierra Juárez immer wieder zu den Gästen.


Kontakte und gemeinsame Projekte

Ins Leben gerufen wurde die Partnerschaft von der Initiative "Entre Campos - Zwischen Land und Leuten" mit dem Ziel, Aktivisten und Bauern beider Regionen direkt miteinander in Kontakt zu bringen, so Jochen Fritz: "Diese Reise soll auch zeigen, wie wir die Partnerschaft mit konkreten Inhalten füllen können." Anfangs klingt er noch etwas unsicher, ob sie sich denn finden werden, die Kontakte und die Anknüpfungspunkte. Doch sie tauchen auf. Ernst Rieger, der Saatgutexperte, hat auf dem Weg zum Feld in Santa Gertrudis einen Blick auf die Kaffeepflanzen des Bauern geworfen. "Nicht sehr gepflegt", so sein klares Urteil - doch als später klar wird, warum dies so ist, wird die Idee für ein gemeinsames Kaffeeprojekt geboren. "Es wäre natürlich super, wenn wir mit diesem Projekt ein stabiles Einkommen schaffen könnten. Und wenn wir dadurch mit dazu beitragen könnten, die Bauern davon abzubringen, hier extensiv Rinder zu halten. Denn das lässt die Böden zu stark erodieren", sagt Jochen Fritz.

Nach einem Gesprächstermin bei der Kommission für Biosicherheit und Gentechnik CIBIOGEM in Mexiko-Stadt, bei dem deutlich wird, dass die mexikanische Regierung auf die industrielle Landwirtschaft und auf die Gentechnik setzt (der experimentelle Anbau von 24 Genmaissorten ist bereits genehmigt), beschließen die Hohenloher ihre Kritik in Form eines offenen Briefes an die Kommission und den mexikanischen Präsidenten Calderón klar zu äußern.

"Der Wert des Regionalen muss gestärkt werden. Hier in Deutschland ist das nicht anders. Wissen ist oft vorhanden, aber das Bewusstsein bei den Leuten fehlt. Durch die Vernetzung wollen wir auch politisch mehr Druck ausüben", erläutert Jochen Fritz. Bei seinem Besuch im Hohenlohischen Mitte März wird Aldo Gonzáles über die Fortschritte des Kaffeeprojekts auf mexikanischer Seite berichten und auch das Projekt einer Ausstellung über die Regionen soll weiter vorangetrieben werden.


Bettina Hoyer die Ethnologin und Journalistin begleitete die Bauern aus Hohenlohe in Mexiko.


*


Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 332 - April 2010, S. 14
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de

Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,00 Euro
Abonnementpreis: 36,00 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juni 2010