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INTERNATIONAL/017: Wie der Sojaanbau in Paraguay die einheimische Bevölkerung bedroht (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 345 - Juni 2011
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Der Preis der Sojabohne
Eine Kleinbäuerin berichtet wie der Sojaanbau in Paraguay die einheimische Bevölkerung bedroht

Von Christoph Dahlmann


Die Kleinbäuerin und Aktivistin Ester Leiver erzählt über ihren Kampf für eine gerechte Landverteilung in ihrem Land Paraguay. Im Rahmen des Projektes "Vom Acker in den Futtertrog" fand am 19. Mai eine Veranstaltung mit ihr und ihrer Übersetzerin Steffi Holz sowie Bernd Schmitz, Vorsitzender der AbL-NRW, in Neunkirchen statt. Ester Leiver und Steffi Holz sind bis zum 9. Juni auf "Sojarundreise" in der Bundesrepublik und informieren über die Auswirkungen der Sojamonokulturen in Paraguay.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Welche Bedeutung hat die Landwirtschaft in Paraguay?

ESTER LEIVER: Für die Landbevölkerung, also zumeist fÜr die typischen Campesinos, ist es die Möglichkeit, sich selbst zu versorgen im Gegensatz zum großflächigen Sojaanbau. Ungefähr 50 Prozent der Bevölkerung lebt nach wie vor auf dem Land und ist auch darauf angewiesen, selber zu produzieren.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Wie sieht es mit der Landverteilung in Paraguay aus?

ESTER LEIVER: Paraguay weist eine der ungerechtesten Landverteilungen weltweit auf. Drei Prozent der Bevölkerung verfügen über 86 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche, anders ausgedrückt, 27 Familien bestimmen über den Großteil der Fläche, die vorhanden ist. Dem gegenüber gibt es über 300.000 landlose Familien. Der Ausweg für die, die kein Land bekommen, ist z.B. die Migration in andere Länder oder in die Städte. Dort leben die meisten dann unter schlechten Bedingungen. Deshalb fordern wir ja auch eine Agrarreform. In der Verfassung ist zwar für jeden das Recht auf ein Stück Land verbürgt, aber in der Realität sieht dies ganz anders aus.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Gibt es Unternehmen, die im Landwirtschaftsbereich eine besondere Bedeutung haben?

ESTER LEIVER: Es gibt sechs große Firmen, die weltweit agieren und auch in Paraguay kräftig verdienen. Das sind z.B. ADM, Cargill, Bunge und auch Monsanto. Diese bestimmen im Großen und Ganzen, was angebaut wird, und haben auch teilweise eigene Flächen.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Gibt es bei Ihnen Fälle von land grabbing?

ESTER LEIVER: Das Problem des land grabbing ist ein sehr großes und auch schon lange bekannt. Dadurch dass es keinerlei gesetzliche Beschränkungen gibt, wie viel Land gekauft werden darf, kommen ausländische Investoren, um Land im großen Stil zu pachten oder zu kaufen. Darunter sind viele Brasilianer, aber auch Deutsche.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Die Campesinos besitzen zum Teil Land, können dies aber möglicherweise nicht nachweisen. Werden sie dann einfach von ihrem Land vertrieben?

ESTER LEIVER: Es ist tatsächlich so, dass viele Campesinos Land besitzen, dies nicht nachweisen können und relativ einfach vertrieben werden können. Generell sind zwei wichtige Gründe der Vertreibung von Kleinbauern zu nennen: Das eine ist, dass sie die Pestizidbelastung der Produktion von Soja in Monokulturen nicht mehr vertragen. Deswegen geben viele auf und gehen weg, weil auch ihre Felder in Mitleidenschaft gezogen werden. Und das andere ist die Verführung des Geldes, weswegen die Kleinbauern ihr Land verkaufen.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Wie hoch ist der Anteil von gentechnisch veränderten Pflanzen (GVO) und bei welchen Kulturen?

ESTER LEIVER: Gentechnisch verändertes Saatgut wird mittlerweile zu fast 90 Prozent verwendet, in erster Linie für Soja und Mais.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Werden GVOs auch von Campesinos angebaut?

ESTER LEIVER: In der Tat spielen GVOs auch bei Campesinos eine Rolle, wenn sie Soja anbauen. Sie bekommen ja auch einen Eindruck von den Gewinnspannen, die sich bei den Großgrundbesitzern erzielen lassen. Soja lohnt sich aber tatsächlich nur im großen Stil. Die Folge ist, dass Kleinbauern, die z.B. drei Hektar Soja anbauen, sich durch die Kosten für Pestizide, Saatgut und Maschinen so stark verschulden, dass sie das Land verkaufen müssen.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Wenn von Sojalobbyisten gesprochen wird, wer ist damit gemeint?

ESTER LEIVER: Transnationale Firmen, aber auch die großen Großgrundbesitzer werden als Sojalobbyisten bezeichnet. Diese monokulturelle, hoch technisierte Landwirtschaft schafft wenige Arbeitsplätze und setzt in erster Linie auf Eigenversorgung und den Verkauf von überschüssigen Produkten auf lokalen Märkten.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Wenn Sie als lokale Aktivisten Widerstand leisten, wie sieht der aus und wie sind Sie vernetzt?

ESTER LEIVER: Es gibt eine Vielzahl von Kleinbauernorganisationen auf dem Land, die auch miteinander vernetzt sind und die gegen das Agrarmodell der großflächigen Intensivproduktion ankämpfen. Wir versuchen, so viele Campesinos wie möglich zu überzeugen, dass eine ökologische Produktion für sie eine Zukunft bietet und dadurch die Sojaausbreitung aufzuhalten ist.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Welche konkreten Beispiele des Widerstandes können Sie da nennen?

ESTER LEIVER: Wir versuchen, Gelder zu bekommen, um Kampagnen zu initiieren. So soll Druck auf die Regierung aufgebaut werden, um die ökologische Produktion zu unterstützen. Außerdem beteiligen wir uns an der Organisation von Landbesetzungen. In der Hauptanbauzeit zwischen September und Januar, in der bis zu fünfmal Pestizide gesprüht werden, gibt es oft dezentrale Aktionen wie lebende Mauern, die sich den Sprühfahrzeugen in den Weg stellen.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Wie sieht es mit Repressionen gegenüber Aktivisten aus?

ESTER LEIVER: In dem Kampf, den wir führen, in dem wir Menschen sensibilisieren, mobilisieren und organisieren, machen wir natürlich auch die Erfahrung mit Repressionen. Wir nennen das Kriminalisierung der sozialen Kämpfe, und das sieht ganz konkret so aus, dass die führenden Aktivisten angeklagt werden. Der einzige Grund ist, dass sie angeblich "fremdes Land" betreten haben. Aktuell sind über 2.000 GenossInnen entweder im Gefängnis oder stehen unter Hausarrest. Dementsprechend können sie ihrer Arbeit und ihrem Engagement nicht mehr nachgehen. Dies alles nimmt auch noch in jüngerer Vergangenheit zu, z.B. durch veränderte Gesetze wie das Terrorismusgesetz, welches es sehr viel einfacher macht diese Aktivitäten zu kriminalisieren.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Wie sieht die Rolle der Frauen innerhalb der Landwirtschaft aus?

ESTER LEIVER: Die Frauen arbeiten wie die Männer auf dem Feld, sind aber zusätzlich für den Haushalt zuständig. Da es ein sehr starres soziales Modell in Paraguay gibt und sehr starken Machismos, führen die Frauen sozusagen eine dreifache Auseinandersetzung. Sie sind auch in den Kleinbauernorganisationen vertreten und kämpfen für die Sache wie die männlichen Genossen, indem sie z.B. Spenden organisieren oder Projekte voranbringen.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Was könnten Bauern und Bäuerinnen in Deutschland tun, um die Problematik in Paraguay zu entschärfen?

ESTER LEIVER: Solidarität ist das allerwichtigste. Wichtig ist aber auch, dass sich die Leute hier vor Ort informieren, was überhaupt in Paraguay passiert. Desweiteren sind Spenden sehr hilfreich, um unsere Arbeit zu finanzieren. Wir freuen uns aber auch über Freiwillige, die sich über unsere Arbeit vor Ort informieren und mithelfen wollen.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Vielen Dank


Christoph Dahlmann,
Projektleiter: Vom Acker in den Futtertrog
dahlmann@abl-ev.de


Paraguay:
Paraguay befindet sich im Herzen Südamerikas und ist mit einer Landfläche von 407.000 km² ein wenig größer als Deutschland. Der großflächige Anbau von Soja für den Export spielt eine wichtige Rolle. Paraguay ist der viertgrößte Sojaexporteur der Welt und weist eine der ungerechtesten Landverteilungen auf.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 345 - Juni 2011, S. 14
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
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Internet: www.bauernstimme.de

Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,00 Euro
Abonnementpreis: 36,00 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juli 2011