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MARKT/1688: Streit in der Bundesregierung um das Milchdumping (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 321 - April 2009
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Streit in der Bundesregierung um das Milchdumping
Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul widerspricht Agrarministerin Aigner und freut sich über zunehmenden gesellschaftlichen Druck

Von Berit Thomsen


Sie strahlt. Sie lässt ihren Charme sprühen. Sie sagt gegenüber den Medien Sätze wie: "Die Lage für die Milchbauern ist dramatisch." Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner hat dennoch im EU-Agrarrat am 23. März in Brüssel nicht einmal die Forderung durchgebracht, die nächste im Health-Check beschlossene Milchquotenerhöhung zum 1. April aufzuschieben. Demnach bleibt es vorerst dabei, dass die Milchquote ab April 2009 fünf mal um jährlich ein Prozent angehoben wird. Auch an den Exportsubventionen für Milchprodukte, die am 23. Januar wieder eingeführt worden sind und kurz darauf noch mal angehoben wurden, wird festgehalten. Seither und weiterhin können mit wenigen Ausnahmen die subventionierten Exporte in allen Ländern der Welt abgesetzt werden.


Aigner hält an Dumping fest

Aigner hatte sich dafür eingesetzt, die ärmsten Entwicklungsländer von dieser Regelung auszunehmen. "Sie hat damit anerkannt, dass diese gedumpten Exporte zerstörerische Wirkungen auf Märkte vor allem in Ländern der Dritten Welt haben", kommentiert AbL-Bundesvorsitzender Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf das Vorgehen. "Aber es ist eine Illusion zu glauben, mit dieser Einschränkung könnten die Wirkungen eingedämmt werden. Länder, in die subventionierte Exporte gehen, bleiben davon betroffen." Der logische und auch notwendige Beschluss, die Exportsubventionen ganz abzuschaffen, bleibt seitens des Landwirtschaftsministeriums aus. Dafür müsste vermutlich auch erst die Hürde Deutscher Bauernverband genommen werden, der jüngst sogar noch eine Erhöhung der Exportsubventionen für Milchprodukte gefordert hat.

Am Rande des EU-Agrarrats hat Ilse Aigner noch ein Konjunkturpaket in Höhe von bis zu 90 Millionen Euro angekündigt, die ihrem Willen nach den Milchbauern zu Gute kommen sollen. Auf der Agrarministerkonferenz von Bund und Ländern Ende März will sie ihre Länderkolleginnen und Kollegen dafür gewinnen, das Geld aus dem EU-Konjunkturpaket in den Milchbereich statt in Breitbandnetze der Telekom zu stecken. "Allerdings kann man nun mit einer derart geringen Finanzspritze nicht einfach retten, was vor wenigen Monaten durch Fehlentscheidungen im Bundesrat und in Brüssel verbrochen wurde", sagt Graefe zu Baringdorf. "Die im März und November letzten Jahres von den EU-Agrarministern beschlossenen Milchquotenerhöhungen sind mit verantwortlich für den rapiden Preisverfall."


Gesellschaftlicher Druck wächst

Eine neue Ausrichtung der europäischen Milchmarktpolitik fordert ein deutsches Aktionsbündnis von 30 Organisationen und Netzwerken, das die Arbeitsgemeinschaft bäuerische Landwirtschaft (AbL) mit initiiert hat. Das Bündnis hat in der Campact Onlineaktion "Stoppt das Milchdumping" binnen sechs Tagen 18.000 Unterschriften gesammelt für die Forderungen, die Exportsubventionen sofort abzuschaffen und die europäische Milchproduktion am Bedarf auszurichten. Diese Vorschläge richteten sich im Vorfeld des EU-Agrarrats an Ilse Aigner und Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul.

Während Aigner die Übergabe der Unterschriften durch das Aktionsbündnis am 20. März abgelehnt hatte, nutzte Wieczorek-Zeul den Pressetermin für deutliche Worte: "Exportsubventionen verzerren Märkte. Es hat im Januar keinen Beschluss im Bundeskabinett gegeben, der Wiedereinführung der Exportsubventionen zuzustimmen." Es war das Landwirtschaftsministerium unter Aigners Federführung, das in Brüssel zugestimmt hat. Wieczorek-Zeul begrüßte die Aktion der Verbände und die kritische gesellschaftliche Debatte um die Legitimität von Exportsubventionen: "Als ich 1979 ins Europaparlament kam, wurden weit mehr Exportsubventionen gezahlt, aber es wurde in der Öffentlichkeit kaum darüber geredet. Gut, dass das anders ist."


Comeback veralteter Instrumente

Bisher sind EU Lizenzen für Exporterstattungen für insgesamt 50.000 Tonnen Butter, 61.000 Tonnen Magermilchpulver, 60.000 Tonnen Käse und 273.000 Tonnen andere Milchprodukte einschließlich Vollmilchpulver vergeben. Bei dem jüngsten Ausschreibungsverfahren am 19. März wurden für deutlich größere Mengen Exportsubventionen beantragt, für Butter sogar doppelt so viel, als die EU gewährt hat. Auch wurden weit größere Mengen angenommen, nämlich 14.663 Tonnen Magermilchpulver, 5.257 Tonnen Butter und 787 Tonnen Butteröl als noch zwei Wochen zuvor. Da waren gerade mal 3.020 Tonnen Magermilchpulver, 1.828 Tonnen Butter und 48 Tonnen Butteröl akzeptiert worden. Das australische Amt für Landwirtschaft brachte die Meldung raus, dass die Neuauflage der EU-Exportsubventionen die Lage für die australischen Milchbauern verschlimmert hat, da der Weltmarktpreis weiter unter Druck geraten ist.

In der EU hat Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel angekündigt, dass die Interventionsankäufe über die festgelegten Obergrenzen hinaus fortgesetzt werden. Die Obergrenze für Interventionsbutter in Höhe von 30.000 Tonnen war Anfang März in nur drei Tagen ausgeschöpft. Dann bleibt laut EU-Recht nur das Ausschreibungsverfahren, wo normalerweise die billigsten Angebote, zum Zuge kommen. Doch die Kommission hat bei der jüngsten Ausschreibung zu einem Preis aufgekauft, der 99,2 Prozent des Interventionspreises entspricht, betont Fischer Boel. Faktisch kommt das einer Aufhebung der Obergrenzen für die feste Intervention für Butter gleich. Durch dieses "neue" Verfahren sind bereits 6.665 Tonnen Butter angekauft worden, es soll bis Ende August fortgesetzt werden.

Der Mengendruck auf dem Markt ist eben groß. In der ebenfalls, wenn auch weit geringer mit EU-Geld geförderten privaten Lagerhaltung von Butter liegen bereits knapp 54.000 Tonnen auf Halde. Weiterhin will die Kommission den Interventionskauf auch von Magermilchpulver nach Erreichen der zu einem Fixpreis garantierten Obergrenze von 109.000 Tonnen im Ausschreibungsverfahren fortsetzen. Bisher sind seit Anfang März 54.574 Tonnen Milchpulver in die Intervention gegangen. Eine Milchpreiserholung in der EU wird zunehmend schwieriger, denn immer wenn der Preis hoch will, werden Mengen aus den Lägern auf den Markt gebracht. Der Preisdruck auf den Binnen- und Weltmarkt wird zementiert.


Fazit

Die Agrarpolitik greift, mit Unterstützung von Aigner, auf alte, längst überwunden geglaubte Instrumente wie Exportsubventionen und Intervention zurück. Wenn Aigner also ernsthafte Absichten hätte, die Lage der Milchbauern in Europa und weltweit zu verbessern, dann hieße das, eine sofortige Abkehr von den alten Instrumenten, die die Milchpreise maßgeblich mit zerstören. Erst dann kann sie sich glaubhaft für eine notwendige Mengenreduzierung etwa durch die geforderte Verschiebung der Quotenausdehnung einsetzen und erst dann hat sie auch eine Chance, sich im EU-Agrarrat durchzusetzen.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 321 - April 2009, S. 3
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Mai 2009