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BERICHT/105: Der Apfel - Vom Verlust einer üppigen Sortenvielfalt (aid)


aid-PresseInfo Nr. 45/10 vom 10. November 2010

Biodiversität - auch auf dem Teller

Der Apfel: Vom Verlust einer üppigen Sortenvielfalt


(aid) - "Roter Eisenapfel", "Herbstparmäne" oder "Königlicher Krummstiel" - die Namen dieser Apfelsorten kennt heute fast niemand mehr. Vor über 400 Jahren prägten sie hierzulande noch den bäuerlichen Obstbau. Dass die Sorten bis heute erhalten wurden, macht sie zu etwas ganz Besonderem, denn das ging nicht allen Apfelsorten so.

Die Geschichte des Kulturapfels ist ein anschauliches Beispiel für den enormen Verlust der Sortenvielfalt im Obstbau der letzten zwei Jahrhunderte. Um sich mit frischem Obst zu versorgen, wurden im 18. und 19. Jahrhundert Äpfel auf Äckern, in Gärten und entlang von Wegen angepflanzt. Die "Streuobstbäume" wiesen eine große Sortenvielfalt auf. Die zunehmende Verstädterung führte zu einer tiefgreifenden Umgestaltung der obstbaulichen Kulturlandschaft. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es vom Deutschen Pomologenverein erste Sortenempfehlungen für den beginnenden Erwerbsobstbau. Die stark rationalisierte Tafelobstproduktion nach dem Zweiten Weltkrieg führte zu einer weiteren Reduktion der Sortenvielfalt.

Seinen Höhepunkt fand das "Apfelsortensterben" hierzulande 1950 mit der Zahlung von Abholzprämien für unrentable Obstbäume. Der Bestand an Streuobstbäumen nahm drastisch ab und es gab nur noch wenige Standardsorten. Im heutigen Intensivapfelanbau haben nur noch 20 bis 30 Sorten eine wirtschaftliche Bedeutung. "Golden Delicious", "Jonagold" und "RedDelicious" machen nahezu 70 Prozent des Gesamtangebotes am Apfelmarkt aus.

Erst seit wenigen Jahren rückt der Erhalt der biologischen Vielfalt ins öffentliche Bewusstsein. Man erkannte, dass mit dem Verlust alter Sorten auch ein Teil Kulturgeschichte verloren geht. Auch der Nutzen alter Sorten für die moderne Züchtung wurde neu bewertet. Manche alten Sorten besitzen Merkmale, die für die Züchtung neuer Sorten interessant sind - seien es geschmackliche Vorteile, Resistenzen gegen Krankheiten oder die Anpassung an die Klimaerwärmung. Ende 2009 wurde das "Apfelnetzwerk" gegründet. In dem vom Julius Kühn-Institut koordinierten Projekt werden über 1 000 Apfelsorten mit ihren spezifischen Merkmalen erhalten. Die Sorten sollen dauerhaft an mindestens zwei Standorten in Deutschland angepflanzt und gepflegt und so ihr Bestand gesichert werden.

Doch nicht nur Großprojekte tragen zum Erhalt der Sortenvielfalt bei. Jeder Einzelne, sei es durch Pflanzung alter Apfelsorten im eigenen Garten, durch die Pflege von Streuobstwiesen oder den Kauf von regionalen und seltenen Sorten, kann zum Erhalt der Sortenvielfalt beitragen. Informationen dazu gibt es unter anderem bei den Naturschutzverbänden.

Jörg Planer, Renate Kessen, www.aid.de

Weitere Informationen:

www.nabu.de/themen/streuobst/hintergrund
www.aid.de/landwirtschaft/biotop_streuobstwiese.php
www.pomologen-verein.de


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Quelle:
aid-PresseInfo Nr. 45/10 vom 10. November 2010
Herausgeber: aid infodienst
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Internet: www.aid.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. November 2010