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LANDWIRTSCHAFT/1516: Genossen für Leguminosen (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 353 - März 2012
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Genossen für Leguminosen
Erhaltungszüchtung unter Eigenregie von Bauern

von Christoph Dahlmann



Der Trend auf den Ackerflächen der Republik ist: Die Leguminosen machen sich mit kaum drei Prozent Anteil ziemlich rar. Wer noch selber Körnerleguminosen wie Ackerbohne oder Erbse anbaut, weiß, dass das Sortenspektrum recht überschaubar ist und es immer weniger Neuzulassungen gibt. Daraus resultiert dann, was in Fachkreisen gerne als sich "negativ verstärkendes System" umschrieben wird, sprich: keine Abnahme - kein Anbau; kein Anbau - keine Abnahme. Nur noch ein Züchterhaus - die Norddeutsche Pflanzenzucht, kurz NPZ - bearbeitet Erbse und Co. mit einem vollständigen Zuchtprogramm in Deutschland. Im Vergleich dazu gibt es 16 vollständige Zuchtprogramme für Winterweizen. Diesem Zustand etwas entgegen zu setzen, hat sich eine Gruppe von Bauern und Bäuerinnen zum Ziel gesetzt und die Bäuerliche Öko-Saatgut eG gegründet. Gründungsmitglieder sind Saatgutvermehrer aus Hessen und Nordrhein-Westfalen sowie der Bioland-Landesverband Hessen.


100 Prozent Bio

Einer der Initiatoren ist Uwe Brede. Als Biolandbauer bewirtschaftet er zusammen mit seiner Frau Babette Löber die hessische Staatsdomäne Niederheisheim im Schwalm-Eder-Kreis. Von den 180 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche werden die 150 Hektar Ackerland seit 30 Jahren pfluglos und seit 17 Jahren Bio bewirtschaftet. Zentrales Element innerhalb der Fruchtfolge sind Leguminosen. Zum einen Rotklee, Erbse und Ackerbohne zur Vermehrung und die Ackerbohne auch als eigene Proteinquelle für die 9.000 Legehennen. Schon seit 2002 setzen die Betriebsleiter der Staatsdomäne und drei weitere Höfe, die "100 % Bio"-Forderung in der Fütterung um. Hierfür bedarf es einer sehr guten Futtermittelberatung und natürlich der passenden, regional anbaubaren Eiweißpflanzen.


Geschälte Ackerbohne

In Zusammenarbeit mit einem Futtermittelberater entwickelten die Betriebe ein Verfahren, welches den Gehalt der sogenannten sekundären Inhaltstoffe, wie Tannine, Vicin und Covicinein der Ackerbohne, die die Proteinverdaulichkeit beziehungsweise die Legeleistung negativ beeinflussen, senkt. Sie "schälen" die Ackerbohne, da 98 Prozent dieser Inhaltsstoffe in der Schale stecken. Das funktioniert so: Mittels einer Hammermühle mit grobem Sieb wird die Schale der Ackerbohne gelöst und mittels Windsichter getrennt. Von 20 Tonnen Ausgangsware bleiben 18,5 Tonnen "geschälte Bohnen" und 1,5 Tonnen Schalen, welche in der Rindviehfütterung eingesetzt werden. Hier haben die Tannine sogar einen positiven Einfluss, da sie den Nährstoffabbau im Pansen verbessern. Die "geschälte" Ackerbohne wird als Hauptproteinträger der Futterration zugemischt. Die Legehennen kommen im fünfjährigen Schnitt auf 269 Eier pro Huhn und Jahr, was sich durchaus sehen lassen kann.


Bäuerliche Zucht

Neuere Leguminosen-Sorten enthalten in der Regel weniger der sekundären Inhaltsstoffe. Es gibt aber die Vermutung, dass mit dem "Wegzüchten" dieser Inhaltsstoffe auch eine geringere Widerstandskraft der Pflanze gegenüber Schädlingen einhergeht. An diesem Punkt beginnt nun die andere, eigentliche Geschichte, die der Leguminosen-Erhaltungszucht. Uwe Brede baut schon lange Körnerleguminosen an, er kennt sie noch, die alten, langen und buntblühenden Sorten und sieht, wie sie nach und nach mangels Erhalt durch die Züchter auslaufen. All diese Aspekte nahm Brede zum Anlass, selber aktiv zu werden. Aufgegriffen wurde die Idee der partizipativen Züchtung, was bedeutet, dass Landwirte an der Erhaltung und Züchtung von Genotypen aktiv beteiligt sind. Hierbei wird eine bestehende Sorte, die von dem Lizenzeigentümer nicht weiter züchterisch bearbeitet und auch nicht mehr vertrieben wird, übernommen. Die Personen oder Gemeinschaft, die mit dieser Sorte weiter arbeiten möchten, müssen mit dem Lizenzeigentümer in Verhandlung treten. Dies haben Uwe Brede und seine Partner bei der Ackerbohnensorte Bilbo gemacht. Der Züchter, ein aus Italien stammendes Unternehmen, hatte die Lizenz an die KWS Lochow-Petkus GmbH aus Einbeck abgetreten, die letztlich der Übernahme zustimmte. Die Genossenschaft konnte 100 Samen der Ackerbohnensorte Bilbo von der Genbank in Gatersieben zur Vermehrung beziehen.


Gesellschaftliche Aufgabe

Dies ist der Grundstock und wird nun beim Anbau in einem Gewächshaus gut behütet. Ziel ist es, in drei bis vier Jahren vermehrungsfähiges Material zu erzeugen, welches dann unter den Mitgliedern der Genossenschaft und darüber hinaus gehandelt wird. Die Handelbarkeit von Erhaltungssorten wird durch zwei Sachverhalte deutlich eingeschränkt: Das Saatgut darf nur in der "Ursprungsregion" erzeugt und gehandelt werden und die Saatgutmenge darf 0,3 beziehungsweise 0,5 Prozent der gesamten Saatgutmenge eines Landes bei Erbse oder Ackerbohne nicht überschreiten. Das entspricht jeweils kaum mehr als 200‍ ‍Hektar pro Kultur. Das die beschriebenen Einschränkungen beim Handel von Saatgut aus Erhaltungszucht nicht für Mitglieder der Genossenschaft gelten, war mit ein Grund für die Wahl der Rechtsform. Zudem war den Initiatoren wichtig, dem Ansatz der partizipativen Zucht auch in ihrer Organisationsform Ausdruck zu verleihen. Unabhängig von der Höhe der Einlage hat jede Stimme das gleiche Gewicht. "Züchtung ist eine gesellschaftliche Aufgabe", betont Brede immer wieder, dementsprechend sollte hier nicht nach den gängigen Marktgesetzen gehandelt werden. Dieses müsse auch verstärkt in der EU-Agrarreform-Debatte thematisiert werden. Bredes Überzeugung ist: "Jedes fünfte Jahr Leguminosen in der Fruchtfolge sind nicht nur aus fördertechnischer Sicht eine gute Forderung."

Christoph Dahlmann
Pro "Vom Acker in den Futtertrog"

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 353 - März 2012, S. 18
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Mai 2012