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FORSCHUNG/872: Finanzspekulation mit Agrarrohstoffen - Alarm oder Fehlalarm? (idw)


Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa - 10.12.2012

Alarm oder Fehlalarm?
Ergebnisse eines Literaturüberblicks über empirische Forschungsarbeiten zur Finanzspekulation mit Agrarrohstoffen

IAMO Policy Brief 9 präsentiert die Auswertung von 35 Forschungsarbeiten



Halle (Saale), 10. Dezember 2012 - In den letzten Monaten wurde in der öffentlichen Debatte verstärkt die Frage diskutiert, ob Spekulanten auf den Agrarrohstoffmärkten für die weltweit steigenden Lebensmittelpreise und damit den Hunger in armen Ländern verantwortlich sind. Einige namenhafte zivilgesellschaftliche Organisationen fordern, die Geschäfte von Finanzinvestoren mit Agrarrohstoffen zu beschränken bzw. vollständig zu verbieten. Um zur Klärung dieses strittigen Sachverhaltes beizutragen, haben der IAMO-Direktor Professor Thomas Glauben und Wissenschaftler Dr. Sören Prehn in Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsethikern Professor Ingo Pies und Matthias Georg Will von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg eine umfangreiche Literaturauswertung vorgenommen.

Das Auftreten neuer Akteure auf den Terminmärkten für Agrarrohstoffe, die Agrarproduzenten gegen das Risiko einer Preissenkung absichern, hat den Verdacht aufkommen lassen, dass die damit verbundene Finanzspekulation die rasante Verteuerung von Lebensmitteln hervorgerufen und somit den Hunger in der Welt verstärkt habe. Mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen in Deutschland haben Studien in Auftrag gegeben, die diese kausalen Zusammenhänge angeblich belegen. Zugleich fordern sie in einer gemeinsamen Öffentlichkeitskampagne, regulatorische Marktzutrittsbarrieren zu errichten, z. B. Transaktionssteuern oder Positionslimits. Inhaber ökonomischer Lehrstühle haben den Aussagen der zivilgesellschaftlichen Organisationen bereits widersprochen und warnen sogar davor, dass ohne Finanzinvestoren die Agrarmärkte schlechter funktionieren würden.

Anhand 35 empirischer Studien untersuchte das IAMO gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Wirtschaftsethik der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg die Fragestellung, ob die Zunahme der Finanzspekulation in den letzten Jahren das Niveau bzw. die Volatilität der Preise für Agrarrohstoffe hat ansteigen lassen. Die Ergebnisse des Literaturüberblicks zeigen, dass die weit überwiegende Mehrheit der Forschungsarbeiten die vorherrschende Befürchtung zum Einfluss der Spekulation auf die Agrarrohstoffmärkte nicht bestätigen kann. "Auch wenn die Forschungsliteratur sicherlich noch Fragen offen lässt, spricht angesichts des aktuellen Erkenntnisstands vieles dafür, den zivilgesellschaftlichen Alarm als Fehl-Alarm einzustufen. Im Gegenteil, die Finanzspekulation kann dazu beitragen, Agrarmärkte besser funktionieren zu lassen", so Thomas Glauben vom Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa (IAMO). Für die dramatischen Preisergebnisse der Jahre 2007/8, 2010/11 und 2012 waren vielmehr realwirtschaftliche Faktoren verantwortlich. Der Wirtschaftsethiker Ingo Pies resümiert: "Wer den Hunger in der Welt wirksam bekämpfen will, muss realwirtschaftlich dafür Sorge tragen, dass das Angebot an Nahrungsmitteln mit der auf absehbare Zeit steigenden Nachfrage Schritt halten kann".


Weiterführende Informationen

Auf den folgenden Internetseiten können Sie den IAMO Policy Brief 9 und das zugrunde liegende Diskussionspapier zum Thema "Schadet oder nützt die Finanzspekulation mit Agrarrohstoffen? - Ein Literaturüberblick zum aktuellen Stand der empirischen Forschung" einsehen:

www.iamo.de/publikation/policybrief-9
www.iamo.de/publikation/diskussionspapier2012-26


IAMO Policy Briefs

In der Publikationsreihe IAMO Policy Brief werden in loser Folge gesellschaftlich relevante Forschungsergebnisse des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa (IAMO) kurz und allgemeinverständlich aufbereitet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Zielgruppe sind insbesondere Entscheidungsträger der Politik, Medienvertreter und die breite Öffentlichkeit.


Über das IAMO

Das Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa (IAMO) ist eine international anerkannte Forschungseinrichtung. Mit etwa 70 Wissenschaftlern und in Kooperation mit anderen renommierten Instituten widmet es sich drängenden Fragen der Agrar- und Ernährungswirtschaft und der ländlichen Räume. Hauptuntersuchungsregionen sind Mittel- und Osteuropa sowie Zentral- und Ostasien. Das IAMO leistet dabei einen Beitrag zum besseren Verständnis des institutionellen, strukturellen und technologischen Wandels. Für dessen Bewältigung werden Strategien und Optionen für Unternehmen, Agrarmärkte und Politik abgeleitet und analysiert. Seit seiner Gründung 1994 gehört das IAMO als außeruniversitäre Forschungseinrichtung der Leibniz-Gemeinschaft an.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution418

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa,
Daniela Schimming, 10.12.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Dezember 2012