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GENTECHNIK/490: Die Gentechnik-Idee versagt (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 342 - März 2011
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Die Gentechnik-Idee versagt
Meterhoch wuchern resistente Unkräuter auf dem Acker.
Die Gentechnikunternehmen empfehlen den Einsatz von mehr Spritzmittel

Von Annemarie Volling


Gentechnikunternehmen agieren weltweit. Sie kaufen Saatgutunternehmen auf und engen das Angebot ein. Die von ihnen propagierten Lösungen, bestehend aus Totalherbizid und durch Genmanipulation resistenter Pflanze, funktionieren immer seltener. Unkräuter werden resistent. Der Einsatz immer giftigerer Herbizide steigt. Die Bevölkerung lehnt gentechnisch veränderte Lebensmittel ab. Trotzdem versucht die Lebensmittelindustrie auch auf dem europäischen Markt Fuss zu fassen. Immer wieder finden sich Produkte mit gentechnisch veränderten Zutaten, unter anderem Süßigkeiten. Unterstützung erfährt die Industrie auch von der Deutschen Forschungsgesellschaft, die zum Missfallen mancher Wissenschaftler versucht mit Unwahrheiten die Grüne Gentechnik bei der Bevölkerung zu propagieren.


Ein Blick über den Ozean zeigt europäischen Bauern drohende Probleme mit Gentechnik und steigender Abhängigkeit von multinationalen Unternehmen.

Sie waren weit gereist, die beiden US-Experten, um von den Entwicklungen beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in den USA zu berichteten. Bill Freese, wissenschaftlicher Analyst, und Farmer Troy Roush schilderten ihre Erfahrungen mit Gentechnikkonzernen, giftigen Herbiziden, resistenten Pflanzen und zeigten mögliche Auswege.


Erste Hilfe-Roundup

Zum Zeitpunkt der Einführung von Roundup-Ready-Saatgut, so Troy Roush, hatten die US-Farmer große Unkrautprobleme. Die neue Technologie, bestehend aus resistenter Pflanze und Totalherbizid, wurde bei Soja 1996 eingeführt und versprach schnelle Besserung. Ein vermeintlich weniger giftiges Spritzmittel, das einfach im Gebrauch war: "Gegenüber bisherigen Präparaten steht für die Anwendung von Roundup ein deutlich größeres Zeitfenster zur Verfügung als bei selektiven Herbiziden. Auch reichte anfangs eine Anwendung pro Saison", erzählte der Farmer. Doch schon nach wenigen Jahren traten erste resistente Unkräuter auf. "Als Gegenmaßnahme empfahlen die Berater von Monsanto, schlicht die Aufwandsmenge zu erhöhen und öfter zu spritzen", berichtet Roush. Resistente Unkräuter sind zu einem großen Problem in der US-Landwirtschaft geworden. Von zwölf bisher bekannten resistenten Unkräutern in den USA berichtet Bill Freese und zeigt Bilder von Baumwollfeldern, die von einem über einen Meter hohen Amaranth überwuchert sind. 200.000 Hektar Gentechnik-Baumwolle mussten 2009 im Bundesstaat Georgia mit der Hand gejätet werden. Inzwischen empfiehlt Monsanto eine intensivere Bodenbearbeitung und den Einsatz zusätzlicher, auch älterer Herbizide. Letztere sind vor allem für den Anwender z.T sehr viel gefährlicher. Verätzungen oder krebsauslösende Wirkungen sind keine Seltenheit. Viele Agrarexperten in den USA sehen in der Bewältigung der Unkrautresistenzen derzeit die größte Herausforderung für die amerikanische Landwirtschaft.


Neue Märkte erobern

Die Lösung der Gentechnik-Konzerne ist einfach: Sie wollen GV-Pflanzen entwickeln, die gegen andere Totalherbizide z.B. Dicamber resistent sind. Aber auch viele andere herbizidresistente GV-Pflanzen sind in der Entwicklung. Im Wallstreet-Journal wurde im April 2010 ein Mitarbeiter von Dow Chemicals zu den neuen GV-Pflanzen zitiert mit: "Das ist eine neue Chance für die Chemiekonzerne - eine neue Ära!".


Monopole schaffen Abhängigkeit

Wenn man von derartigen Schreckensszenarien hört, fragt man sich, weshalb die amerikanischen Landwirte auch weiterhin auf gentechnisch veränderte Pflanzen setzen. Die beiden US-Amerikaner haben folgende Erklärungen. Da ist einerseits das Phänomen der Markt berherrschenden Stellung von Monsanto. 93 Prozent der Soja, die in den USA wachsen, gehören Monsanto. Durch den jahrelangen Gebrauch von Roundup-Ready mit seiner einfachen Anwendung haben die Landwirte größtenteils ihr Wissen über konventionelles Pestizidmanagement verloren.

Zum Anderen ist das Angebot an gentechnikfreiem Saatgut in den vergangenen Jahren stark geschrumpft. Während anfangs die Erträge von RoundupReady-Saatgut 6 bis 10 Prozent niedriger waren und es nur wenige, oft nicht an regionale Bedürfnisse angepasste Sorten gab, stellt sich die Situation heute gegensätzlich dar. Zwar ist es den Gentechnikern noch immer nicht gelungen, die Erträge durch gentechnische Manipulation zu steigern. Die Ertragssteigerung wird durch konventionelle Züchtung erreicht. Die neu gezüchteten Sorten werden dann aber mit einem GVO-Konstrukt versehen, oftmals der RoundupReady-Technologie. Die neuen, ertragsstarken Sorten werden nur noch als GVO auf den Markt gebracht. Ein Blick in aktuelle Kataloge der Saatgutanbieter zeigt: Im Mais- und Sojabereich werden nur noch GVO-Sorten angeboten. Konventionelles Soja- oder Maissaatgut ist nur noch schwer und aufwändig zu bekommen. Zusätzlich sind die Sorten meist alt und ertragsschwach. Ein weiterer Punkt ist, dass die Preise für konventionelles Saatgut angezogen wurden. Der anfänglich sehr hohe Preisunterschied zu GV-Sorten beträgt heute bei Mais und Soja "nur" ca. 25 Prozent.


Rückumstellung schwierig

Es gibt zunehmend Farmer, die wieder auf konventionellen bzw. ökologischen Anbau umstellen wollen. Aber auch das ist schwierig. Der Absatz ist sehr schwankend: Vor der Wirtschaftskrise bestand beispielsweise im Ökosektor eine gute Nachfrage. Auch das Segment "gentechnikfrei konventionell" unterliegt starken Nachfrageschwankungen. So hat Troy Roush im Jahr 2009 beim Verkauf seiner konventionellen Sojabohnen einen Prämiumzuschlag von 20 Prozent erhalten, für die Ernte 2010 hat er allerdings bislang noch keinen Abnehmer gefunden, der bereit ist, den höheren Aufwand finanziell zu honorieren.

Aufgrund der enormen Monopolstellung einiger weniger Saatgut- und Chemiekonzerne im amerikanischen Saatgutsektor - 2009 teilten sich Monsanto, Du Pont und Syngenta 47 Prozent des Saatgutmarktes in den USA - ist die Saatgutzüchtung, die früher in öffentlicher Hand war, quasi komplett zu den Konzernen übergegangen, Forschungsgelder sind erheblich zurückgegangen. Deshalb ist es sehr schwierig in Amerika, wieder eine unabhängige Saatgutzüchtung aufzubauen, glücklicherweise gibt es einige kleinere Initiativen, aber eigentlich bedarf es einer Umstrukturierung der amerikanischen Landwirtschaftspolitik und der Forschungsausgaben - hin zu konventioneller und ökologischer Saatgutzüchtung.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 342 - März 2011, S. 12
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Mai 2011