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LANDWIRTSCHAFT/1721: Leguminosenflächen vorrangig ökologisch (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 411 - Juni 2017
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Leguminosenflächen vorrangig ökologisch
Bohne, Börde, Bodenstruktur, Brasilien - und wie das auch noch mit Pestiziden zusammenhängt

von Claudia Schievelbein


Ökologische Vorrangflächen und Pestizide klingen schon von den Begrifflichkeiten her wenig vereinbar. Tatsächlich ist es mehr als fragwürdig, wo denn der Ökologie Vorrang gewährt wird, wenn Wirkstoffe wie Glyphosat eingesetzt werden können, deren einziger Sinn und Zweck es ist, Ökologie im Sinne einer Artenvielfalt auszuschalten zugunsten des Vorrangs einer einzigen Art, der Kulturpflanze. Oder der Wirkstoff Pendimethalin, der ebenfalls der Unkrautbekämpfung, also der Artenreduktion auf der behandelten Fläche, dient, aber darüber hinaus auch noch durch seine hohe Flüchtigkeit weit auf andere Flächen, egal ob ökologisch vorrangige, konventionelle oder ökologisch bewirtschaftete, verfrachtet werden kann. Beide Wirkstoffe setzen aber konventionelle Ackerbauern auf sogenannten ökologischen Vorrangflächen (ÖVF) ein, seit die EU-Kommission diese im Rahmen des Greenings einführte und die Chemie-und Bauernverbandslobby die Pestizidanwendung auf eben jenen hineinverhandelte. Den Unterschied beim Greening macht die Frucht, der Anbau von Leguminosen erfuhr durch die Einführung ihrer Exklusivität als Hauptfrucht für jene ÖVF in den vergangenen zwei Jahren geradezu einen Boom. Plötzlich bauten konventionelle Ackerbauern Bohnen und Erbsen an, die die Wirkung von Knöllchenbakterien nur noch vom Hörensagen kannten. Noch mehr Experimentiergeist, diese womöglich ohne Pestizide anzubauen, hätte viele überfordert und wohl längst nicht zu jenen Steigerungen der Anbauzahlen geführt. Das vergrößerte Angebot, gepaart mit der gesellschaftlichen und zunehmend auch vom Lebensmitteleinzelhandel eingebrachten Forderung nach einer Nutztierfütterung mit heimischen (weil gentechnikfreien und regenwaldschonenden) Weiterzuvermitteln, ließ und lässt die nach wie vor wenig bewegliche Front der Futtermittelwerke in Sachen Annahme, Verwertung und Bezahlung zumindest bröckeln. Gleichzeitig stärkte der Leguminosenboom die in den vergangenen Jahren eher schwache Position der letzten verbliebenen Züchter in dem Segment, ließ Hoffnungen auf mehr Aktivität und auch finanzielles Engagement wachsen.

Neues Greening?

Nun soll, geht es nach dem Willen von EU-Agrarkommissar Phil Hogan, in einer Revision des Greenings erneut ein Verbot von Pestiziden auf Ökologischen Vorrangflächen kommen. Wieder formierte sich Widerstand, unterstützt von EU-Parlamentariern, allen voran dem konservativen EVP-Abgeordneten Albert Deß aus Bayern. Dass in der, nur als Paket eingebrachten, Greeningrenovierung auch aus ihrer Sicht unstrittig positive Änderungen (wie die Möglichkeit Gemenge, also beispielsweise auch Kleegras auf ÖVF anzubauen) stecken, bedauern die Kritiker. Dass die dann auch entfallen würden, wird aber als Kollateralschaden im Kampf für Pestizide akzeptiert bzw. die Unteilbarkeit des Maßnahmenbündels als unlautere Tour kommentiert. Auf dem Acker fürchten konventionelle Neueinsteiger in Sachen Leguminosen vor allem Unkraut und auch Läuse und durch sie übertragene Viruskrankheiten und würden den Königinnen des Ackerbaus zugunsten von Zwischenfrüchten auf ÖVF wieder den Rücken kehren, so die Befürchtung der Kritiker.

Neue Herausforderungen

Auch eine praktische Versuchsanstellung wie die des Demonetzwerks Erbse/Bohne und des AbL-Projektes Eiweißfuttermittel aus Niedersachsen (EFN), in dem Öko-Ackerbauer Jan Wittenberg bei seinem konventionellen Kollegen Thomas Stadler auf einem Hektar dessen Ackerbohnenfläche im niedersächsischen Alfeld mechanisch unkrautreguliert, wird Skeptiker, das wurde bei einer Ackerbegehung deutlich, nur begrenzt überzeugen. Zwar stehen auf der bislang dreimal gestriegelten und einmal mit der Kombination aus Trefflerhacke und Striegel bearbeiteten Fläche die Bohnen genauso gut und weitestgehend ohne Unkraut da wie auf dem konventionell mit Glyphosat, Pendimethalin und zweimal mit Bentazon behandelten Reststück. Auch die Kosten gehen bislang nicht so weit auseinander, als dass es gegen die mechanische Variante spräche. Zwar bleibt die Frage, wie konventionelle Betriebe die Frage nach der ja nicht standardmäßig vorhandenen Technik beantworten sollen (Maschinengemeinschaft, selber kaufen, den Ökonachbarn im Lohn engagieren?). Entscheidender scheint aber die Furcht, die vermeintlich einfacheren und ausgetretenen Wege zu verlassen und sich der wieder größeren ackerbaulichen Herausforderung zu stellen. Konventionellen Bauern und Bäuerinnen ist klar, dass mechanische Unkrautbekämpfung mehr Fingerspitzengefühl und das Erkennen und die Schlagkraft zum richtigen Zeitpunkt erfordert. Gleichzeitig ist vielen aber ebenso klar, dass sie nicht nur aufgrund des womöglich drohenden Pestizidverbots im Greening etwas an ihrer Bewirtschaftung ändern müssen. Auch Thomas Stadler hat die Ackerbohne bereits seit fünf Jahren im Anbau, also noch bevor sie zur Greenfrucht avancierte, weil er aufgrund zunehmender Probleme mit Resistenzen seine Fruchtfolge erweitern wollte.

Und Fragen

Die Frage ist also, wie lange es noch Erfahrungen konventioneller Ackerbauern mit gespritzten Leguminosen braucht, um sie so sehr mit der neuen alten Frucht vertraut gemacht und von den positiven Wirkungen in Sachen Nährstoffversorgung, Bodenstruktur oder Ackerfuchsschwanzproblemen überzeugt zu haben, dass sie sich den Anbau auch ohne Pestizide zutrauen. Die Frage ist auch, wie lange es noch Leguminosenerntemengen auf mindestens heutigem Niveau braucht, um Futtermittelwerke von der Bereitschaft zur Verwertung und Vermarktung und schlussendlich auch der Zahlung besserer Preise zu überzeugen. Und die Frage ist auch, wie lange die Pflanzenzüchter noch brauchen, um Leguminosen wieder als Bereicherung ihres Produktportfolios angesichts eines gesellschaftlich gewünschten vielfältigeren Ackerbaus und angesichts eines vor vielen Problemen stehenden, bislang einseitig auf Ertragssteigerung ausgerichteten Wettlaufs zu sehen. Es ist die absurde Situation entstanden, dass gespritzte Leguminosen auf ÖVF zwar nur wenig unmittelbar ökologisch von Vorteil sind (ja, sie werden immer noch weniger gespritzt als andere Kulturen, ihr reines Dasein in der weiteren Fruchtfolge bewirkt mindestens manchmal, dass andere Kulturen weniger gespritzt werden, sie erweitern das Blütenspektrum für Bienen und andere Insekten und darüber freuen sich dann die Vögel...). Aber sie haben eben doch einige wichtige positive Auswirkungen, die an anderer Stelle - beispielsweise am Amazonas - sogar auch ökologisch sind.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 411 - Juni 2017, S. 12
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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(verbilligt auf Antrag 30,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. August 2017

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