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MARKT/1765: Käfigverbot sorgt in der Eierbranche für Veränderungen (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 330 - Februar 2010
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Abstimmung mit dem Frühstücksei?
Käfigverbot sorgt in der Eierbranche für Veränderungen

Von Anneke Jostes


Vielen Verbrauchern verdirbt schon länger das Bild des gequälten Huhns im engen Käfig den Appetit aufs Frühstücksei, aber nun greifen sie im Supermarkt auch zunehmend für ein paar Cent mehr zu Eiern aus alternativen Haltungssystemen. Seit Jahren verändern sich die Marktanteile der verschiedenen Haltungssysteme zu Gunsten des Tierwohls. Machte die Käfighaltung im Jahr 1991 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes noch 97 Prozent aus, sank der Anteil dieser Haltungsform bis zum Jahr 2008 auf gut 62 Prozent. Bereits 2001 folgte die damalige Landwirtschaftsministerin Renate Künast mit dem Verbot der Käfighaltung dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, welches diese Form der Haltung als nicht tierschutzgerecht einstufte. Damals sah es zeitweilig so aus, als ob den deutschen Legehennen schon kurzfristig ein Leben in einem Käfig, welcher gerade mal die Größe eines DIN A4-Blattes an Platz pro Henne vorsieht, erspart bliebe. Doch das folgende Gerangel zwischen Tierschützern, Vertretern der Geflügelindustrie, Verbrauchern und Handel nahm noch einige Jahre in Anspruch. Seit Januar diesen Jahres wird in Deutschland nun endlich keine Henne mehr in einem herkömmlichen Käfig gehalten. Das Nachfolgemodell stellt die aus Tierschutzsicht nur wenig bessere so genannte Kleingruppenhaltung in "ausgestalteten" Käfigen dar. In den anderen EU Ländern gilt das Käfighaltungsverbot ab 2012.


Anders als gedacht

Mit der Umsetzung des Verbots setzt sich der Strukturwandel innerhalb der Haltungsformen sprunghaft in Richtung tiergerechtere Systeme fort. Der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft gibt an, dass nur ca. 5 Prozent der rund 4.000 deutschen Hennenhalter im Haupterwerb auf Kleingruppenhaltung umstellen. 70 Prozent entfallen auf die Bodenhaltung, 15 Prozent auf Freilandeier und weitere 5 Prozent auf die Biohaltung. Die Hennenhalter rüsten kaum auf die Kleingruppenhaltung um, da Käfigeier fast nur noch von der verarbeitenden Industrie und von Großverbrauchern abgenommen werden. Mengenmäßig betrifft das rund die Hälfte der in Deutschland verkauften Eier. Etwa 30 Prozent davon gehen an die Nahrungsmittelindustrie, die restlichen 20 Prozent werden von Großverbrauchern abgenommen. In der verarbeitenden Industrie zählt vor allem der Eierpreis. Für deutsche Hennenhalter ist es wenig lohnend, in die Kleingruppenhaltung zu investieren und dann im Preiskampf mit ausländischen Eierproduzenten zu konkurrieren. Bisher konnten sie einen Teil der Käfigeier aus den alten Anlagen über den Lebensmitteleinzelhandel vermarkten und somit die niedrigeren Preise der an die Industrie verkauften Eier ausgleichen. Damit ist es nun vorbei. Die großen Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels haben Käfigeier beinahe vollständig aus ihrem Sortiment verbannt. Obwohl sich dieser Trend schon seit ein paar Jahren abzeichnet, der Branchenriese Aldi Nord verkauft zum Beispiel schon seit 2004 keine Käfigeier mehr, zeigen sich Vertreter der Eierindustrie nun erstaunt angesichts dieser Entwicklung. "Es hat uns überrascht, dass der Handel der Branche die Haltungsform diktiert", äußerte sich beispielsweise Thomas Janning vom Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft im Dezember letzten Jahres gegenüber der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Darüber, ob der Handel nun plötzlich seine Liebe zum Huhn entdeckt hat, ob er auf das veränderte Verbraucherbewusstsein reagiert oder ob er gar vorausschauend aus Angst vor möglichen Kampagnen handelt, darf spekuliert werden.


Teure Ostern?

Mit dem Inkrafttreten des Verbots der herkömmlichen Käfige macht sich eine Verknappung des Eierangebots in Deutschland bemerkbar. Die Eierbranche wird in Deutschland durch die großen Konzerne mit jeweils mehreren Millionen Hennenplätzen "Deutsche Frühstücksei", "Eskildsen-Gruppe/Landkost-Ei", "Gutshof-Ei" und "Gold-Ei" dominiert. Landkost Ei/Eskildsen gehört über eine gegenseitige Beteiligung zur Gruppe "Deutsche Frühstücksei", so dass diese allein über knapp 50 Prozent der deutschen Produktionskapazitäten verfügt. Ein Umbau der Anlagen wurde teilweise nur zögerlich in Angriff genommen und ist nun noch nicht vollständig abgeschlossen. Vor allem die "Deutsche Frühstücksei" spekulierte auf eine Beibehaltung der Käfige. Der Konzern versuchte darüber hinaus vergeblich, den ausgestalteten Käfig als "ideales Haltungssystem" zu etablieren, um im Falle des Verbots der herkömmlichen Käfige nicht auf die für Großbetriebe kostenungünstigere Bodenhaltung umstellen zu müssen. Die durch den Umbau leer stehenden Anlagen sorgen nun für Eierknappheit auf dem deutschen Markt. Zudem sind einige kleinere und mittlere Hennenhalter aus der Produktion ausgestiegen, da sie die hohen Investitionskosten für den Stallumbau abgeschreckt haben. Der Selbstversorgungsgrad für Eier fiel in Deutschland von knapp 70 Prozent in 2008 auf ca. 50 Prozent in 2009. Die Versorgungslücke wird zu großen Teilen mit Eiern aus den Niederlanden geschlossen. Hier haben Hennenhalter früher reagiert und auf Bodenhaltung umgestellt. Die Käfigeier für die verarbeitende Industrie stammen vor allem aus Polen und Spanien. Besonders am Spotmarkt macht sich die mit der Verknappung des Angebots einhergehende Preissteigerung bemerkbar. Hier werden jedoch nur 7 bis 8 Prozent der in Deutschland verbrauchten etwa 17 Milliarden Eier gehandelt. Der weitaus größere Teil ist über langfristige Lieferverträge an feste Preise gebunden und der Lebensmitteleinzelhandel somit weitgehend gegen Preisschwankungen vorerst abgesichert. Georg Heitlinger, Hühnerhalter aus Baden-Württemberg, spricht von einem gespaltenen Eiermarkt. Besonders die großen Betriebe Norddeutschlands profitierten wegen ihrer langfristigen Verträge mit dem Handel derzeit nicht von den hohen Erzeugerpreisen. Kleinere Betriebe ohne langfristige Lieferverträge, welche bisher eher für den süddeutschen Raum typisch seien, könnten hingegen Preisvorteile für sich geltend machen. Heitlinger hält 40.000 Hühner in Boden- und Freilandhaltung und beliefert vor allem kleinere, privat geführte EDEKA und REWE Läden. Auch wenn er vertraglich nicht dazu verpflichtet sei, wolle er "mit den Preisen nicht durch die Decke gehen, um langjährige Kunden nicht zu verprellen." Die Verbraucher merken bisher wenig von den gestiegenen Preisen. Hält die Eierknappheit jedoch an, könnte sich das ändern. "Ostereier", schätzt Heitlinger, "werden sehr teuer."


Hühner auf dem Hof

Dass Deutschland das Verbot der Käfige zwei Jahre früher als andere Länder umsetzt, könnte heimischen bäuerlichen Erzeugern mit alternativen Haltungssystemen Marktvorteile sichern. Die bisher dominierenden Eierkonzerne verlieren derzeit Marktanteile, da sie nicht rechtzeitig umstellten. Aufgrund der Versorgungslücke suchen Vertragspartner aus dem Eierhandel Eier aus heimischer Erzeugung und bieten laut der niedersächsischen Land- und Forstwirtschaftlichen Zeitung den Landwirten langfristige Abnahmeverträge zu interessanten Konditionen. Die Gunst der Stunde haben auch Bauern aus der bisher eher durch Massentierhaltung bekannten Weser-Ems-Region erkannt und bereits Mitte 2006 eine "Interessengemeinschaft alternativer Hühnerhaltung e.V." (IaH) gegründet. Gründungsmitglieder sind Bauern, die neu in die Hennenhaltung eingestiegen sind und sich regelmäßig zum Erfahrungsaustausch treffen. Mittlerweile zählt die IaH 30 Mitglieder und verfügt über ein umfangreiches Beratungsangebot, eine Internetseite befindet sich im Aufbau. Henning Legtenborg, erster Vorsitzender und Mitbegründer der IaH, blickt optimistisch in die Zukunft. "Die Hennenhaltung in Deutschland oder sogar in der gesamten EU ist im Umbruch. Märkte müssen sich neu finden, und das dauert seine Zeit. Bäuerliche Familienbetriebe, die es schaffen, unter hohen Hygienevorgaben gute Eier zu produzieren, werden sich nach meiner Meinung sehr gut am Markt behaupten können", ist er überzeugt.


Kontakt IaH: 0173-8623157 oder iah@gmx.de.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 330 - Februar 2010, S. 3
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. März 2010