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FRAGEN/013: Ohne Wasser die Krise - Wasserexperte Per Bertilsson im Interview (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. August 2012

Ernährung: Ohne Wasser die Krise - Wasserexperte Per Bertilsson im Interview

von Thalif Deen


Per Bertilsson, Exekutivdirektor des Stockholm International Water Institute - Bild: © Privat

Per Bertilsson, Exekutivdirektor des Stockholm International Water Institute
Bild: © Privat

New York, 21. August (IPS) - In diesem Sommer warnen die Vereinten Nationen wieder einmal vor Nahrungsmittelkrisen in den USA, Brasilien, Russland und Indien. In Deutschland hat dies eine Diskussion um Biotreibstoffe ausgelöst. Mindestens ebenso wichtig ist die Debatte über eines der kostbarsten Güter der Menschheit: dem Wasser.

Sollte die internationale Gemeinschaft die Warnung nicht ernst nehmen, dann wird die Welt einmal mehr in eine Nahrungsmittelkrise rutschen, wie sie sie bereits 2008 gesehen hat, verkündete die Welternährungsorganisation FAO Mitte August. Das würde auch steigende Preise für eine Reihe von landwirtschaftlichen Produkten bedeuten, darunter Mais, Weizen, Reis, Zucker - und sogar Fleischprodukte.

Laut UN-Generalsekretär Ban Ki-moon muss die Nahrungsmittelproduktion unbedingt gesteigert werden, um die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung in den kommenden Jahrzehnten sichern zu können. "Das bedeutet auch, dass wir dafür sorgen müssen, dass wir unsere wichtigste endliche Ressource, das Wasser, nachhaltig nutzen", sagte er.

Nahrungsmittel und Wassersicherheit sind auch Schwerpunktthema der Jahrestagung des Stockholmer Internationalen Wasser-Instituts (SIWI) vom 26. bis 31. August. Parallel findet die vom Institut organisierte Weltwasserwoche statt. 2.500 Teilnehmer werden auf der Konferenz erwartet, darunter UN-Mitarbeiter, Wissenschaftler, Journalisten und Vertreter von Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen.

"Was und wie wir essen, beeinflusst unsere Wasserressourcen mehr als alle anderen menschlichen Aktivitäten", sagte Per Bertilsson, Exekutivdirektor des Wasser-Instituts, in einem Interview mit IPS. Am meisten Wasser - 70 Prozent der weltweiten Ressourcen - werde für die Landwirtschaft verwendet.

Bertilsson zufolge ist es sowohl für die menschliche Gesundheit als auch für die Wirtschaft und die Umwelt wichtig, allen Bewohnern unserer Erde eine gesunde Ernährung zu ermöglichen. Tatsächlich könne sich aber gut die Hälfte der sieben Milliarden Menschen auf der Erde nicht gesund ernähren. "Eine Milliarde Menschen leiden an Hunger, eine weitere Milliarde sind unterernährt - und wiederum eine Milliarde Menschen essen zu viel."

Eine ausreichende Bereitstellung von Nahrungsmitteln sei allerdings nicht das einzige Problem. Auch stünden unsere Wasser- und Bodenreserven unter steigendem Druck aus allen wirtschaftlichen Sektoren, fügte er hinzu. Es folgt das Interview.

IPS: Warum hat das Internationale Wasser-Institut den Zusammenhang zwischen Wasser und Nahrungsmittelsicherheit als Schwerpunktthema für die Weltwasserwoche gewählt?

Bertilsson: Wir produzieren ausreichend Essen, um die gesamte Weltbevölkerung zu ernähren. Aber mehr als ein Drittel der Nahrungsmittel werden weggeschmissen oder gehen anderweitig verloren, bevor sie konsumiert werden können. Es reicht nicht aus, mehr Nahrungsmittel zu produzieren - das würde vor allem auch große Mengen an Wasser verschlingen, die teilweise besser für andere Zwecke genutzt werden könnten.

Wir haben uns für das Thema entschieden, weil keine der beiden Herausforderungen ohne die andere gelöst werden kann.

Wir beschäftigen uns auf unserer Konferenz vor allem mit der Frage, wie wir eine gesunde Ernährung für alle Bewohner unseres Planeten erzielen können, ohne unsere Wasserreserven zu überanspruchen. Wir müssen vor allem die landwirtschaftliche Effizienz steigern - gerade in Entwicklungsländern - und uns auf die Chancen für Unternehmen besinnen, die sich aus einer Reduzierung der Verluste von Nahrungsmitteln ergeben.

Wir müssen den Menschen sowohl helfen, weniger Nahrungsmittel wegzuwerfen, als auch gesünder zu essen. Während der Weltwasserwoche wollen wir diskutieren, auf welche Weise wir dies erreichen können. Wir tauschen uns über unsere Erfahrungen aus und wollen Partnerschaften gründen, um stärker und effizienter zu werden.

Darüber hinaus wollen wir uns mit einigen umstrittenen Themen beschäftigen. Dazu gehören landwirtschaftliche Subventionen sowie die Landbeschaffung [vor allem in Ländern des Südens, Anm. der Redaktion], die die Wasser- und Nahrungsmittelsicherheit beeinflusst. Bisher gibt es keinen Konsens darüber, ob das gut oder eher schlecht ist und was der beste Weg ist, den Landkauf zu regulieren.

IPS: Wenn die internationale Gemeinschaft mit ihren Zusagen scheitert - welche negativen Konsequenzen ergeben sich dann aus der weltweiten Wasserknappheit?

Bertilsson: Wasserknappheit kann sowohl die Nahrungsmittel- als auch die Energieproduktion beeinträchtigen. Auch die lokalen und nationalen Ökonomien können negativ beeinflusst werden. Wenn der Wasserverbrauch weiterhin so steigt wie bisher, dann kann es sein, dass die Nachfrage nach Wasser in den kommenden 20 Jahren das Angebot um 40 Prozent übersteigen wird, wie es vor einem Jahr in einer Studie des Umweltprogramms der Vereinten Nationen UNEP hieß.

Wasser brauchen wir einfach für jede wirtschaftliche Aktivität und es ist essentieller Bestandteil aller Ökosysteme. Das heißt also, dass Wasserknappheit weltweit dem Bruttoinlandsprodukt einen großen Dämpfer verpassen würde. Viele Individuen würden ihre Lebensgrundlage verlieren, und es könnte sogar zu mehr sozio-politischen Spannungen kommen. Unternehmer würden sich höheren Risiken ausgesetzt sehen - das wissen sie auch bereits, weshalb dies auch Thema mehrerer Diskussionspanel auf unserer Konferenz sein wird.

Bereits jetzt lebt ein Fünftel der Weltbevölkerung in Gegenden, die von Wasserknappheit geprägt sind. 90 Prozent des Bevölkerungswachstums wird sich in Regionen abspielen, die schon heute ein Problem mit der Wasserversorgung haben. Das wiederum bedeutet, dass ein bewusster Umgang mit Wasser in den meisten Teilen der Welt essentiell für weiteres Wirtschaftswachstum sein wird.

Besonders schwerwiegend werden die Auswirkungen in den Entwicklungsländern sein. Die Hungersnot am Horn von Afrika im vergangenen Jahr hat auf der einen Seite gezeigt, was Dürre anrichten kann, auf der anderen Seite, welch wichtige Rolle die internationale Gemeinschaft dabei spielt, Frühwarnsysteme einzurichten und auf Naturgewalten zu reagieren.

IPS: Welche Rolle spielen die Vereinten Nationen dabei?

Bertilsson: Sie spielen eine tragende Rolle im Umgang mit allen globalen Herausforderungen unserer Zeit - dazu gehören auch das Thema Wasser und das Thema Ernährung. Die UN-Organisationen leisten wirklich gute Arbeit, Menschen den Zugang zu sauberem Wasser und hygienischen Sanitäranlagen zu ermöglichen. Auch helfen sie, Wissen zu verbreiten, wie besser mit der Ressource Wasser umzugehen ist.

Die UN-Organisationen müssen aber noch besser werden und vor allem die Kooperation untereinander sowie mit zivilgesellschaftlichen Organisationen und mit den Regierungen verbessern.

Die UN leisten gute Unterstützung und sorgen dafür, dass lokale und nationale Regierungen die Wasserfrage zu einer ihrer Prioritäten machen. Aber es muss klar sein, dass es die Aufgabe von Regierungen und von Unternehmen sein muss, diese globale Herausforderung zu meistern. (Ende/IPS/jt/2010)


Links:

http://www.worldwaterweek.org/
http://www.ipsnews.net/2012/08/qa-water-and-food-security-are-inseparable/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. August 2012