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INTERNATIONAL/009: Ägypten - Mehr Brotmehl vom eigenen Acker, Abhängigkeit von Weizenimporten abbauen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. Mai 2011

Ägypten: Mehr Brotmehl vom eigenen Acker - Abhängigkeit von Weizenimporten abbauen

Von Emad Mekay


Kairo, 18. Mai (IPS) - Ägyptens neue politische Führung will in der Agrarpolitik einen neuen Kurs einschlagen und mit der Zeit aus dem weltgrößten Weizenimporteur einen Selbstversorger machen. Die USA und Frankreich sind die mit Abstand wichtigsten Weizenlieferanten des Landes.

Die Welternährungsorganisation (FAO) beziffert Ägyptens jährliche Weizenimporte auf mindestens zehn Millionen Tonnen. Nach Angaben des US-Agrarministeriums exportierten die USA 2010/2011 3,7 Millionen Tonnen Weizen nach Ägypten.

Demnächst soll der Weizen für das traditionelle, unentbehrliche Fladenbrot ('Baladi') auf ägyptischen Feldern wachsen. "Die Selbstversorgung mit Weizen für das Baladi-Brot ließe sich leicht erreichen", versicherte der Regierungsberater Abdelsalam Gomaa. "Doch für Teigwaren und Gebäck wird es nicht reichen. Deshalb werden wir wohl weiterhin sechs bis sieben Millionen Tonnen Weizen jährlich importieren müssen." Ägyptens Bevölkerung von inzwischen 83 Millionen Menschen wächst jährlich um 1,3 Millionen.

Um ihr ehrgeiziges Ziel der Selbstversorgung zu erreichen, setzen die neuen Herren in Kairo bei ihren agrarpolitischen Strategien auf international konkurrenzfähige Abnahmepreise für Weizen vom heimischen Acker, auf den Einsatz von ertragreichem und schädlingsresistem Saatgut, auf moderne Anbaumethoden sowie auf eine regelmäßige begleitende Beratung der Bauern. Zudem stellt die Regierung der Agrarforschung Subventionen in Aussicht.

Nach offiziellen Angaben wurde den Preis für 150 Kilo Weizen auf umgerechnet 59 US-Dollar erhöht. Die Bauern hatten geklagt, die 47 Dollar, die man ihnen bisher für die gleiche Menge gezahlt hatte, reichten zur Beschaffung von besserem Saatgut und modernen Geräten nicht aus. Als Folge des höheren Abnahmepreises für Weizen rechnet das ägyptische Landwirtschaftsministerium schon in diesem Jahr mit einer Zunahme der Weizenanbauflächen gegenüber dem Vorjahr (1,2 Millionen Hektar) auf 1,5 Millionen Hektar.

Eine Gruppe von Auslandsägyptern aus Europa, den USA und den Golfstaaten hat bereits auf die agrarpolitischen Zusagen Kairos reagiert und die Gründung eines Unternehmens angekündigt, das über Aktien umgerechnet 504 Millionen Dollar aufbringen will, um im nächsten Jahr den Anbau von Weizen auf 250.000 Hektar Land zu finanzieren. Auf Anfrage der Regierung hat der Sudan dem benachbarten Ägypten 400.000 Hektar Agrarland angeboten, das ägyptische Bauern und Unternehmen bewirtschaften sollen.


Die Bauern organisieren sich

Auch Ägyptens Bauern gehen auf die Versprechen der neuen Regierung ein. Erstmals in der Geschichte des Landes organisieren sie sich und haben sich zu einem eigenen Verband zusammengeschlossen. Sie wollen sich mit einer Stimme gegenüber den lokalen Behörden behaupten und die Kommunikation untereinander verbessern.

Vor Medienvertretern erklärte der Chef der neuen Organisation, Abderhaman Mohamed Shokry, man werde dem Land helfen, zum Selbstversorger zu werden und sich für eine Agrarpolitik einsetzen, die den einheimischen Bauern zugute kommt und nicht, wie unter Mubarak, den internationalen Konzernen.

Ungeachtet der positiven Aufbruchstimmung verweisen skeptische Experten auf zu erwartende Schwierigkeiten. Haj Mahmoud, Betreiber einer Bäckerei, befürchtet, bei der Verteilung von staatlich subventioniertem Weizenmehl könnten schlecht bezahlte Kontrolleure wie gewohnt die Hand aufhalten. "Manche Bäckereien sehen auf den Profit. Anstatt aus dem verbilligten Mehl Brot für die Armen zu backen, verschieben sie es zu Höchstpreisen", kritisierte er.

Weit gewichtiger könnte der Druck ausländischer Weizenexporteure werden, die Einbußen auf dem lukrativen Absatzmarkt Ägypten befürchten. Zu den Lobbyisten gehören nicht zuletzt Vertreter der US-Agentur für internationale Entwicklung (USAID). Auch Washingtons massive Kreditgarantien für Exporte sorgen dafür, dass Weizen aus den USA auch in Ägypten konkurrenzlos billig angeboten werden kann. (Ende/IPS/mp/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Mai 2011