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LANDWIRTSCHAFT/1535: Lizenzgebühren für die Aussaat von Konsumgetreide (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 357 - Juli/August 2012
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Ablasshandel in der Illegalität
Zweifelhaftes Angebot der Züchter von Lizenzgebühren für die Aussaat von Konsumgetreide

von Claudia Schievelbein



Als nach dem großen Frost in diesem Frühjahr die Getreideäcker gelb wurden, haben die weitsichtigen unter den Verantwortlichen beim Bundesverband deutscher Pflanzenzüchter (BDP) und seinem verlängerten Arm, der Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH (STV), wahrscheinlich bereits jubiliert. Abgefrorenes Wintergetreide veranlasst Bauern und Bäuerinnen zur Nachsaat von Sommerungen - nicht immer mit Z- oder Nachbausaatgut, sondern - widerrechtlicherweise - mit Konsum- oder Futtergetreide. Zum einen gibt es in Jahren mit großen Auswinterungsproblemen - und dies Jahr ist eins mit einem extremen Auswinterungsproblem (eine Mio. Hektar sind abgefroren) - generell Schwierigkeiten mit der Verfügbarkeit von Saatgut. In diesem Frühjahr war die Situation dramatisch. Natürlich kann man von Züchtern und VO-Firmen nicht erwarten, immer so viel vermehren zu lassen, dass jegliche Naturkapriole abgefangen werden kann, aber vielleicht rächt sich, dass Saatgutvermehrung für Bauern und Bäuerinnen in den vergangenen Jahren durch zunehmende Kontrollauflagen und geringere finanzielle Vergütung nicht gerade attraktiver geworden ist. Der Griff zu Konsumgetreide zur Nachsaat hat auch finanzielle Gründe. Steht man im März vor dem Nichts, hat aber Geld für Saatgut und Arbeit investiert und muss nun die ertraglich unattraktivere Sommerung erneut verbunden mit Geld und Arbeit aussäen, will man sparen.


Misstrauen und Verunsicherung

Dies Jahr war der Ausfall so massiv und das Angebot an Saatgut im Frühjahr so gering, dass Züchtern und STV klar sein musste, dass überdurchschnittlich viel Konsumgetreide ausgesät wird. Sie hätten zwar immer noch rechtlich dagegen argumentieren können, sich aber den Unmut der Bauern und Bäuerinnen zugezogen. Warum daraus nicht einen Imagegewinn und Kapital schlagen? Im Bauernverband fand man einen willfähigen Helfer dabei, sich eine unrechtmäßige Abzocke auszudenken und sie zu einem Gutmenschendienst an den Bauern und Bäuerinnen in Anerkennung ihrer Notlage zu formulieren. So wird nämlich begründet, dass BPD und STV sich den widerrechtlichen Anbau von Konsumgetreide mit Lizenzgebühren bezahlen lassen wollen. Ein Drittel der ursprünglich für die Sorte fälligen Z-Lizenzgebühren, so der mit dem Bauernverband ausgehandelte "Deal", sollen die Bauern und Bäuerinnen zahlen, wenn sie den Züchtern Auskunft über ihr Fehlverhalten geben. Ein weiteres Drittel soll der sich outende Landhandel abführen und gleichzeitig eine Unterlassungserklärung für die Zukunft unterschreiben. Es ist perfide Genialität, beide Beteiligten des Geschäfts zur Denunziation des jeweils anderen zu bringen. Wie so oft arbeitet die STV mit dem Instrument der Einschüchterung und Verunsicherung und schafft unter Handelspartnern eine Atmosphäre von Misstrauen. Dabei wird ein Rechtsbruch nicht legal, nur weil nun für ihn Lizenzgebühren von einer privatwirtschaftlichen Vereinigung erhoben werden. Das heißt, Bauern und Bäuerinnen und der Handel können noch nicht einmal sicher sein, dass der Ablasshandel sie vor Strafe schützt.


Schaden und Spott

Ein Ablasshandel durch Lizenzgebühren, die von der Bemessung her (60 Prozent der Z-Lizenz) auch noch höher sind als die maximale von der EU festgelegte und vom EuGH bestätigte Höhe von Nachbaugebühren (50 Prozent der Z-Lizenz) für ein Produkt, was vielfach von seiner Qualität her nicht dem von Nachbausaatgut entspricht. Häufig genug handelt es sich bei Konsumware um Sortenmischungen - auch dafür hat die STV übrigens eine Lösung: Sorte unbekannt und pauschale Lizenzgebühr - oder weniger gut aufbereitete Futterware (deshalb gibt es dies Jahr so schöne rote Mohnfelder). Wer das mitmacht, hat also nicht nur zu zahlen, sondern auch Schaden und Spott zu tragen. Zu Schaden und Spott passt auch die Geschichte von den zehn Bauern, die froh und glücklich, überhaupt noch eine Partie Sommerweizen bekommen zu haben, diese auf 400 Hektar aussäten und nun mit ansehen müssen, dass sich Bodendecker entwickeln. Es war nämlich Winterweizen, den der Händler hoffentlich ohne böse Absicht, froh seinen Kunden doch noch irgendwas anbieten zu können, verkaufte. Ernten werden diese Bauern auch von ihrer zweiten Aussaat nichts, Ironie des Schicksals ist, dass es zweimal der Frost ist, der den Schaden macht, einmal durch seine Anwesenheit, einmal durch seine Abwesenheit, sprich durch die nicht induzierte Bestockung. Es bleiben 400.000 Euro Schaden, die nicht offiziell geltend gemacht werden können, weil die Bauern illegal säten.

Gefordert sind die politisch Verantwortlichen. Sie müssen die Bauern und Bäuerinnen aus der Illegalität holen und einmalig eine Ausnahme von den entsprechenden gesetzlichen Rahmen in Saatgutverkehrs- und Sortenschutzgesetz beschließen. Wäre der Bauernverband eine Interessenvertretung der Bauern und Bäuerinnen, hätte er sich längst dafür eingesetzt. Der Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium Peter Bleser (CDU) hat die Gesprächsanfrage der Interessengemeinschaft gegen die Nachbaugebühren und Nachbaugesetze (IGN) diesbezüglich abgelehnt, da es ja einen Brief mit demselben Tenor von der IGN an die Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner gebe und somit nur schriftlich reagiert werde. Die Zeit drängt, in ein paar Tagen läuft die Frist ab zur Teilnahme an der Vereinbarung zur Lizenzzahlung, danach droht die erneute flächendeckende Beschäftigung der Gerichte durch die STV mit ihren Klagen gegen Bauern und Bäuerinnen und Unfrieden auf dem Land. Wer bislang still gehalten hat, sollte das auch weiter tun und sich im Falle von Anwaltspost unverzüglich an die IGN wenden. Geerntet wird schließlich, was gesät wurde.


IGN-Geschäftsführung, Georg Janßen: 04131 407757, oder die Anwälte der IGN, z. B. Jens Beismann: 0511 22886312.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 357 - Juli/August 2012, S. 15
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. August 2012