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LANDWIRTSCHAFT/1595: Wann ist die Leguminose grün? (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 373 - Januar 2014
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Wann ist die Leguminose grün?
Politisches Tauziehen bei der Ausgestaltung des Greening in Brüssel und Berlin

von Christine Weißenberg



"Greening - eine Chance für Leguminosen?" Rund um diese Frage drehten sich Ende November die Vorträge auf dem 3. Leguminosentag im Lehr- und Versuchs-Zentrum Haus Düsse der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen (NRW). Eine klare Antwort konnte den mehr als 70 Teilnehmenden auf Grund politischer Ungewissheiten jedoch keiner der ReferentInnen geben. Die Vorzüge des Anbaus von Hülsenfrüchten, wie Ackerbohne und Erbse, innerhalb der Fruchtfolge wurden sowohl von Bauern als auch Beratern deutlich benannt. Christoph Dahlmann, Mitveranstalter und Leiter des Projektes "Vom Acker in den Futtertrog - Zukunftsweisende Eiweißfutterversorgung in NRW" der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) sprach von einer "optimalen Kombination aus nachhaltiger Landbewirtschaftung, regionaler Erzeugung von hochwertigem und gentechnikfreien Eiweiß, Förderung der Bodenfruchtbarkeit und Klimaschutzwirkung". Er forderte flankierende politische Rahmenbedingungen, um den Anbau dieser Pflanzenfamilie dauerhaft innerhalb der Fruchtfolgen zu etablieren und so auch Zucht und Marktchancen voranzutreiben. Ein Anreiz könnte in der Anerkennung als Beitrag zur Ökologisierung im Rahmen der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) liegen. Genau dies ist jedoch eins der noch ungeklärten Details des Reformpaketes, die durch die EU Kommission noch genauer ausgeführt werden müssen, während die Mitgliedsstaaten dies kritisch beobachten und an ihrer eigenen Umsetzung in nationales Recht arbeiten. Fest steht: Nach einem Übergangsjahr treten erst 2015 die Änderungen der neuen EU-Agrarförderperiode voll in Kraft. Von da an erhalten Bauern und Bäuerinnen 30 Prozent der Direktzahlungen nur dann, wenn sie auf ihren Flächen ökologische Mindeststandards bei der Anbaudiversifizierung, dem Erhalt von Dauergrünland und der Bereitstellung ökologischer Vorrangflächen (ÖVF) zum Schutz der biologischen Vielfalt erfüllen.


Ökokomponente Leguminose

Während des Agrarreformprozesses wurde diskutiert, die Leguminosen im Rahmen der Anbaudiversifizierung als festen Bestandteil der Fruchtartenvielfalt auf der gesamten Ackerfläche eine Betriebes vorzuschreiben. Die AbL sowie andere Verbände und Organisationen forderten einen Anteil von 20 Prozent. Die europäische Einigung von Kommission, Parlament und Rat sieht jedoch nur vor, dass Betriebe ab zehn Hektar Acker mindestens zwei Kulturen anbauen sollen, von denen eine maximal 75 Prozent der Fläche einnehmen darf. Betriebe ab 30 Hektar Acker müssen mindestens drei Kulturen vorweisen, von denen eine ebenfalls maximal 75 Prozent und zwei Hauptkulturen zusammen maximal 95 Prozent der Fläche ausmachen dürfen. Betriebe mit mehr als 75 Prozent Grünland sind von der Regelung freigestellt. Die Chance, die noch bleibt, um den Leguminosenanbau mit Hilfe der GAP gezielt zu fördern, liegt bei den ÖVF: Betriebe ab 15 Hektar Ackerland müssen einen Anteil von fünf Prozent zur Flächennutzung im Umweltinteresse ausweisen. Die Liste der zur Verfügung stehenden Maßnahmen umfasst u.a. brachliegende Flächen und Landschaftselemente, wie Hecken, Bäume, Feldrandstreifen und Teiche. Als Möglichkeit der produktiven Nutzung ist der Anbau von Zwischenfrüchten und stickstoffbindenden Pflanzen enthalten. Die Mitgliedsstaaten können auswählen, welche der Maßnahmen sie anbieten, müssen aber ökologisch gewichten, wenn sie die produktive Nutzung mit einbeziehen. Die Kriterien für die konkrete Ausprägung sowie die Faktoren zur Gewichtung legt die EU Kommission fest. Deren erster Entwurf sorgte durch verschärfende Auflagen und wenig differenzierte Wichtungsfaktoren für Aufruhr: Demnach sollen z.B. Leguminosen nur mit eingeschränktem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und ohne Dünger angebaut werden. Für Zwischenfrüchte wurde die Aussaat von Gemengen vorgeschrieben. Beide Maßnahmen wurden mit dem Faktor 0,3 bewertet. Das heißt, um einen Hektar ÖVF nachweisen zu können, müssten 3,33 Hektar Leguminosen bzw. Zwischenfrüchte angebaut werden. Auf dem Leguminosentag bescheinigte Dr. Harald Lopotz, leitender Betriebswirtschaftler bei der Landwirtschaftskammer NRW, dem Anbau von Hülsenfrüchten im Rahmen der ÖVF eine erhöhte Rentabilität. Denn gegenüber marktdominanten Kulturen wie Getreide könnten die Leguminosen den Bonus der Greeningzahlung für sich verbuchen. Allerdings führte Lopotz aus, dass dieser Bonus verglichen mit günstiger umsetzbaren Maßnahmen, wie einer Brache oder dem Zwischenfruchtanbau, geringer ausfällt. Durch eine stärkere ökologische Gewichtung könnte die relative Vorzüglichkeit des Leguminosenanbaus erhöht werden. Dies widerspricht zunächst dem Ziel einer Ausweitung der Anbaufläche. Denn bei einem sowohl auf dem Leguminosentag als auch im Bundeslandwirtschaftsministerium favorisierten Faktor 0,5 würden zwei Hektar angebaute Hülsenfrüchte reichen um ein Hektar ÖVF zu erbringen. Eine andere Möglichkeit liegt in der Reduzierung der Gewichtung anderer Maßnahmen, die, wie der Erhalt von Feldrandstreifen, sehr leicht zu erfüllen sind und zwar einen positiven ökologischen Wert, aber nur wenig oder gar keinen Zugewinn an ökologisch wertvoller Fläche im Vergleich zum aktuellen Stand verbuchen können.


Greening ohne Pestizide?
Beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Leguminosenanbau auf den ÖVF scheiden sich die Geister: 23 EU-Staaten sprechen sich gegen jegliche Einschränkung aus. Umwelt- und Ökoverbände fordern ein Verbot, weil Pestizide nicht vereinbar seien mit dem Ziel, Artenvielfalt zu schützen. Auch die fünf grünen Landesagrarminister Deutschlands sprechen sich gegen deren Einsatz auf ÖVF aus. Agrarkommissar Dacian Ciolos soll sich aktuell gegen ein grundsätzliches Verbot ausgesprochen haben und bekräftigt so die Formulierung des Kommissionsvorschlags. Es dürfte klar sein, dass es für konventionell wirtschaftende Betriebe ein doppelt schwerer Schritt ist, sowohl in den Anbau einer "neuen" Kultur einzusteigen als auch auf die gewohnten chemischen Hilfsmittel zu verzichten. Für Experimentierfreudige könnte die begrenzte ÖVF jedoch zum Ausprobieren und Erfahrungen sammeln dienen. Ansonsten bleibt abzuwägen, ob es die vielfältigen Ökosystemleistungen der Hülsenfrüchte wert sind, Kompromisse einzugehen. Jürgen Recknagel vom Sojaförderring kann sich z.B. eine Beschränkung auf den Einsatz von Herbiziden außer zur Vorerntebehandlung vorstellen. Denkbar wäre auch eine schrittweise Reduzierungsstrategie für Pflanzenschutzmittel in den für ÖVF zugelassenen Kulturen oder differenzierte Gewichtungsfaktoren. Voraussetzung bleibt der politische Wille der Bundesregierung, die eigene nationale Eiweißpflanzen-Strategie und gesellschaftliche Anliegen ernst zu nehmen und stimmige Wege zu gestalten. Es geht um eine Chance für die Leguminosen, sich vor Ort auf den Betrieben um einen Platz in der Fruchtfolge zu bewerben, ihre Vorzüge zu präsentieren und diese durch langfristige Weiterentwicklung auszubauen.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 373 - Januar 2014, S. 6
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. März 2014