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ASYL/1232: Die Ergebnisse der Sondierungsverhandlungen zwischen CDU und SPD sind ernüchternd (Flüchtlingsrat NI)


Flüchtlingsrat Niedersachsen - Pressemitteilung vom 12. Januar 2018

Kommentar zu den Ergebnissen der Sondierungsgespräche
Die Ergebnisse der Sondierungsverhandlungen zwischen CDU und SPD sind ernüchternd

Kai Weber


Die Festlegung einer - innenpolitisch lange umstrittenen - Obergrenze von 180.000 - 220.000 pro Jahr (inklusive Kriegsflüchtlinge, vorübergehend Schutzberechtigte, Familiennachzügler, Relocation, Resettlement, abzüglich Rückführungen und freiwilligen Ausreisen künftiger Flüchtlinge und ohne Erwerbsmigration) ist nunmehr großkoalitionäres Programm. Zur Gewährleistung dieser Zielvorgabe gehört ein Ausbau von Frontex "zu einer echten Grenzschutzpolizei" ebenso wie eine Externalisierung der Flüchtlingsaufnahme im Rahmen einer Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitstaaten. Das Bekenntnis zum Grundrecht auf Asyl und zur GFK ist wichtig, hilft aber immer weniger, wenn Flüchtlingen sich zukünftig nur noch beschränkt darauf berufen können, weil sie an den europäischen Grenzen abgefangen oder auf angeblich "sichere Drittstaaten" verwiesen werden.

Unter dem Strich markiert das Ergebnis der Sondierungen die endgültige Abkehr von einer "Willkommenskultur" hin zu einer Politik der Ausgrenzung und Abschreckung. Seit 2016 stellen wir fest, dass die Schutzquoten für die Hauptherkunftsländer der Geflüchteten sinken, nicht weil sich die Situation vor Ort verbessert hätte - in vielen Ländern (etwa Afghanistan) ist das Gegenteil der Fall - , sondern weil das Bundesamt die Kriterien der Anerkennung verschärft hat. Das "Downgrading" des Schutzstatus für die meisten syrischen Flüchtlinge - vom Flüchtlingsstatus zum subsidiären Schutz - ging einher mit der Aussetzung des Familiennachzugs für zwei Jahre. Das Ergebnis: Weniger Integration, mehr Rechtsunsicherheit, zerrissene Familien.

Nun soll der Ausschluss des Familiennachzugs weiter verlängert werden. Ab Juli 2018 sollen dann bundesweit 1000 Familienangehörige pro Monat zu Geflüchteten mit subsidiärem Schutz die Erlaubnis erhalten, nach Deutschland zu kommen. Bei rund 60.000 Familienangehörigen von subsidiär Geschützten bedeutet dies, dass ein Nachzug dieser Personen in fünf Jahren noch nicht abgeschlossen sein wird, und es kommen ja neue Flüchtlinge hinzu. Unfassbar auch der Ausschluss von Angehörigen unbegleiteter Minderjähriger, deren schweres Schicksal ohne Eltern in Hunderten von Eingaben bundesweit beklagt wird. Erkauft wird diese haarsträubende Kontingentierung mit einer Einstellung der Flüchtlingsaufnahme aus Italien und Griechenland, wo mehr als 4.000 Familiennachzugsangehörige, die bereits einen Rechtsanspruch auf die Familienzusammenführung in Deutschland haben, vergeblich auf ein legales Visum warten. Was für ein Armutszeugnis!

Die kontingentierte Zulassung eines Familiennachzugs mit Einschränkungen und unter Auflagen ab Juli 2018 ist nur ein Pflaster, das an der Neuorientierung der Flüchtlingspolitik nichts ändert. Ziel der Politik ist eine Vermeidung von Aufenthaltsverfestigung, eine zunehmende Isolation in Lagern und eine Verschärfung des Abschiebungsregimes, verbunden mit forcierten Anstrengungen zur Verhinderung einer Flucht nach Europa schon in den Transitstaaten und einem Ausbau der Grenzkontrollen. Wenn die AFD demnächst eine Entfristung des Familiennachzugsverbots im Bundestag fordern wird. dürfen wir sicher sein, dass dies von allen anderen im Bundestag vertretenen Parteien im Brustton der Überzeugung abgelehnt wird. Hinter den Kulissen aber wird sich die AFD die Hände reiben: Sie regiert längst mit.

Kai Weber

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Quelle:
Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Januar 2018

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