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LANDWIRTSCHAFT/1474: Dioxinskandal verklingt ohne Lernerfolg (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 345 - Juni 2011
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Dioxinskandal verklingt ohne Lernerfolg
Landwirte warten weiter auf Entschädigung nach Dioxinskandal

Von Christiane Hinck


Den Preisrückgang Anfang des Jahres bekam Hermann Wesseler sofort zu spüren: Für seinen Hof mit 1.500 Mastschweinen bedeutete das entgangene Erlöse von 9.000 Euro. Zwar war der Landwirt aus Bissendorf im Landkreis Osnabrück nicht selbst von dem verunreinigten Futter betroffen. Doch durch die sinkende Nachfrage war der Preis plötzlich auf bis zu 1,12 Euro pro Kilo Schweinefleisch gesunken. Betroffene Bauern konnten durch die Sperren nicht mehr rechtzeitig liefern, ihre Tiere wurden zu schwer und entsprachen damit nicht mehr der geforderten Qualität. "Der Schaden bleibt bei uns hängen", sagt Wesseler. Anfang Mai wurde die letzte Sperrung im Kreis Osnabrück aufgehoben. "Harles und Jentzsch hat seine dioxinbelasteten Abfälle über uns Bauern entsorgt", resümiert er.


Namen nennen

Insgesamt waren knapp 3.000 t Futterfett mit Dioxin belastet, das in Form von Mischfutter für Schweine, Rinder und Geflügel an 25 Futtermittelhersteller in Deutschland geliefert wurde. Die Forderung des Deutschen Bauernverbands (DBV) nach einem Entschädigungsfonds verklang schnell. Statt der gesamten Futtermittelindustrie sollte allein die Firma Harles und Jentzsch für den Schaden aufkommen. Die ist nun zahlungsunfähig. Angesichts des fehlenden Fonds fordert der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, eine Entschädigung durch die betroffenen Futtermittelhersteller: "Günstigere Preise für das Fett sind ein deutlicher. Hinweis auf kriminelle Machenschaften. Wer mit Kriminellen Geschäfte macht, muss für sein Handeln gerade stehen." Auch müssten die Namen öffentlich genannt werden. Da die seriösen Futtermittelunternehmen einen Ruf zu verlieren haben, droht ihnen bei Fehlverhalten ein ökonomischer Schaden. Dies ist die beste Vorsorge gegen derartige Betrugsfälle. Was ist nun, ein halbes Jahr nach Bekanntwerden des Vorfalls, von den Versprechen der Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner übrig geblieben? Der 10-Punkte-Plan des Landwirtschaftsministeriums vom Januar sieht eine verpflichtende Betriebs- und Produkthaftpflichtversicherung für Futtermittelhersteller oder eine gleichwertige Absicherung des Haftungsrisikos vor. Konkretisiert hat man dieses Vorhaben bislang nicht.


Herkunft transparent machen

Auch war eine verpflichtende Positivliste mit allen zulässigen Futtermitteln geplant. "Zukünftig müssen Herkunft und Lieferkette transparent gemacht werden", fordert Graefe zu Baringdorf. Die bereits bestehende, freiwillig zu nutzende Positivliste für Einzelfuttermittel wird von der Normenkommission im Zentralausschuss der Deutschen Landwirtschaft erstellt. Sie gibt unter anderm Auskunft über Hersteller, Herstellungsprozess, Lagerung, verwendete Hilfsstoffe und Informationen zu unerwünschten Stoffen. Laut Landwirtschaftsministerium des Landes Nordrhein-Westfalen sollte die Positivliste auch Einfluss auf das Risikomanagement der Futtermittelkomponenten haben. Das Bundesministerium hat eine verbindliche Positivliste auf nationaler Ebene verworfen, da diese nur auf europäischer Ebene umsetzbar sei. Aigners Versuch, der wenig strengen europäischen Positivliste deutsche Kriterien zugrunde zu legen, ist inzwischen gescheitert.


Streit um Kontrollen

Die anfänglich angekündigten Ausweitungen der amtlichen Dioxin-Kontrollen reduzierten sich auf eine Projektgruppe, die verbesserte Kontrollen vorantreiben soll. Gehandelt wurde dagegen bei den Eigenkontrollen: Im Rahmen der zu ändernden Futtermittelverordnung gibt es einen Entwurf, der den Futtermittelunternehmen unter anderem Vorgaben über die Häufigkeit der Eigenkontrollen macht. Der Entwurf unterscheidet zwischen drei Kategorien von Futtermittelkomponenten: Futterfettsäuren und deren Produkte müssen zu hundert Prozent, pflanzliche und tierische Fette und Öle zu 50 Prozent untersucht werden. Bestimmte Fischprodukte sowie Erzeugnisse, die unter direktem Einsatz von Verbrennungsgasen getrocknet wurden, müssen zu 20 Prozent untersucht werden. Ob die Kategorien das Dioxin-Risiko widerspiegeln, ist fraglich. Beispielsweise tragen Brotmehle, die unter Einsatz von Verbrennungsgasen getrocknet wurden, ein sehr hohes Dioxin-Risiko. Dem Entwurf nach sollen sie aber nur selten untersucht werden. Vorgenommen werden müssen die Eigenkontrollen laut Entwurf vor der Verarbeitung und bei Partien, die 200 t nicht überschreiten. Da die Futtermittellobby bei der Anhörung des Entwurfs bereits heftige Kritik geäußert hat, bleibt die Endfassung des Entwurfs abzuwarten.

Betriebe, die Futterfett herstellen, lagern, inverkehrbringen oder befördern, sollen nach einem weiteren Gesetzesentwurf eine Zulassung beantragen müssen - Voraussetzung für einen Überblick der Behörden. Die Futterfettfirmen müssen die Trennung von Anlagen für Industriefett und Futterfett sicherstellen. Wirklich relevant ist diese Vorgabe nicht, geht man von einem gezielten Verschneiden von Fetten aus. Dies ist zwar nach der europäischen Futtermittelverordnung verboten, wird nach Einschätzung von Graefe zu Baringdorf aber häufig praktiziert, um so im Endprodukt unter den zulässigen Grenzwerten zu bleiben. Nach dem Entwurf soll das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zukünftig ein vierteljährliches Dioxin-Monitoring durchführen, in das alle von Unternehmen und Behörden erfassten Daten einfließen sollen. Dazu müssen private Labore nach dem Entwurf sämtliche Ergebnisse an die Behörden weiterleiten.

Entscheidende Forderungen nach Entschädigung der Bauern und Nennung der Verantwortlichen scheinen vergessen. Andere, wie die nach härteren Sanktionen, einer verbindlichen Positivliste und mehr amtlichen Kontrollen werden angeblich weiter debattiert oder wurden an andere Entscheidungsebenen übertragen.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 345 - Juni 2011, S. 20
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juli 2011