medico international - Pressemitteilung vom 22. Februar 2016
Balkanroute dicht: Bundesregierung untergräbt Asylrecht für Afghanen
Menschen aus Afghanistan haben in Deutschland und Europa nach wie vor einen gesicherten Rechtsanspruch auf ein Asylverfahren. Faktisch aber wird ihnen jetzt die Möglichkeit genommen, ihr Recht auf Asyl geltend zu machen.
Menschen aus Afghanistan haben in Deutschland und Europa nach wie vor
einen gesicherten Rechtsanspruch auf ein Asylverfahren. "Faktisch aber wird
ihnen jetzt die Möglichkeit genommen, ihr Recht auf Asyl geltend zu
machen", so Thomas Seibert, Südasien-Referent der Hilfs- und
Menschenrechtsorganisation medico international, die seit vielen Jahren
lokale Partner in Afghanistan unterstützt. Serbien lässt afghanische
Geflüchtete nicht mehr passieren, Mazedonien ist dabei, seine Grenzen zu
schließen. Seibert kritisiert Innenminister de Maizière, der von vorgeblich
sicheren Regionen in Afghanistan spreche und die Bundesländer sogar
auffordere, Afghanen abzuschieben. Seibert verweist auf den medico-Partner
Hadi Marifat von der Afghan Human Rights and Democracy Organisation
(AHRDO): "Man kann die Leute nicht einfach wie Müll abladen. Ich kenne
Afghanen, die abgeschoben wurden und sich umgebracht haben oder von Taliban
aufgegriffen wurden. Wer zurückkehrt, wird seines Überlebens nicht sicher
sein."
"Die Behauptung, dass es in Afghanistan in zureichendem Maß sichere Regionen gebe, ist ein Versuch, auf dem Rücken der bedrohten Flüchtlinge aus Afghanistan innenpolitische Handlungsfähigkeit zu zeigen", so Seibert. Die Zahlen sprechen eine gänzlich andere Sprache. Laut UN-Bericht fielen der fortdauernden kriegerischen Gewalt 2015 insgesamt 11.000 Zivilisten zum Opfer, 7.547 wurden verletzt, 3.545 starben: eine Steigerung von 4% im Verhältnis zum Vorjahr, eine Verdopplung der Opfer im Verhältnis zum Jahr 2009. Auch wenn das Ausmaß der Gewalt regional unterschiedlich sei, könne keine Gegend wirklich als sicher bezeichnet werden. "Die Lebensgefahr beginnt schon, wenn man sein Dorf verlässt, um in der nächsten Stadt zum Arzt oder auf den Markt zu gehen", so Seibert: "Allein auf der Straße von Kabul nach Kandahar verschwanden 2015 fünfzig Menschen. Außerdem können Afghanen infolge der ungelösten ethnischen Spannungen nicht einfach ihren Lebensraum wechseln: Hazaren können nicht in paschtunischen Gebieten leben, Paschtunen nicht in den Dörfern von Hazaren. Das Problem sind nicht einfach die Taliban, sondern das Fehlen gesicherter rechtsstaatlicher Verhältnisse."
Mit der Schließung der Grenzen, so der medico-Sprecher, werde das formell weiter gültige Asylrecht auf verwaltungstechnischem Weg abgeschafft. "Die Bundesregierung schreddert die Grundrechte in ihrem Überleben bedrohter Menschen auf kaltem Weg, unter Aushöhlung unkündbaren Völkerrechts."
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Quelle:
medico international - Pressemitteilung vom 22.02.2016
Herausgeber: medico international
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Februar 2016
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