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MARKT/2252: Bio hat besondere Werte (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 419 - März 2018
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Bio hat besondere Werte
Märkte wollen entwickelt und Kunden gebunden werden

von Marcus Nürnberger


Immer mehr Menschen kaufen Bioprodukte. Das zeigten die Mitte Februar auf der Biofach in Nürnberg vorgestellten Zahlen. Auf über zehn Milliarden Euro ist der Umsatz im vergangenen Jahr angestiegen. Das belegt, dass die Forderungen nach einer nachhaltigen, ökologischeren Landbewirtschaftung und einer artgemäßen Tierhaltung, wie sie auch auf der Wir-haben-es-satt-Demo in Berlin vorgetragen wurden, sich langsam auch im Kaufverhalten wiederfinden. Bei genauerem Hinsehen wird allerdings auch deutlich, dass die Umsatzzuwächse vorrangig im Lebensmitteleinzelhandel (LEH, 8,8%) und hier wiederum durch ein erweitertes Angebot in den Discountern erreicht wurden.

Kundenbindung

Im Jahr 2016 erzielte der Naturkostfachhandel ein Gesamtzuwachs in Höhe von 1,3 Prozent, gegenüber 9,4 Prozent im Vorjahr. Neben dem Wachstum von Hofläden (1,2 %) und Biosupermärkte (1,8 %), konnten auch die klassischen Naturkostläden und Naturkostfachgeschäfte ihr Wachstum von 2015 (8,5 %) knapp halten (- 0,1 %). Unter anderem die massive Werbung mit Bio durch den LEH und die Discounter macht Elke Röder vom Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) für das begrenzte Wachstum der Fachgeschäfte verantwortlich. Auch wenn die Angebotspalette und vor allem auch die Fachinformationen im LEH sehr begrenzt sind, finden hier die größten Zuwächse statt. Die Stärke der Bioläden liege in ihrem ausschließlichen Bioangebot, so Röder. Neben der Beratung und der Produkttransparenz sei die Produktpalette eine Besonderheit: "Naturkostläden müssen sich vor allem durch ihr Sortiment profilieren, das zu 100 Prozent aus Bioprodukten besteht." Neben den unzähligen Ständen, den vielen neuen, innovativen Produkten, Ausstellern aus Deutschland, Europa, der ganzen Welt findet in Nürnberg begleitend zur Messe ein Fachkongress statt. Die Themen drehen sich um neue Entwicklungen im EU-Biorecht, den Klimawandel, die Artenvielfalt, eine zukünftige Öko-Förderung und vieles mehr. Ein Schwerpunkt in diesem Jahr war die Züchtung: eigene Züchtung, eigene Sorten, Bio von Anfang an.

Besondere Anforderungen

Die ökologische Landwirtschaft ist auf robuste und standortangepasste Sorten angewiesen. Vor allem bei den Pflanzen zeigt sich, dass die konventionelle Züchtung schon am Anfang wesentliche für den Ökolandbau wichtige Parameter nicht erfasst. Vor allem die hohe Versorgung mit Stickstoff, der Einsatz von chemisch-synthetischem Pflanzenschutz bei der gleichzeitigen Ausrichtung auf maximale Ertragsleistungen lassen in der Folge Sorten entstehen, die mit den Bedingungen im Ökolandbau nicht optimal zurechtkommen. Das immer weiter steigende Bewusstsein fordert zudem von den Ökobauern immer mehr Konsequenz. Die bisherige, aus der mangelnden Verfügbarkeit resultierende, Praxis, konventionelle Sorten unter Ökobedingungen zu vermehren und dann als Biosaatgut in den Verkehr zu bringen, wird zunehmend angreifbar.

Eine große Chance

Mit einer eigenen klassischen Züchtung, wie sie sich im Bereich Getreide und beim Gemüsesaatgut seit vielen Jahren entwickelt hat, könnte der Biosektor ein Modell entwickeln, das ihn unabhängig macht von immer weiteren Konzentrationsprozessen unterworfenen konventionellen Züchtungsunternehmen. "Unser gemeinsames Ziel ist es, die Biozüchtung bekannter und sichtbarer zu machen - auch am Markt. Immer mehr Verbraucherinnen und Verbrauchern liegt die konsequente Umsetzung des ökologischen Gedankens am Herzen. Ihnen das Thema verständlich näher zu bringen, ist eine unserer großen Aufgaben", betont Amadeus Zschunke, der Bioverita-Präsident, der zugleich Geschäftsführer der Sativa Rheinau AG ist. Bioverita versteht sich als Plattform für Biozüchter in Europa. Schon jetzt sind nachbaufähige Sorten aus ökologischer Züchtung am Markt verfügbar. Diese könnten am jeweiligen Standort zu hofeigenen Sorten weiterentwickelt werden. Nicht vergessen werden darf aber, dass Züchtung nicht umsonst ist. Wo die Marktführer versuchen, über Patente und Hybriden einen Nachbau zu verhindern, müssen im Biobereich tragfähige Konzepte zur Finanzierung der Züchter entwickelt werden. Saatgut ist Gemeingut, umsonst ist es aber deswegen nicht.

Koalition

Große Ankündigungen stehen im Koalitionsvertrag. 20 Prozent Bio will die Bundesregierung erreichen. Eine Hürde, die vor vielen Jahren schon Renate Künast anvisiert hatte. Derzeit werden in Deutschland nach Angaben des Bundes ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) 9,7 Prozent der Flächen ökologisch bewirtschaftet. Da klingt ein Ziel von 20 Prozent durchaus ambitioniert, auch wenn es erst 2030 erreicht werden soll. Ob man die Äußerungen der CDU-Frau und zukünftigen Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, man solle chemische Pflanzenschutzmittel auch für den Ökolandbau zulassen, um Ernteausfälle zu verhindern, schon als einen ersten Schritt in diese Richtung deuten soll, bleibt offen.

"Bio funktioniert", auch ohne Pestizide, stellte der Vorstandsvorsitzende des BÖLW, Felix Prinz zu Löwenstein, unmittelbar klar. Weder rechtlich machbar noch inhaltlich sinnvoll sei dieser Vorschlag, und er verwehrt sich gegen den Ansatz, die ökologische Landwirtschaft "konventioneller" zu machen. Das Ziel 20 Prozent, so Löwenstein, sei jetzt aber nicht mehr nur Aufgabe des Landwirtschaftsministeriums. Vielmehr sei durch den Koalitionsvertrag die gesamte Bundesregierung verpflichtet und alle Ressorts seien gehalten, das ihre zu tun, damit 20 Prozent 2030 tatsächlich erreicht würden.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 419 - März 2018, S. 4
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. April 2018

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