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VERBAND/2210: Mit Punktesystem für multifunktionale Landwirtschaft (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 404 - November 2016
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Mit Punktesystem für multifunktionale Landwirtschaft
Neuer AbL-Vorschlag für nachhaltige Reform der europäischen Agrarpolitik nach 2020

Von Christine Weißenberg


Im EU-Agrarhaushalt sind innerhalb der so genannten ersten Säule die Direktzahlungen als Einkommensabsicherung für Bäuerinnen und Bauern gedacht - werden aber von vielen mit kleineren bis mittleren, viehhaltenden und vielfältig strukturierten Betrieben als zutiefst ungerecht empfunden. Denn die Flächenprämien werden unqualifiziert je Hektar ausgezahlt und sorgen linear fortgeführt für eine stärkere Einkommensunterstützung und Kapitalverfügbarkeit bei Betrieben mit großer Flächenausstattung und rationalisierter Bewirtschaftung. Je mehr die Konzentration von landwirtschaftlichen Betrieben zunimmt und die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen erfolgt, desto mehr ist jedoch auch die "Multifunktionalität" der Landwirtschaft gefährdet. Denn der größtenteils auf Kostenführerschaft basierende Markt für Agrarprodukte honoriert gesellschaftlich bedeutsame Leistungen und den dafür nötigen Aufwand nicht.

Elf Kriterien der Bewirtschaftung

Für die nächste anstehende Reform der GAP nach 2020 hat die Arbeitgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) deshalb einen neuen Vorschlag zur Verteilung der Direktzahlungen entwickelt: Mit Hilfe eines Punktesystems sollen die Flächenzahlungen qualifiziert werden, je nach Bedeutung der Bewirtschaftung für Lebensmittelerzeugung, Pflege der Kulturlandschaft, artgerechte Haltung von Nutztieren, Schutz des Trinkwassers, der Bodenfruchtbarkeit und der Artenvielfalt. Möglichst praxisnah wurden elf Kriterien abgeleitet, deren Ausprägung aus den Betriebsdaten einfach zu entnehmen ist und die Anzeichen für eine multifunktionale Landwirtschaft sind: Schlaggröße (1), Fruchtfolge (2), Leguminosenanteil (3), Verzicht auf Totalherbizide (4), Grünland (5), extensives Grünland (6), Bodenpunkte (7), Landschaftselemente (8), bodengebundene Tierhaltung (9), Lebensmittelerzeugung (10) und Tierbestandsgröße (11). Innerhalb der Kriterien werden Einteilungen vorgenommen und jeweils mit gestaffelten Punktezahlen z. B. in der Größenordnung von Null bis 40 versehen. So bietet eine vielfältige Fruchtfolge ökologische Vorteile u. a. für die Biodiversität; dementsprechend wird die Anzahl der Kulturen im Betrieb bewertet: weniger als drei mit null Punkten, drei mit sechs Punkten, vier mit zehn Punkten, fünf oder mehr mit 20 Punkten. Tierhaltung fließt in die Punktezahl entsprechend dem Viehbesatz pro Fläche und der Bestandsgröße pro Betrieb ein.

Die Summe der bei allen Kriterien erreichten Punkte im einzelnen Betrieb bestimmt dann die Höhe der Zahlungen für den Betrieb. Dabei setzt sich die Prämie zusammen aus einer Basisprämie und zwei weiteren Komponenten, die sowohl die Fläche als auch die Tierhaltungsform des Betriebes berücksichtigen. Mindestens 0,2 Normarbeitskräfte (berechnet nach KTBL) muss ein Betrieb grundsätzlich nachweisen, damit er berechtigt ist, Geld aus dem EU-Haushalt zu erhalten. Die flächenabhängigen Zahlungen sollen degressiv ausgestaltet werden.

- Die Basisprämie entspricht der Punktezahl des Betriebes, multipliziert mit einem festzulegenden Euro-Betrag je Punkt, z. B. 30 Euro.

- Die Leistungsprämie je Fläche errechnet sich, indem die Punktezahl mit der Hektarzahl der Betriebsfläche multipliziert wird; je Punkt wird hier z. B. ein Euro vergeben.

- Zudem gibt es eine nach Aufstallungsart differenzierte Tierprämie, je nachdem, wie artgerecht die Haltung gestaltet ist und bezogen auf die Großvieheinheiten im Betrieb (bis zu einer Betriebsgröße von maximal 300 GV).

Die Punktezahl geht also sowohl in die Basisprämie als auch in die Flächenprämie ein, die auf diese Weise je nach Art der Bewirtschaftung und der Betriebsstruktur differenziert wird.


Beispielrechnungen:

Als Hintergrund und Berechnungsgrundlage dienen vorab festgelegte Zahlen einer Punktetabelle mit Einteilung der Kriterien und aufgegliederter Bewertung der Tierhaltung je nach Haltungsform; weiterhin für die Basisprämie: 30 Euro je Punkt (EUR/Pkt.); für die Flächenprämie: Summe der Punkte multipliziert mit 1 EUR/ha; für die Tierprämie: festgelegter Geldbetrag je GV, gestaffelt von Null bis 50 EUR/GV

1. Betriebsbeispiel:
20 Kühe plus Nachzucht (30 GV); 20 ha (1,5 GV/ha)
extensives Grünland: Laufstall, Weidegang
durchschnittl. Schlaggröße 3 ha
50 Bodenpunkte;
2000 qm Landschaftselemente
Verzicht auf Totalherbizide

Basisprämie
232 Punkte x 30 EUR
6.960 EUR
Flächenprämie
232 EUR/ha x 20 ha
4.640 EUR
Tierprämie
30 GV x 50 EUR
1.500 EUR
Summe
13.100 EUR


2. Betriebsbeispiel:
100 ha reiner Ackerbau
durchschnittl. Schlaggröße 3,5 ha
5-gliedrige Fruchtfolge; 70 Bodenpunkte
2 ha Landschaftselemente;
Verzicht auf Totalherbizide

Basisprämie
145 Punkte x 30 EUR
4.350 EUR
Flächenprämie
145 EUR/ha x 100 ha
14.500 EUR
Tierprämie
0 EUR
Summe
18.850 EUR


3. Betriebsbeispiel:
100 Kühe plus Nachzucht (150 GV); 100 ha (1,5 GV/ha)
30 % Grünland, intensiv; Laufstall, kein Weidegang, kein Außenklima
durchschnittl. Schlaggröße 5 ha; 10 % Leguminosen
65 Bodenpunkte;
1 ha Landschaftselemente
Verzicht auf Totalherbizide

Basisprämie
185 Punkte x 30 EUR
5.500 EUR
Flächenprämie
185 EUR/ha x 100 ha
18.500 EUR
Tierprämie
150 GV x 20 EUR
3.000 EUR
Summe
27.050 EUR


4. Betriebsbeispiel:
100 Kühe (150 GV); 100 ha (1,5 GV/ha)
70 % Grünlandnutzung, extensiv; Laufstall, Weidegang
durchschnittl. Schlaggröße 5 ha
40 Bodenpunkte;
1 ha Landschaftselemente
Verzicht auf Totalherbizide

Basisprämie
230 Punkte x 30 EUR
6.900 EUR
Flächenprämie
230 EUR/ha x 100 ha
23.000 EUR
Tierprämie
150 GV x 50 EUR
7.500 EUR
Summe
37.400 EUR

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 404 - November 2016, S. 4
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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(verbilligt auf Antrag 30,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Januar 2017

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