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ASYL/1255: Familiennachzug zu subsidiär Geschützten (Pro Asyl)


Pro Asyl - Pressemitteilung vom 5. April 2018

Familiennachzug zu subsidiär Geschützten

PRO ASYL kritisiert: Soziale Selektion würde den Familiennachzug endgültig ad absurdum führen


Mit dem Ressortentwurf eines »Familienzusammenführungsneuregelungsgesetzes« (FzNeuG) verschärft Bundesinnenminister Seehofer insbesondere die Nachzugsregelungen für subsidiär geschützte Flüchtlinge. Eine Neuregelung war in der Koalitionsvereinbarung vorgesehen. Was jetzt vorliegt, geht über das dort Vereinbarte weit hinaus. Es ist der Versuch auszutesten, inwieweit man mit dem Koalitionspartner SPD Schlitten fahren kann und zugleich ein weiterer Beitrag zum bayerischen Vorwahlkampf.

Empfänger von Hartz IV-Leistungen unter den subsidiär Geschützten sollen künftig keinen Anspruch auf den Nachzug der Kernfamilie haben. Das ist ebenso absurd wie inakzeptabel. Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention und subsidiär Geschützte werden im Europarecht gleichermaßen als »international Schutzberechtigte« bezeichnet und befinden sich in Sachen Familientrennung bzw. -nachzug in derselben Lage. Ihr Familienleben kann nicht anders gewährleistet werden als durch die Zusammenführung in dem Staat, der einem Familienteil Schutz zugesprochen hat. Bei beiden Gruppen ist unabsehbar, wie lange die Situation der Schutzbedürftigkeit dauern wird.

Der Notwendigkeit, beide Personengruppen gleich zu behandeln, hat der Gesetzgeber - die letzte GroKo - mit dem »Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung« (in Kraft getreten zum 1.8.2015) Rechnung getragen. Nun soll - keine drei Jahre später - die fälschlicherweise oft als »Privilegierung« der subsidiär Schutzbedürftigen bezeichnete Regelung abgeschafft werden. Versteckt wird das Ganze im unscheinbar daherkommenden Abs. 4 des ins Aufenthaltsgesetz neu eingefügten § 36 a.

Die Sicherung des Lebensunterhaltes und der Nachweis vorhandenen Wohnraums als Voraussetzung für den Nachzug waren nicht Bestandteil der Koalitionsvereinbarung. Für Flüchtlinge jedweden Schutzstatus ist es in den wenigsten Fällen möglich, schon kurz nach unanfechtbarer Anerkennung ihren Lebensunterhalt in vollem Umfang sicherzustellen. (Erläuterung: Um den Anspruch zu sichern, müssen subsidiär Geschützte binnen drei Monaten nach Zusprechung des Status den Antrag auf Erteilung des Visums stellen.)

Mit der Neuregelung wäre der Familiennachzug zu Empfängern von Sozialleistungen mit subsidiärem Schutzstatus faktisch ausgeschlossen. Die Regelung wäre ein Mittel sozialer Selektion. Familieneinheit für eine Handvoll materiell Gutgestellter anstelle menschenrechtlicher Ansprüche aus Art. 8 in Verbindung mit Art. 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Auch mit dem Ausschluss von Geschwisterkindern vom Nachzug geht Seehofer über die Koalitionsvereinbarung hinaus, was bei der SPD nicht unbemerkt geblieben ist.

Hingegen enthält der Entwurf keine klaren Aussagen, nach welchen Kriterien Menschen in das Zusammenführungskontingent von 1000 Personen aufgenommen werden können. Offenbar soll auch noch eine Art Gnadenrecht möglichst unpräzise bleiben - viel Platz für Schikanen nach Ermessen der Ausländerbehörden in Kooperation mit den Auslandsvertretungen.

Dringende humanitäre Gründe können weiterhin auch bei subsidiär Schutzberechtigten z.B. im Rahmen von § 22 AufenthG berücksichtigt werden (sog. »Härtefallregelung«). Die meisten, die diese Tür benutzen wollen, werden wenig Chancen haben. 66 Visa, die auf diese Weise innerhalb von zwei Jahren erteilt wurden, zeigen die marginale Bedeutung dieser Regelung, die einen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch (Art. 6 GG) nicht ersetzen kann.

PRO ASYL hat sich in einer Petition an den Bundestag ausführlich zur Problematik der Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Geschützten geäußert.

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Quelle:
Pro Asyl - Pressemitteilung vom 5. April 2018
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. April 2018

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