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FORSCHUNG/781: Süßkartoffelanbau in Afrika - Agrarwissenschaft braucht weibliche Kompetenz (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. August 2010

Afrika: Forschungsobjekt Süßkartoffel - Agrarwissenschaft braucht weibliche Kompetenz

Von Isaiah Esipisu


Nairobi, 9. August (IPS) - Mary Anyango Oyunga ist viel unterwegs. Die Wissenschaftlerin, die am kenianischen Forschungsinstitut für Agrarwirtschaft (KARI) arbeitet, reist über die Dörfer und unterrichtet die Kleinbäuerinnen vor Ort über den bestmöglichen Anbau von Süßkartoffeln. Seit Jahren erforscht Oyunga das im südlichen Afrika weit verbreitete Grundnahrungsmittel.

Von Oyunga erfahren die Frauen in Kisian, einem kleinen Dorf in der Nähe der westkenianischen Stadt Kisumi, dass die gelbe Süßkartoffel (Orange Fleshed Sweet Potatoe/OSFP) ungewöhnlich reich an Beta-Karotin, der Vorstufe von Vitamin A, ist. Die Agrarexpertin hatte darüber geforscht und über die Ergebnisse ihrer Arbeit 2009 im der Fachzeitschrift 'African Journal of Food, Agriculture, Nutrition and Development' berichtet. Jetzt geht es für sie darum, dass möglichst viele der überwiegend für die Feldarbeit zuständigen Frauen diese Erkenntnisse umsetzen.

In Afrika ist Vitamin-A-Mangel ein weit verbreitetes Gesundheitsrisiko, das vor allem bei Schwangeren und unterernährten Kleinkindern zur Erblindung führen kann. In den Ländern südlich der Sahara droht 43 Millionen Kindern unter fünf Jahren dieses Schicksal. "Die Durchführung einer Studie ist wichtig", erklärte Oyunga. "Doch erst wenn sich mit den dabei gewonnenen Erkenntnissen die Lebensbedingungen der Menschen verbessern lassen, ist ihr Ziel wirklich erreicht", betonte die Agronomin. Sie ist eine von 180 Afrikanerinnen, die für hervorragende Leistungen in 20 verschiedenen agrarwissenschaftlichen Disziplinen mit einem Stipendium des Programms 'African Women in Agricultural Research and Development' (AWARD) belohnt wurden.

"Die Arbeit der Wissenschaftler ist entscheidend für die Lösung der Nahrungsmittelkrise in Afrika, doch wir müssen dringend etwas gegen die in der Agrarwissenschaft bestehende Kluft zwischen den Geschlechtern tun", sagte Akinwumi Adesina. Der angesehene kenianische Agrarwissenschaftler, Vizepräsident der 'Alliance for Green Revolution in Africa' (AGRA), erklärte: "Wir brauchen mehr Frauen, die sich für eine Karriere in dieser Disziplin entscheiden. Denn in Afrika geben Frauen der Landwirtschaft ein Gesicht."


Nahrhaft und reich an Vitamin A

Für die Kleinbäuerinnen im westkenianischen Dorf Kisian ist es Ehrensache, auf ihrem Land auch unter dem Namen 'Ipomoea batatas' bekannten Süßkartoffeln anzupflanzen. Die Knollen werden das ganze Jahr über geerntet und sind eine nahrhafte Ergänzung der oft dürftigen Mahlzeiten. Oyunga informiert die Frauen über den Nährwert der verschiedenen Sorten.

Dank der finanziellen Unterstützung durch das afrikanische Ernährungsprogramm 'Sweet Potatoe Action for Security and Health' sorgt Oyunga dafür, dass die Region mehr über die besonders wertvollen Eigenschaften der gelben Süßkartoffel erfährt. In Westkenia erhalten derzeit alle Schwangeren, die staatliche Gesundheitszentren aufsuchen, im Rahmen eines gesundheitspolitischen Pilotprojektes einen Gutschein, den sie bei bestimmten Saatguthändlern gegen 120 Süßkartoffelsträucher einlösen können.

"Bei Erfolg werden wir das Projekt in ganz Subsahara-Afrika wiederholen", erklärte Oyunga. "Es ist außerordentlich befriedigend zu sehen, dass eine in die Praxis umgesetzte wissenschaftliche Studie besonders den armen Landbewohnern hilft. So baut man ihnen eine Brücke, die sie aus der Welt der Armut in die wirtschaftliche Entwicklung führt", unterstrich sie.


Frauen weisen den Weg aus der Armut

KARI-Direktor Ephraim Mukisira stimmt ihr zu: "In Afrika führt der Weg aus der Armut über die Stärkung der Position der Frauen, denn sie spielen bei der Nahrungsbeschaffung eine entscheidende Rolle."

Obwohl in Afrika nach einem im Juni 2010 veröffentlichten Bericht der Nichtregierungsorganisation 'ActionAid' die überwiegend weiblichen Kleinbauern 90 Prozent der Nahrungsmittel erzeugen, gibt es unter den Agrarwissenschaftlern und in landwirtschaftlichen Führungspositionen bislang nur wenige Frauen.

Das müsse sich ändern, fordert die Expertin Vickie Wilde. Die Leiterin des 'Gender and Diversity'-Programms bei der Konsultativgruppe für internationale agrarwissenschafliche Forschung (CGIAR) und Gründerin des Frauenförderprogramms AWARD betont: "Es ist klug, in Afrikas Frauen zu investieren. Am meisten aber lohnt es sich, dabei auf afrikanische Wissenschaftlerinnen zu setzen."

Die AWARD-Stipendiatin Aishatu Bashir Ardo ist mit ihrer Zuständigkeit für die künstliche Rinderbesamung in der Region als erste Frau in eine Männerdomäne eingestiegen. Die Agronomin hat das traditionelle Vorurteil widerlegt, dass nur Männer diesen Job erledigen können.

Beispiele wie diese zeigen, dass sich auf dem afrikanischen Kontinent in Sachen Agrarwissenschaft für Frauen durchaus etwas bewegt. Einer von AWARD und 'Agricultural Science and Technologie Indicators' 2008 im südlichen Afrika durchgeführten Studie zufolge war in den vorausgegangenen acht Jahren die Zahl der in der Agrarforschung arbeitenden Wissenschaftlerinnen um acht Prozent gestiegen, die ihrer männlichen Kollegen um lediglich zwei Prozent.

Auch wenn die Frauen langsam aufholen, geben Männer in der afrikanischen Agrarwissenschaft vorerst noch den Ton an. Die AWARD-Studie stellte fest, dass nicht einmal ein Viertel der in dieser Disziplin arbeitenden Wissenschaftler Frauen sind. Der Anteil der mit Frauen besetzten Führungspositionen lag 2008 bei weniger als 14 Prozent. (Ende/IPS/mp/2010)


Links:
http://www.agra-alliance.org/
http://www.kari.org/
http://www.actionaid.org
http://www.cgiar.org/
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=52353

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 9. August 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. August 2010