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VERBAND/1632: Verbändeplattform formuliert gemeinsame Forderungen für die Agrarreform 2013 (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 333 - Mai 2010
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Eine Stimme aus 27 Kehlen
Verbändeplattform formuliert gemeinsame Forderungen für die Agrarreform 2013

Von Marcus Nürnberger


"Unser Ziel ist klar! Das Leitbild ist eine multifunktionale, bäuerlich-ökologische Landwirtschaft mit globaler Verantwortung." Diesem Ziel hat sich ein Zusammenschluss aus 27 Verbänden aus Umwelt- und Naturschutz, Landwirtschaft, Entwicklungspolitik, Verbraucherschutz und Tierschutz verschrieben. Nicht die agrarindustrielle Erzeugung billiger Rohstoffe für die Nahrungsmittel- oder Energiewirtschaft ist das Ziel, sondern eine Lebensmittelerzeugung, die - flächendeckend betrieben - ökologisch intakte Kulturlandschaften prägt, Arbeitsplätze schafft und Tierschutzanliegen ebenso ernst nimmt wie die globalen Entwicklungsfragen und den Klimaschutz. Wegweisend für die Verbände ist die bäuerlich-ökologische Landwirtschaft. "Bäuerliche Landwirtschaft" bezieht sich, im Verständnis der Verbände, dabei nicht auf die Betriebsgröße, sondern beschreibt die Art der Wirtschaftsweise. Wichtige Parameter sind der Erhält des Hofes und qualifizierter, vielfältiger Arbeitsplätze. Dem zu Grunde liegt ein Denken in Generationen sowie die Einbindung in Dorf und Region mit Verantwortung für Mensch, Natur und Tier. Hofnahe, verflochtene und sich ergänzende Kreisläufe prägen diese Wirtschaftsweise.


Neuausrichtung ist nötig

Dass die europäische Agrarpolitik mit pauschalen, nicht an Leistungen geknüpften Zahlungen vor allem eine billige, agrarindustrielle Rohstoffproduktion fördert, wird von der Verbändeplattform als grundlegender Fehler kritisiert. Die Möglichkeit, gesellschaftlich akzeptierte und vor allem nützliche Entwicklungen zu fördern, blieben ungenutzt. Die geforderte Neuausrichtung muss deshalb weg von einer Betrachtung von Einzelinteressen hin zu einer umfassenden Analyse. "Wer sich allein mit der Bereitstellung von Ausgleichsflächen für den Arten- oder Biotopschutz zufrieden geben wollte, würde damit noch keine Antwort für den Klimaschutz, für den Wasserschutz oder den Tierschutz geben. Umgekehrt negiert eine rein auf Mengenwachstum ausgerichtete Agrarpolitik, die die "Welternährung" als Argument für Exportinteressen instrumentalisiert, die vielfältigen negativen Wirkungen auf Klima-, Umwelt-, Natur- und Tierschutz und auf die multifunktionalen, bäuerlichen Betriebe", so das Verbändepapier.


Klare Aufgabenfelder

Anders als viele andere aktuelle Stellungnahmen zur bevorstehenden GAP 2013 bemühen sich die Verbände, konkrete Aufgabenfelder und die anzustrebenden Lösungswege, bis hin zu konkreten Maßnahmen, klar aufzuzeigen. Als die zentralen Aufgabenfelder werden die Sicherung der biologischen Vielfalt, die Verbesserung der Klimawirkung der Landwirtschaft, ein nachhaltiges Wassermanagement und eine Reduktion des Nährstoffeintrags gefordert. Die EU-Agrarpolitik müsse zukünftig tiergerechte Haftungsverfahren entwickeln und unterstützen. Dass die europäische Agrarpolitik globale Auswirkungen hat, ist allgemein unbestritten. Von den Verbänden abgelehnt wird jegliche Form des Dumpings von europäischen Überschüssen mittels Exportsubventionen in ärmeren Ländern. Dies sei keine Lösung für die an sich falsche Überproduktion innerhalb Europas und zerstört darüber hinaus bestehende bäuerlich-ökologische Strukturen in den Empfängerländern bzw. steht deren Entwicklung entgegen. Ein weiterer Schwerpunkt wird auf die Einbindung der landwirtschaftlichen Betriebe in regionale Wirtschaftskreisläufe gelegt. Von einer derartigen Verflechtung profitierten der ländliche Raum durch gesicherte Arbeitsplätze, den Erhalt bzw. die Entstehung regionaler Verarbeitungs-, Vermarktungs- und Handelsstrukturen im vor- und nachgelagerten Bereich.


Gesellschaftliche Leistungen fördern

Als ungerecht und dem Steuerzahler nicht mehr zu vermitteln kritisiert wird ein System, bei dem 85 Prozent aller Direktzahlungen der ersten Säule an 20 Prozent der Betriebe gezahlt werden. Die Verbände fordern daher, alle EU-Zahlungen zu qualifizieren, indem sie an konkrete gesellschaftliche Leistungen gebunden werden. Konkret gefordert wird, dass ein Netz von "ökologischer Grundinfrastruktur" im Umfang von zehn Prozent der Betriebsfläche in Form von Blühstreifen, Rand- und Saumstrukturen usw. zu schaffen sei. Des weiteren sei die Förderung so auszugestalten, dass es sich für die Landwirte lohnt, sich für eine Qualitätssteigerung im ökologischen Sinne einzusetzen. Auch der Klimaschutz bildet einen Schwerpunkt. Als "europäische Eiweißstrategie" bezeichnet, soll ein Fünftel der Ackerfläche dem Leguminosenanbau zur Verfügung gestellt werden. Vor allem die Böden würden durch eine Erhöhung des Humusanteils und eine Verbesserung der Wasseraufnahme- und Wasserspeicherfähigkeit profitieren. Darüber hinaus könnte ein beachtlicher Teil der energieaufwändigen und klimaschädlichen Stickstoff-Düngung sowie der Soja-Importe vermieden werden.

Weiterhin gefordert wird eine Verbesserung der Förderung des ökologischen Landbaus. Benachteiligte Gebiete sollen in Zukunft nicht mehr pauschal, sonder anhand von zu definierenden, flächenscharfen Kriterien attraktiver gestaltet werden, um Mitnahmeeffekte zu verhindern. Der Bereich der ländlichen Entwicklung ist bereits in LEADER angelegt, soll aber nach der Vorstellung der Unterzeichner weiterentwickelt werden.


Qualifizierung sofort

Deutliche Änderungen werden bei den Vergabekriterien der Investitionsförderung verlangt, da die bisherige Vergabepraxis vor allem Rationalisierungs- und Konzentrationsprozesse befördert hat. Zukünftig müssten artgerechte und flächengebundene Tierhaltung, eine Reduktion der Umweltbelastungen und der Erhalt bzw. die Schaffung von Arbeitsplätzen zu den elementaren Vergabekriterien werden.

Eine pauschale, undifferenzierte Flächenzahlung würde, auch in einer Übergangszeit, zu einer Benachteiligung der vielfältigen Wirtschaftsweisen führen und spezialisierten, rationalisierten Betrieben Vorteile verschaffen. Deshalb fordern die Verbände bis zu einer grundlegenden Umgestaltung der EU-Agrarpolitik, jegliche Zahlung an die folgenden Kriterien zu binden:

Mindestfruchtfolge, bei der eine Frucht maximal SO Prozent der Ackerflächen einnimmt und ein Mindestanteil an Leguminosen von 20 Prozent;

Ökologische Vorrangflächen mit einem Flächenanteil an der Betriebsfläche von minimal 10 Prozent;

Vollständiges Verbot des Grünlandumbruchs in sensiblen Bereichen (z.B. Niedermoore), ansonsten Grünlandumbruch nur mit Genehmigung und gegen Ausgleich in Form von Wiedereinsaat;

Eine nachweislich ausgeglichene Hoftorbilanz für Stickstoff (N);

Kein Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (GVO).


Sozio-ökonomische Kriterien:

Da viele der gesellschaftlich erwünschten Leistungen im Bereich des Tierschutzes wie auch des Naturschutzes einen höheren Arbeitsaufwand bedingen, fordern die Unterzeichner von der EU den Vorschlag der Staffelung der Zahlungen vom Mai 2008 (Health Check) erneut aufzugreifen und mit der Berücksichtigung eines Arbeitsansatzes zu ergänzen, damit Betriebe mit einem hohen Angebot an Arbeitsplätzen (bezogen auf die Fläche) nicht gegenüber durchrationalisierten Betrieben mit geringer Arbeitskraftausstattung benachteiligt werden.


Gesellschaftliche Pattform

Mit ihren Forderungen und Analysen wollen die unterzeichnenden Verbände weg von der isolierten Betrachtung von Einzelinteressen, hin zu einem Vorgehen, das bewusst verschiedene Ziele und Aufgaben ausgewogen integriert. Weg von einer Besitzstandswahrung für Einzelne, hin zu einer tatsächlich umfassenden - gemeinsamen - Politik.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 333 - Mai 2010, S. 13
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juli 2010