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INTERNATIONAL/182: Nahrungsmittelsicherheit nur durch Hightech-Landwirtschaft? (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 412 - Juli/August 2017
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Nahrungsmittelsicherheit nur durch Hightech-Landwirtschaft?
Bayer und Monsanto in Südafrika

von Annemarie Villing


Wir werden auf weniger Boden mit weniger Ressourcen unter extremeren Bedingungen mehr produzieren müssen", so der Vorstandsvorsitzende von Bayer, Werner Baumann, gegenüber der Tageszeitung Die Welt. Dazu sei nur eine moderne, hoch technisierte und innovative Landwirtschaft in der Lage. Zu der wolle Bayer mit der 66 Milliarden Euro schweren Übernahme des US-Konzerns Monsanto beitragen. Bayer argumentiert, dass ihr operatives Geschäft durch die Übernahme effizienter wird, indem sie Expertise und Know-how zusammenbringen. Das würde ihnen erlauben, Kosten zu senken und ihre Wettbewerbsfähigkeit in sich konsolidierenden Märkten zu bewahren.

Schon jetzt sind die globalen landwirtschaftlichen Märkte hoch konzentriert. Kommt es zur geplanten Fusion von Bayer-Monsanto, kontrolliert allein dieses eine Unternehmen fast 30 % des globalen Saatgutmarktes. Nach allen drei geplanten Fusionen besitzen die fusionierten Unternehmen (Dow/Du Pont, ChemChina/Syngenta und Bayer/Monsanto) zusammen dann 60 % des Saatgutmarktes - und zusätzlich 64 % des Agrochemiemarktes. Aber führt weniger Wettbewerb zu mehr Innovation? Welche Innovationen brauchen wir überhaupt? Wer kann sich High-Tech-Innovationen leisten? Dies und die Frage, welche Auswirkungen die geplante Fusion von Bayer mit Monsanto auf die südafrikanische Landwirtschaft und die Kleinbauern hat, untersucht eine Publikation des African Centre for Biodiversity (ACB), deren Übersetzung in Kürze vorliegen wird.

Saatgutmarkt in Afrika

Der afrikanische Markt macht weniger als 2 % des globalen Saatgutmarktes aus. Je nach Pflanze und Region stammt das in Afrika von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern genutzte Saatgut zu 65 bis 100 % aus Nachbau und wird getauscht. Somit ist Afrika ein potentiell lukrativer Markt für Saatgutunternehmen. Jüngst forderte u. a. das Weizenforum die Einführung einer gesetzlichen Zucht- und Technologieabgabe auf Weizen und anderes Getreide an den Verkaufsstellen. Damit würde der Staat im Namen der Saatgutunternehmen Lizenzgebühren bei Anlieferung der Ernte eintreiben. Mais ist mit 56 % am kommerziellen Markt die bedeutendste Nutzpflanze in Südafrika. Soja ist mit 5 % die zweitstärkste Kultur. Der gesamte Anteil von Gemüse am Saatgutmarkt beträgt 25 %. Schon jetzt wird der Saatgutsektor von multinationalen Konzernen dominiert: Pioneer Hi-Bred/Pannar (Pannar ist ein afrikanisches Saatgutunternehmen, spezialisiert auf Mais und Sorghum und wurde 2013 von Pioneer aufgekauft), Sakata (Gemüse und Blumenzüchter), Monsanto, Syngenta. Monsanto und DuPont/Pioneer Hi-Bred/Pannar bestreiten mindestens 85 % des Saatgutgeschäfts für Mais, Soja und Sonnenblumen. Bislang sind in Südafrika drei Gentechnikpflanzen zum kommerziellen Anbau zugelassen: Mais, Soja und Baumwolle. 90 % des angebauten Maises, 95 % der Soja und 100 % der Baumwolle sind gentechnisch verändert. Südafrika ist das einzige Land weltweit, das für sein Hauptnahrungsmittel Mais eine GV-Variante zum Anbau zugelassen hat. In noch zwei anderen afrikanischen Ländern, in Burkina Faso und Sudan, wird Gentechnik angebaut, aber nur Baumwolle, wobei Burkina Faso gerade dabei ist, aus dem GV-Anbau wieder auszusteigen.

Monsanto ergänzt Bayer

Bayers Saatgutschwerpunkte in Südafrika sind Soja, Weizen und Baumwolle. Die Strategie ist offenbar, durch Übernahmen, Lizenzvereinbarungen und Partnerschaften den Einfluss am Saatgutmarkt auszubauen. Zudem engagiert sich Bayer in öffentlichen Institutionen und bei privaten Unternehmen, um seine Marktreichweite zu erhöhen. Eine Fusion mit dem Unternehmen Monsanto, das mit mehr Anteilen am südafrikanischen Saatgutmarkt und zusätzlich auch stärker am Pestizidmarkt vertreten ist, passt da gut.

Monsanto ist seit 1968 in Südafrika aktiv und hat dort bisher zahlreiche Saatgutunternehmen übernommen. Durch die Übernahme des global aktiven Unternehmens Seminis kam Monsanto in den Besitz von Sortenschutzrechten diverser Gemüsesorten. Auch Monsanto hat die Kleinbauern im Blick und ist Teil des Projektes Water Efficient Maize for Afrika (WEMA), eine öffentlich-private Partnerschaft, die u. a. von der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung und der US-Behörde USAID unterstützt wird. Deren Fokus liegt auf der Entwicklung von insektenresistenten und trockentoleranten GV-Mais-Sorten. Monsanto spendet das genetische Maismaterial, die Technik und Beratung. Das ACB kritisiert dieses Programm, weil der verwendete trockentolerante GV-Mais in den USA nicht die gewünschten Ergebnisse brachte und jetzt in Afrika angewendet werden soll. Außerdem haben dort Bauern bereits trockentolerante Sorten entwickelt, die frei verfügbar und an lokale Bedingungen angepasst sind.

Daten sammeln

Auch Monsantos "führende Rolle" bei der Analytik und im "Big-Data-Markt" ist für Bayer wichtig. "Big Data" ermöglicht die Kombination von genetischen Informationen mit Daten über Saatgut, Boden und Wetter. Die zusätzliche Nutzung von Satellitenbildern und Bewässerungsmanagementsystemen schafft neue Marktsegmente. Monsanto kündigte 2017 an, die digitale Landwirtschaftsplattform ihrer Tochterfirma Climate Corporation auch auf Südafrika auszuweiten. Es ist das größte Daten verarbeitende Unternehmen im Bereich der Landwirtschaft. Zuvor war eine geplante Fusion mit John Deere, um Big-Data-Erfahrungen und Präzisionspflanztechnik zu verknüpfen, geplatzt.

Kritik an Wettbewerbsbehörde

Die Studie des ACB kommt zu dem Schluss, dass die Fusion von Bayer und Monsanto negative Auswirkungen auf die Landwirtschaft hätte. Aus den bisherigen Entwicklungen sei ableitbar, dass dadurch Innovationen vermindert würden und das Angebot an Saatgut und Pestiziden verringert würde, dagegen stiegen die Kosten infolge der Monopolstellung. Die zunehmende Unternehmenskonzentration und deren Besitz von - durch Patente und Lizenzen geschützten - genetischen Ressourcen widerspräche der Notwendigkeit, landwirtschaftliches Wissen und Saatgut breiten Kreisen der ländlichen Bevölkerung zugänglich zu machen. Nur so würden afrikanische Bäuerinnen und Bauern dabei unterstützt, einen Beitrag zur Ernährungssouveränität zu leisten und ihren Lebensunterhalt zu sichern, ohne von teuren, externen Betriebsmitteln abhängig zu werden. So verwundert es nicht, dass das ACB die Entscheidung der südafrikanischen Wettbewerbsbehörde vom Mai kritisiert, die die Fusion zwischen Bayer und Monsanto genehmigte.


Annemarie Villing, AbL-Netzwerk gt-freie Landwirtschaft

Die übersetzte Studie des ACB findet sich in Kürze unter www.abl-ev.de


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Monsanto und Bayer wollen die fruchtbaren Täler Südafrikas erobern

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 412 - Juli/August 2017, S. 16
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. August 2017

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