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INTERNATIONAL/078: Bio - made in China (PROVIEH)


PROVIEH Ausgabe 03/2012
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Bio - made in China

von Susanne Kopte



Melamin im Baby-Milchpulver, Pestizide im Gemüse, Hormone im Schweinefleisch oder Chemikalien im Reis - die Liste der Lebensmittelskandale in China ist lang. Das Vertrauen der Chinesen in ihre Nahrungsmittel ist erschüttert. Mehr als 70 Prozent der Bevölkerung trauen der Qualität der Lebensmittel nicht mehr, so das Ergebnis einer Umfrage der Pekinger Qinghua-Universität. Drei Jahrzehnte Wirtschaftswachstum um jeden Preis haben Luft, Wasser und Erde verdreckt. Vergiftetes und verdorbenes Essen sind die Folgen. Die chinesische Regierung weiß um die Probleme, tut jedoch kaum etwas dagegen. Nur die patriotische Tageszeitung Global Times schreibt Klartext: "Wir sind heute in der Lage, unsere Taikonauten ins All zu schießen. Warum können wir dann nicht sichere Nahrungsmittel gewährleisten?"

China kann es und beweist dies schon seit Jahren. Landesweit gibt es Bauernhöfe, die Biokost eigens für Behörden und Parteistellen produzieren. Dieses politische Privileg wird von der Bevölkerung hingenommen. Doch für die Menschen ist es nur ein weiterer Beweis dafür, wie schlecht "normale" Lebensmittel in China sind.

Immer mehr Chinesen, die es sich leisten können, kaufen deshalb Bio-Produkte. Global gesehen ist China schon heute ein Riese, was den Bio-Anbau betrifft. Das Land hat gewaltige Anbauflächen und günstige Arbeitskräfte. Laut dem Weltdachverband für Biolandbau IFOAM entfielen 2011 von den weltweit 31 Millionen Hektar biologisch bewirtschafteter Fläche etwa 2,3 Millionen Hektar auf China.

Damit belegt die Volksrepublik Platz drei hinter Australien, das rund 11,8 Millionen Hektar für den ökologischen Anbau nutzt und Argentinien mit drei Millionen Hektar Bio-Anbaufläche. Auf rund 3.000 Biofarmen, meist Kollektivbetrieben, setzen chinesische Bauern darauf, mit dem grünen Siegel mehr zu verdienen als mit konventionellem Ackerbau. Zwar liegt der Anteil von Bioprodukten noch unter einem Prozent, aber der Markt wächst schnell. In Chinas Großstädten findet man immer mehr Supermärkte, die Gemüse und Obst aus kontrolliert biologischem Anbau anbieten. Auch breiten sich neue Bioladen-Ketten aus mit Namen wie Organic Farm. Rund um die Metropolen wächst die Zahl der Öko-Dörfer, die Öko-Lebensmittel im Direktverkauf und Lieferservice für Bio-Gemüsekisten anbieten. Treibende Kraft im Bio-Geschäft sind Handelsfirmen, die Kooperationen mit Kleinbauern eingehen und ihnen finanziell bei der Umstellung der Betriebe helfen. Diese Unterstützung ist wichtig, weil es in der Regel drei und mehr Jahre dauert, bis die schwer belasteten Böden reaktiviert und erst dann für den Bio-Anbau geeignet sind. Unterstützt werden die Handelsfirmen auch vom Staat, der ihnen mit Steuererleichterungen hilft. Um dem Bio-Boom eine Struktur zu geben, wurde außerdem eine Ökokontrollbehörde eingerichtet, die eine einheitliche Bio-Zertifizierung ausstellt, auch für den Export.

Zu den größten Bio-Produzenten in China gehört die Firma Kaize Organic in der Provinz Shandong. Sie baut Bio-Obst und Bio-Gemüse an und hat inzwischen mit etwa 500 Landwirten Lieferverträge abgeschlossen, die für die Bauern längerfristige Abnahmegarantien bedeuten. Produziert wird hauptsächlich für den Export, vorwiegend Japan, Europa und die USA. Auch Deutschland importiert viele Bioprodukte aus China, in erster Linie Getreide, Hülsenfrüchte, Sesam und Sonnenblumenkerne und zum Beispiel grünen Tee.

Nach Meinung von Experten werden die chinesischen Bio-Exporte nach Deutschland weiter zulegen. Zum einen, weil es in Deutschland noch nicht genug Bio-Bauern gibt, um die steigende Nachfrage zu decken. Zum anderen weil der zunehmende Verkauf von Bio-Produkten in Discountern sehr auf die Preise drückt. Kostengünstige Bezugsalternativen aus China werden damit attraktiv.

Bei vielen Abnehmern gelten chinesische Bio-Lieferungen aber noch immer als unsicher - nicht ohne Grund. Denn oft genug wurden bei Testproben zum Beispiel Rückstände von Pestiziden in Bioprodukten festgestellt. Es mehren sich aber optimistische Stimmen von Händlern, die viel Zeit in das Geschäft mit Bio-Importen aus China investiert haben. China habe aus all den Skandalen, die in verschiedenen Wirtschaftsbereichen auftraten, seine Lehren gezogen und gegengesteuert. Möglicherweise stimmt das, denn vor nichts haben die Chinesen mehr Angst, als durch mangelnde Qualität Märkte zu verlieren.


INFOBOX

Chinas Athleten durften monatelang vor den olympischen Sommerspielen in London keine normale chinesische Nahrung essen - aus Angst, es könnten sonst Hormonrückstände bei Dopingkontrollen nachgewiesen werden.

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Quelle:
PROVIEH Ausgabe 03/2012, Seite 28-29
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Januar 2013