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GENTECHNIK/399: Gentechnik, eine Risikotechnologie (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 318 - Januar 2009
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Gentechnik, eine Risikotechnologie
Eine Zusammenstellung der ökonomischen, sozialen und juristischen Risiken der Gentechnik

Von Dr. Christian Schüler


Die Welternährung soll durch die grüne Gentechnik gesichert, der Innovationsstandort Deutschland durch sie erhalten, Krankheiten überwunden, landwirtschaftliche Einkommen durch sie gesteigert werden. Das wollen zumindest Vertreter aus Industrie, Wissenschaft und Interessenverbänden Bäuerinnen und Bauern auf Veranstaltungen gerne glaubhaft machen. Dass es zahlreiche ökonomische, soziale und juristische Fakten gibt, die gegen den Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft sprechen, hat Christian Schüler, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Agrarfakultät der Universität Kassel in Witzenhausen, in seinem Vortrag auf einer Veranstaltung des niedersächsischen Bauernverbands deutlich gemacht. Daraus entstand diese Argumentesammlung:


Ökonomische Risiken der Landwirte beim Gentechnik-Anbau

Zwischen 1996 und 2001 haben die US-Farmer bis zu 100 Mio. Dollar Verlust beim Anbau von Bt-Mais gemacht (je nach Befallsstärke). Zu Buche schlagen:

Höhere Saatgutkosten (aktuell ca. 35 Euro/ha), jedes Jahr fällig, unabhängig von der Maiszünsler-Befallsstärke.
Höhere Trocknungskosten bei Körner-Mais, weil physiologisch länger aktiv
Geringere Anbaufläche wegen Abstandsregeln
Mehraufwand durch zusätzliche Beobachtung, Aufzeichnungen, Standortregister
Mehraufwand durch sorgfältige Trennung bei Ernte, Lagerung und Transport

Ein weiteres ökonomisches Risiko ist die Zuverlässigkeit bzw. Unzuverlässigkeit der GVO-Hersteller: Im Jahr 2000 musste Aventis StarLink-Mais kostspielig zurück rufen, weil dieser wegen Allergiegefahr nur als Futtermittel zugelassen war und doch ins Lebensmittelsilo gelangte. Schaden: 1 Milliarde US$, Aventis ist insolvent, 4.000 Arbeitsplätze verloren. 2005 wurde Bt Mais der Firma Syngenta ohne Genehmigung auf 15.000 ha angebaut - eine Auflage von 375.000 US$ Strafe folgte. 2006 gelangte ein nirgendwo auf der Welt zugelassener Bayer Reis (LL601) in europäische Lebensmittelregale, was zu Rückrufaktionen führte, Schaden allein im deutschen LEH: ca. 10 Mio. Euro. Bislang haben die geschädigten Anbauer keinen Schadensersatz bekommen.


Mehraufwand und Mehrkosten

Diese werden der gentechnikfreien Landwirtschaft und der Gesellschaft aufgebürdet, anstatt sie den Verursachern, also den Nutzern der Gentechnik zuzuordnen:

Prüfung der Saatgutbetriebe auf GVO-Freiheit des Saatguts
Prüfung/Kontrolle der landwirtschaftlichen Betriebe zum Nachweis der Freiheit von GVO
Prüfung der Lebensmittelhersteller zum Nachweis der Freiheit von GVO
Prüfung der Imkerinnen und Imker zum Nachweis der Freiheit des Honigs und der Pollen von GVO
Getrennte Nutzung von Ernte- und Bearbeitungsmaschinen sowie Transportmittel bzw. deren Zwischenreinigung
Getrennte Lagerung bei Handel und Verarbeitung
Reinigung von Maschinen und Transportmitteln
Arbeitszeit für Verhandlungen zwischen unterschiedlich arbeitenden Landwirtschaftsbetrieben zur Sicherung der so genannten Koexistenz
Arbeitszeit für Informationszugänge und die Reaktion von Betroffenen gegenüber GVO-Anbau in der Nachbarschaft bzw. in der Nutzungsregion

Haftungsregelungen greifen zu kurz

Zwar gilt weiterhin die gesamtschuldnerische, verschuldensunabhängige Haftungsregelung. Spätestens ab 0,9 % Schaden wird gehaftet für Ware, die nicht mehr als ökologisch bzw. "ohne Gentechnik" vermarktet werden kann. Aber:

Was passiert mit Schäden konventioneller Kollegen, die unterhalb von 0,9 % liegen, wenn Abnehmer die Ware mit geringeren Verunreinigungen nicht mehr annehmen wollen?
Was ist mit den Folgen nach einer Aberkennung des Bio-Status Rückzahlung von Förderbeiträgen?
Was ist mit Verlust und Neusuche von Handelspartnerinnen und Handelspartnern?

Soziale Risiken der Landwirte

Für Nicht-GVO-Anbauer drohen langwierige Zivilklagen gegen Nachbarn, die teuer und ergebnisoffen sind. Es gibt keinen Ersatz für einen dauerhaften Imageschaden oder den Verlust von Handelspartnern. Für GVO-Anbauer bleibt das Risiko der verschuldensunabhängigen Haftung trotz zugelassener Sorten und Einhaltung der guten fachlichen Praxis. Es gibt keine Haftungsbeteiligung der Saatguthersteller und keinen Versicherungsschutz.


Juristische Risiken durch Patente statt Sortenschutz

Beispiel USA: Monsanto bespitzelt und verklagt Bauern wegen Patentverletzungen. Monsanto beschäftigt 75 Mitarbeiter, die Bauern kontrollieren, ihnen nachspionieren und sie verklagen. In den USA liefen allein bis zum Jahr 2004 90 Verfahren gegen 147 Haupterwerbsbetriebe und 39 gegen kleinere Nebenerwerbsbetriebe. Gesamtsumme aus allen bisherigen Urteilen zugunsten Monsanto: $15.253.602. Auch in Europa geht es um die komplette Kontrolle vom Saatgut über Anbau bis zur Ernte durch Konzerne. Bis Ende 2004 erteilte allein das Europäische Patentamt (EPA) in München über 400 Patente auf Pflanzen und Saatgut, weltweit gibt es 1.000 Patentansprüche auf Mais, Soja, Reis und Weizen. Exklusivrechte sollen den Züchtervorbehalt oder das Landwirteprivileg ersetzen, Folge: weitreichende Blockaden der züchterischen und landwirtschaftlichen Arbeit.


Dr. Christian Schüler, Fachgebiet Ökologischer Land- und Pflanzenbau, Uni Kassel


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 318 - Januar 2009, S. 17
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. März 2009