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INTERNATIONAL/143: Mosambik - Nur wenige profitieren von Neuer Grüner Revolution (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. Oktober 2015

Mosambik: Nur wenige profitieren von Neuer Grüner Revolution

von Julia Krämer


Bild: © Sam Fentress/Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0)

Die Grüne Revolution verdrängt Sortenvielfalt
Bild: © Sam Fentress/Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0)

Berlin (IPS) - Von der Neuen Grünen Revolution profitiert lediglich ein Bruchteil der Kleinbauern in Mosambik, heißt es in einem Zwischenbericht des 'African Centre for Biodiversity'. Die Nichtregierungsorganisation hat die Versprechen der 'Allianz für eine grüne Revolution in Afrika' (AGRA) in einer großangelegten Untersuchung überprüft. Das Ergebnis: Die von der Gates- und der Rockefeller-Stiftung initiierte Agrarwende kann Gutes bewirken, wenn man sie richtig einsetzt. Bisher aber profitieren nur wenige.

Die Allianz wurde 2006 gegründet. Ziel ist, bis zum Jahr 2020 die Ernährungsunsicherheit in 20 Ländern um 50 Prozent zu reduzieren. Das Einkommen von 20 Millionen Kleinbauern soll verdoppelt werden. Erreicht werden soll dies mit einer Neuen Grünen Revolution, die nach der ersten Welle in den 1960er und 1970er Jahren nun auch in Subsahara-Afrika Landwirtschaft effizienter machen soll: durch Hochertragssaatgut und verbesserten Marktzugang. Erklärte Ziele sind dabei die Unterstützung von Kleinbauern, der Schutz der Umwelt und die Anpassung der geförderten Länder an den Klimawandel.

Bauern sollen nach Wunsch der von Ex-UN-Generalsekretär Kofi Annan geleiteten AGRA ihre Ernteprodukte an den globalen Märkten anbieten können, wenn die Preise besonders hoch sind, um höhere Gewinne zu erzielen. Bisher ist es häufig so, dass die Bauern keine Möglichkeit haben, ihre Erzeugnisse einzulagern und kühl zu halten. So müssen sie sie direkt verkaufen und überschüssige Ware wegwerfen.

Nutzen für Kleinbauern umstritten

Doch gerade den Nutzen für die Kleinbauern zweifelt das 'African Cenre for Biodiversity' in seiner Studie 'Agricultural investment activities in the Beira Corridor, Mozambique' an. "Die meisten Bauern sind daran interessiert, mit neuen Technologien zu experimentieren", gesteht die NGO der Idee der Grünen Revolution zu. Doch nicht nur die Vorteile, auch die Risiken müssten mit den Bauern und Bauernorganisationen in transparenten Prozessen besprochen werden. Dies sei bisher nicht immer der Fall.

Und so zeige sich, dass zwar bisher etwa fünf bis zehn Prozent der Kleinbauern in Afrika von der Neuen Grünen Revolution profitiert haben. Doch der große Rest bleibe entweder außen vor oder leide sogar unter ihren Folgen.

Der Grund ist einfach: Nach Ansicht der Allianz liegt die Ursache der Ernährungsunsicherheit in Afrika in ineffizienter landwirtschaftlicher Praxis. Daher müsse man die Bauern mit Technologien ausstatten, die Landwirtschaft effizienter machen. Solche Technologien müssen nicht erst erfunden werden, sondern wurden Jahre oder gar Jahrzehnte in anderen Ländern erprobt.

Doch nicht alle Bauern können sich diese Technologien leisten. Und wenn sie sie anschaffen, dann lohnt sich das nur, wenn sie ihre landwirtschaftlichen Flächen ausdehnen und mehr Ertrag erzielen, um die Investitionen durch mehr Einnahmen zurückzuerhalten. Dadurch steigen manche Klein- zu Großbauern auf. Das Gros der Bauern kann mit den neuen Playern am Markt nicht mithalten und muss sich eine neue Beschäftigung suchen. Entweder lassen sie sich von den Großbauern anstellen oder sie gehen in die Städte, wo sie nicht ausreichend qualifiziert sind für die Stellen, die dort angeboten werden.

Dem 'African Centre for Biodiversity' zufolge liegt ein Grund der Ernährungsunsicherheit in Afrika auch darin, dass durch klimatisch bedingte Erntezeiten die gleichen Früchte zur gleichen Zeit geerntet werden. Standardisierte Technologien würden dieses Problem noch verschärfen: Durch große Monokulturen und die Konzentration weniger Sorten in einem Gebiet werde erst recht ein Großteil der Ernte immer zum gleichen Zeitpunkt eingefahren. Großbauern könnten damit umgehen, da sie häufig gekühlte Lagerräume zur Verfügung haben. Kleinbauern allerdings nicht.


Grüne Revolution vs. ökologische Landwirtschaft

Die Neue Grüne Revolution ignoriere bereits existierende landwirtschaftliche Systeme der lokalen Kleinbauern und stülpe ihnen ein ganz anderes System auf, kritisiert der Bericht. Statt die großindustrielle Landwirtschaft in den Blick zu nehmen, könnten Fördergelder - private und staatliche - auch in ökologische landwirtschaftliche Managementsysteme fließen und die Kompostierung, das Nutzen von Stallmist und die Fruchtfolge unterstützen.

Vor- und Nachteile der Grünen Revolution können seit mehreren Jahrzehnten beobachtet werden. Vor allem in den 1960er Jahren wurden weltweit mit dem Ziel, die Nahrungsmittelproduktion zu erhöhen, der Landbau intensiviert, die Massentierhaltung eingeführt, Höfe spezialisiert und vergrößert. Die Folgen sind umstritten: Zwar verbesserte sich die Ernährungssituation vieler Menschen nachweislich erheblich, insbesondere in Asien. Doch vor allem die schweren Nahrungsmittelkrisen seit 2010 machen deutlich, dass die Grüne Revolution die Ernährungssicherheit nicht nachhaltig stabilisiert und den Hunger auf der Welt nicht besiegt hat.

Darüber hinaus hat der massive Einsatz von synthetischen Düngemitteln gravierende Umwelt- und Gesundheitsschäden mit sich gebracht. Die Grüne Revolution hat großen Saatgutkonzernen die Türen geöffnet, die patentierte Hochertragssorten eingeführt haben und es den Bauern untersagen, ihr eigenes Getreide als Grundlage für die Aussaat des folgenden Jahres verwenden.

Dem britischen Soziologieprofessor Raj Patel zufolge diente die Grüne Revolution mehreren Zielen: der Übertragung des westlichen, insbesondere des US-amerikanischen Modells der Landwirtschaft auf andere Regionen der Welt und - über eine Einflussnahme auf die Landwirtschaftspolitik von Regierungen - der Entpolitisierung der Landfrage, die durch Forderungen nach Bodenreformen und der Umverteilung von Land geprägt war.

Aufgrund der Kritik an der ersten Welle der Grünen Revolution fordert das 'African Centre for Biodiversity' in seinem Bericht, in Zusammenarbeit mit Bauernorganisationen einige grundsätzliche Prinzipien für die Neue Grüne Revolution aufzustellen. Diese sollen unter anderem die Privatisierung von Saatgut, Düngemitteln und von staatlichen Aufgaben verhindern. Sie sollen aber auch die Kriminalisierung von Kleinbauern unterbinden, wenn sie Saatgut auf ihrem Land wiederverwerten. (Ende/IPS/jk/28.10.2015)


Link:

http://acbio.org.za/wp-content/uploads/2015/10/Mozambique-2015-report-full.pdf

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IPS-Tagesdienst vom 28. Oktober 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Oktober 2015

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