Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → ERNÄHRUNG


GENTECHNIK/550: Jetzt auch Gentech-Kühe? (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 404 - November 2016
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Jetzt auch Gentech-Kühe?
Neue Gentechnikverfahren sollen jetzt auch bei Nutztieren eingesetzt werden

Von Christoph Then


Derzeit findet eine regelrechte Kampagne zur Einführung von Tieren in die Landwirtschaft statt, die mit neuen gentechnischen Verfahren manipuliert werden. Beispielsweise veröffentlichte im Mai 2016 die Deutsche Gesellschaft für Züchtungskunde (DGfZ) ein Positionspapier, in dem die Einführung der neuen Gentechnikverfahren in die Tierzucht befürwortet wird. Die Begründung der Verfasser des Papiers, die seit Jahren einschlägig aktiv sind: Verfahren wie die Verwendung von DNA-Scheren (u.a. CRISPR/Cas) seien "vielversprechend zur qualitativen Verbesserung der landwirtschaftlichen Tierproduktion, insbesondere im Hinblick auf eine effiziente, nachhaltige und zielgenaue Produktion, was angesichts der globalen Herausforderungen an die landwirtschaftliche Tierproduktion dringend erforderlich ist".

Ungewollte Veränderungen

Sieht man sich die aktuell vorliegenden Publikationen aus diesem Bereich genauer an, stellt man fest, dass die meisten der aktuell verfolgten Projekte wie eine höhere Leistung der Tiere, Anpassungen an Haltungsbedingungen, veränderte Zusammensetzung der Milch, Resistenzen gegen Viren und Parasiten schon in ihrer Zielsetzung fragwürdig sind. Auch ihre technische Realisierung steht vor Problemen: Die Anwendung der oft als präzise dargestellten neuen Methoden der Gentechnik wie das so genannte Genome-Editing hat auch ungewollte Veränderungen im Erbgut zur Folge, die mit Risiken für Mensch und Umwelt einhergehen. In jedem Fall würde die landwirtschaftliche Nutzung von Gentechniktieren zu einer erheblichen Gefährdung von Mensch und Umwelt führen.

Beispiele für Risiken

Gentechnisch veränderter Lachs könnte trotz Vorsorgemaßnahmen entkommen und sein Erbgut in natürlichen Populationen verbreiten. Bei der gentechnischen Veränderung der Milch von Kühen kann es zu ungewollten Veränderungen aller Milchbestandteile kommen. Zudem können gesundheitlich bedenkliche biologisch wirksame Botenstoffe (miRNA) in die Milch gelangen. Schweine, die durch gentechnische Veränderungen resistent gegen bestimmte Viren gemacht wurden, können zu Überträgern der Erreger werden. Eine gentechnische Veränderung von Rindern, um diese gegen Schlafkrankheit resistent zu machen, ist mit gesundheitlichen Risiken für die Tiere selbst verbunden.

Die Folgen der gentechnischen Veränderung können sich auf ganz unterschiedliche Ebenen auswirken. Ein Beispiel: Nach Hunderten von Versuchen und vielen tot geborenen und kranken Tieren wurde in Neuseeland ein gentechnisch verändertes Kuhkalb geboren, das Milch mit weniger allergieauslösenden Eiweißstoffen produzieren könnte. Diesem Kalb fehlte aufgrund unerwarteter Nebeneffekte der Schwanz, auch seine Organe weisen Veränderungen auf. Mit Hormongaben wurde das Kalb zur Milchproduktion gebracht. Doch diese Milch ist so stark in ihren Inhaltsstoffen verändert, dass sie mehr oder weniger ungenießbar ist.

Tatsächlich lassen sich weder die Risiken für die Umwelt noch die Risiken für die menschliche Gesundheit zuverlässig abschätzen. Diese Probleme der Risikoabschätzung werden in Zukunft noch deutlich zunehmen: So sollen unter anderem mehrfach gentechnisch veränderte Tiere kreiert werden. Getrieben wird die Entwicklung von wirtschaftlichen Interessen: Mit den Gentechniktieren halten Patente Einzug in Kuh- und Schweinestall. Eine weitere Umgestaltung der Tierzucht im Sinne der Interessen von Firmen, die vor allem ihre patentgeschützten Tiere verkaufen wollen, bedeutet für Landwirte und mittelständische Züchter eine Bedrohung ihrer Existenz und eine drastische Ausweitung der industriellen Massentierhaltung. Eine gentechnikfreie Produktion könnte dadurch unmöglich gemacht werden.

Konzentration der Forschung

An vielen derzeit verfolgten Projekten ist im Hintergrund der englische Konzern Genus beteiligt, der als größter Tierzuchtkonzern weltweit gilt. Genus unterstützt insbesondere die US-Firma Recombinetics, die bereits mehr als ein Dutzend Patente auf gentechnisch veränderte Nutztiere angemeldet hat, unter anderem auf hornlose Rinder oder auf Tiere, die sich nicht mehr fortpflanzen und vom Landwirt nicht mehr zur Zucht verwendet werden können. Daneben hat auch die US-Firma Intrexon Patente auf Schweine, Rinder und Schafe angemeldet. Zu ihrem Geschäftsfeld gehören u. a. geklonte Bullen, aber auch gentechnisch veränderte Insekten und der in den USA zugelassene Gentechniklachs.

Angesichts der Ankündigungen einzelner Firmen, in den nächsten Jahren viele Gentechniktiere für die Landwirtschaft zum Einsatz bringen zu wollen, stehen Politik und Gesellschaft vor einer grundlegenden Weichenstellung. Der Deutsche Bundestag hat sich ebenso wie das EU-Parlament mit deutlicher Mehrheit bereits gegen die Zulassung von Klontieren in der Landwirtschaft ausgesprochen. Die Politik sollte jetzt frühzeitig gegen eine Zulassung bzw. Freisetzung von Gentechniktieren Stellung beziehen, da sonst der Druck von Investoren steigen wird und die Vermarktungsinteressen immer stärker in den Vordergrund treten werden. Dabei muss das Vorsorgeprinzip politisch und wissenschaftlich deutlich aufgewertet werden. Dies ist auch im Hinblick auf die geplanten Freihandelsabkommen CETA und TTIP mit Staaten, die bei der Entwicklung der Gentechniktiere äußerst aktiv sind, eine zentrale Herausforderung für die Politik. Vor diesem Hintergrund sollten klare Verbote angestrebt werden: Die Politik sollte klarstellen, dass es in der EU auf absehbare Zeit keine Möglichkeit gibt, Zulassungen für gentechnisch veränderte Nutztiere und deren Produkte zu erteilen oder diese freizusetzen. Die Patentierung von Nutztieren sollte in der EU verboten werden.


Christoph Then, Leiter von TestBiotech

*

Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 404 - November 2016, S. 15
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/490 22 20, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de
 
Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,45 Euro
Abonnementpreis: 41,40 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 30,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Januar 2017

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang